Thema: Haushalt 2010 - Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Friedrich

Dr. M. Friedrich

Redemanuskript zur Beschlussfassung von Haushaltssatzung und Haushaltsplan des Landkreises Nordsachsen für das Haushaltsjahr 2010 (DS Nr. 1-280/09) im Kreistag am 09.12.2009

Redemanuskript zur Beschlussfassung von Haushaltssatzung und Haushaltsplan des Landkreises Nordsachsen für das Haushaltsjahr 2010 (DS Nr. 1-280/09) im Kreistag am 09.12.2009

//Anrede//,

der vorliegende Haushaltsplan lässt keine Freude aufkommen. War es in den vergangenen Jahren immerhin gelungen, wenigstens noch bei der Planung drohende Fehlbeträge zu vermeiden, so jetzt nicht mehr. Wir unterstützen die Verwaltung auf ihrem Weg zu endlich mehr mutiger Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, zu hartem Realitätssinn im vorgelegten Zahlenwerk. Alles andere wäre auch Selbstbetrug.

25,4 Mio. Euro Fehlbetrag, in der mittelfristigen Finanzplanung gar dreistellige Millionen an Fehlbeträgen, sind ein ernsthaftes Problem. Ein noch viel größeres als der sächsische Landkreis-Rekordstand von 106 Mio. Euro Schulden und fehlende Rücklagen.

Anders als der Freistaat können wir eben keine Rücklagen auflösen, um den Fehlbetrag auszugleichen.

Anders als der Freistaat können wir an der Einnahmesituation kaum etwas ändern, ohne unsere Substanz zu verkaufen.

Anders als der Freistaat können wir auch an unserer Ausgabesituation nicht wirklich etwas Wesentliches ändern, da weit über 90% der Ausgaben gesetzlich festgelegte Pflichtaufgaben und Personalausgaben sind.

Unsere Handlungsfähigkeit als Selbstverwaltete Körperschaft ist deshalb bereits heute stark eingeschränkt. Sie wird mit dem vorzulegenden Haushaltssicherungskonzept noch stärker gegen Null gehen.

Trotz drohender Mindereinnahmen im Mrd.-Bereich hat also der Freistaat immer noch deutlich größere Spielräume beim Haushaltsausgleich als die Landkreise. Deshalb verstehe ich die brüske Ablehnung des Vorschlags der kommunalen Spitzenverbände nach einem kommunalen Finanzkonzept in den Zeiten der Finanzkrise durch MP Tillich nicht. Weiser wäre es gewesen, hätte Tillich auf dem Landkreistag in Zwickau nach dem Spruch des 6. US-Präsidenten Abraham Lincoln gehandelt:

„Nur wer das Herz hat zu helfen, hat das Recht zu kritisieren.“

Meine Fraktion hat eine weitere -  ich bin davon überzeugt -  völlig legitime Erwartung an die Staatsregierung.

Es war das Projekt Staatsregierung, eine Kreisgebietsreform durchzuführen.

Es war das Projekt der Staatsregierung, dazu ausgerechnet unsere zwei besonders strukturschwachen Alt-Landkreise mit hohem Verschuldungsstand zusammenzuspannen.

Deshalb dürfen wir erwarten, dass die Staatsregierung das neue Gebilde wenigstens ohne den Bleigürtel der Sonder-Altlast von 21 Mio. Euro aus dem Sanierungsvertrag der untergegangenen Sparkasse Torgau-Oschatz ins Leben entlässt. Diese 21 Mio. Euro würden zwar unsere Probleme nicht lösen, wohl aber die Situation merklich entspannen.

Wir erwarten deshalb von Ihnen, Herr Landrat Czupalla, mehr Mut vor Fürsten- und Königsthronen! Die brüske Ablehnung einer Sonderhilfe für unseren Landkreis durch MP Tillich darf nicht das letzte Wort sein!

Den LINKEN ist klar, dass trotz angemahnter Hilfe durch die Staatsregierung ohne Zeitverzug gehandelt werden muss. Ohne Illusionen sehen wir die Notwendigkeit, dass unsere Einnahmen aber vor allem unsere Ausgaben überprüft werden müssen. Wir sind bereit, daran verantwortungsvoll mitzuwirken. Deshalb werden wir dem heutigen Haushalt mehrheitlich zustimmen. Alles andere und jede Verzögerung wäre eine Sackgasse. Mittelfristig  brauchen wir wieder größere Spielräume für die Selbstverwaltung. So z. B., um uns mittelfristig eben doch über ein geeignetes Sozialticket (!) