Energetisierend: Bericht des Fraktionsvorsitzenden Michael Friedrich zur Kreiswahlversammlung 2024

Dr. Michael Friedrich

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde und Gäste,

in guter Tradition möchte ich vor der Aufstellung unserer Kandidierendenliste über unser Wirken im Kreistag berichten. In vier Schwerpunkten will ich verdeutlichen, dass wir über 5 Jahre hoch konzentriert und erfolgreich gearbeitet haben. Dies ist hervorzuheben, gerade weil die kreislichen und vor allem die bundespolitischen Rahmenbedingungen alles andere als einfach waren!

1. Wie ihr wisst, besetzen wir derzeit 8 Plätze im 80-köpfigen Kreistag. Damit sind wir die mit Abstand kleinste Fraktion – leider! Selbst bei taktischen Absprachen mit der Fraktion von SPD/Grünen mit 17 Plätzen sind wir gemeinsam weitab von den notwendigen Mehrheiten, um Anträge durchzubringen. Die Musik im Kreistag wird gegenwärtig vor allem von der CDU mit 23 und den Freien Wählern/FDP mit 15 Sitzen bestimmt. Gerade in diesen beiden Fraktionen konzentrieren sich die 16 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die dem Kreistag angehören. Kraft Amtsbonus und meist auch langjähriger Erfahrung sind diese ernst zu nehmende Kommunalpolitiker, die - wen wundert`s -  fast immer auf der Linie von Landrat Emanuel liegen.

Somit ist klar, dass bei fast allen Diskussionen eine sehr pragmatisch-konservative Verwaltungssicht dominiert, verbunden mit einer ausgesprochenen Unlust, Bisheriges in Frage zu stellen und sich auf Alternativen, geschweige denn Visionen einzulassen. Inhaltliche Kontroversen des Kreistags mit dem Landrat und seiner Verwaltung sind äußerst selten. Die Diskussionen im Kreistag, aber auch in seinen nichtöffentlichen Ausschüssen dürfen mit Fug und Recht als gelähmt bezeichnet werden, wenn sie denn überhaupt stattfinden. Ja, gäbe es uns LINKE nicht mit dem Mut, viele Dinge kritisch zu hinterfragen und nicht allein und blind der „Weisheit“ der Verwaltung zu vertrauen, würde wohl so manch eine Sitzung nur halb so lange dauern!

Eine leider unrühmliche Rolle spätestens seit 2019/2020 spielen unsere lokalen Medien. Es herrscht dort ein zunehmendes Desinteresse an der Kreistagsarbeit generell und den kommunalpolitischen Positionen der einzelnen Fraktionen speziell. Anders als etwa in der Leipziger so genannten kleinen LVZ, wo über die Arbeit des dortigen Stadtrats stets sehr ausführlich und fair mit den Positionen der einzelnen Ratsfraktionen berichtet wird, beobachten wir hier in Nordsachsen eine zunehmende Boulevardisierung der Lokalpresse fast auf dem Niveau von BILD. Da ist eben jede Schlägerei, jeder umgekippte Gülle-Anhänger, jeder tote Wolf und jede Gerichtsverhandlung viel, viel interessanter als etwa die Haushaltsbeschlüsse über immerhin 250 Mio. Euro oder das in Arbeit befindliche Integrationskonzept für Asylsuchende. Während früher von 5 Pressestatements der Fraktion wenigstens 3 oder 4 zumindest gekürzt in der Lokalpresse erschienen sind, haben wir heute Glück, wenn auch nur eins erscheint. Ich will nicht klagen, aber dieser Umstand macht es natürlich schwer, mit unserer Arbeit an die Öffentlichkeit zu dringen und zu zeigen, dass die LINKE wirklich gebraucht wird und Erfolge zu verzeichnen hat!

2. Zur Verdeutlichung dieser Erfolge jetzt eine kleine, keinesfalls vollständige Statistik. In den vergangenen 5 Jahren, die über weite Strecken durch Corona Lock Downs mit diversen Videokonferenzen gekennzeichnet waren, haben wir immerhin

- 7 Anträge gestellt, die im Kreistag diskutiert wurden, darunter zur Einrichtung eines eigenen Frauenschutzhauses – inzwischen verwirklicht! -, zu einem finanziellen Schutzschirm für die Kommunen infolge der Pandemie-Belastungen, zur Stabilisierung der Kinder- und Jugendhilfe, zur Aufnahme von Flüchtlingen, zu Maßnahmen gegen Energiearmut und zu einer besseren Finanzausstattung der Kommunen.                                                               Weiterhin haben wir

- 29 Anfragen auf den Weg gebracht, ganz überwiegend zu sozialen Problemen, so zur Wohngeldreform, zu den Pflegekosten, zur Kinder- und Jugendhilfe, zum Strukturwandel, zum Schülerverkehr, zum Rettungswesen, zur Krankenhausreform, zum Schließen der Funk-Löcher und zu einer besseren kommunalen Finanzausstattung.

Ich habe jetzt bereits zweimal die katastrophale kommunale Finanzausstattung erwähnt, die wahrlich d a s Dauerthema im Kreistag ist. Noch sind wir mit rund 100 Mio. Euro verschuldet. Das Limit unserer Kassenkredite von rund 72 Mio. Euro werden wir demnächst reißen. All dies war kein Problem zur Zeit der Niedrigzinsen. Jetzt aber, bei deutlich gestiegenen Zinssätzen schon. Unser Landkreis befindet sich seit Jahr und Tag, konkret seit der Kreisgebietsreform im Jahr 2009, in einer nett benannten „instabilen Haushaltslage“. Wir haben uns leider längst daran gewöhnen müssen, dass seit 2011 fast permanent eine Haushaltssperre gilt. Natürlich hat das fatale Folgen auch für unsere 30 kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die mit einer hohen Kreisumlage von über 34% belastet werden. Ganz zu schweigen von der extremen Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung, die den Landkreis dazu zwingt, notwendige Investitionen zu verschieben und bei den so genannten freiwilligen Aufgaben wie Jugendhilfe und Kultur auf Magerkost zu setzen.

Die genannten Anträge und Anfragen sind - ohne uns über Gebühr loben zu wollen - etwa soviel, wie alle anderen Fraktionen in Summe geschafft haben! Verständlich, dass ich angesichts dieser Bilanz mit dem Vorwurf von Sahra Wagenknecht und ihrer BSW, die LINKE vernachlässige sträflich das Soziale, nun wirklich nichts anfangen kann. An dieser Stelle möchte ich Judith Sodann, unserer Geschäftsführerin großen Dank sagen. Sie hat maßgeblich diese Anträge und Anfragen gemeinsam mit mir entwickelt und betreut, verbunden mit einer stets aktuellen Homepage unserer Fraktion, auf der all dies detailliert nachzulesen ist!

3. Ein paar wenige Sätze noch zur AfD, die in unserem Kreistag immerhin 16 Sitze innehat und damit die drittstärkste Fraktion ist. Ich bin weit davon entfernt, diese 16 Kreisräte geschlossen als gesichert rechtsextrem zu bezeichnen, auch wenn drei oder vier ganz üble Burschen darunter sind, für die das mit Sicherheit zutrifft. Fakt ist, dass auch in Nordsachsen die „Brandmauer“ zu den demokratischen Fraktionen löchrig geworden ist, wie einige Wahlgänge gezeigt haben. Ebenso ist Fakt, dass eine formelle Zusammenarbeit etwa zwischen CDU und AfD oder FW und AfD gegenwärtig jedenfalls nicht stattfindet. AfD-Anträge wurden bis jetzt immer geschlossen abgelehnt oder wenigstens mit Enthaltung bedacht. Ob das nach dem 09. Juni 24 noch so bleibt, wenn der Kreistag neu gemischt wird – dafür lege ich meine Hand nicht ins Feuer.

Wir haben uns in der Fraktion verständigt, dass wir anders als früher, als wir die AfD schlicht nur ignoriert haben, uns sehr wohl mit ihren verlogenen, rassistischen und demokratiefeindlichen Anträgen und Parolen argumentativ auseinandersetzen. Unbestritten ist es beängstigend, dass diese Partei bei den anstehenden Landtagswahlen bei deutlich über 30 Prozent landen und damit auch im Kreistag die stärkste Fraktion stellen könnte. Um dies zu verhindern, ist es mehr als geboten, den vielen „Protest“- und „Schnauze-voll“-Menschen, die viele gute Gründe haben, gegen die unsoziale, abgehobene und dazu noch handwerklich gruselig schlecht gemachte Politik der Ampel auf die Straße zu gehen, zu verdeutlichen, welche fatalen Folgen die Wahl dieser Partei haben kann. Schon aus diesen Gründen ist eine mutige argumentative Auseinandersetzung mit der AfD ein Gebot der Stunde. Juristische Winkelzüge dagegen, die AfD mit irgendwelchen Tricksereien kleinzuhalten oder die ihr zustehenden demokratischen Rechte zu entziehen, halten wir für kontraproduktiv. Das würde sie nur zu Märtyrern machen und ungewollt stärken.

4. Ich hoffe, in meinen 10 Minuten klargemacht zu haben, wie wichtig unsere Kreistagsarbeit ist und in welch anspruchsvollem Umfeld wir uns bewegen. Es würde mich sehr freuen, wenn dies ein wenig dazu beitragen kann, alle euch 19 Kandidierenden zu beflügeln, sich dieser reizvollen Aufgabe zu stellen und mit vollem Elan in die Wahlkämpfe zu gehen! Für mich mit jetzt stolzen 73 Jahren, für die ich mich nicht entschuldigen muss, trifft dies zu! Ich werde mit Sicherheit keine „lahme Ente“ sein. Allerdings wird dies, sollte ich gewählt werden, definitiv meine letzte Wahlperiode, die 7.Wahlperiode im Kreistag sein. Ich bin nun schon seit 1990, beginnend mit der letzten Volkskammer, dann im Übergangs-Bundestag und fast 20 Jahre im Landtag in der Politik. Ein Generationenwechsel ist eigentlich längst überfällig! Ich werde Jede und Jeden unterstützen, die oder der sich dazu bereit erklärt und die Zeit und Kraft aufbringt, die Fraktion zu führen!

Ja, einfach wird das alles nicht! Aber ich kann euch versprechen, es wird spannend und wir werden eine gute Fraktionhaben! Eine Fraktion, in der die Meinung einer jeden und eines jeden gehört und geachtet wird, in der es verlässliche Absprachen, aber keinen Fraktionszwang geben wird. Eine Fraktion, in der wir achtungsvoll miteinander umgehen, entlang unseres anspruchs-vollen Wahlprogramms arbeiten, uns solidarisch unterstützen und einen gewichtigen Beitrag zu einem freundlichen, friedlichen, sozialen und nachhaltigen Nordsachsen leisten werden.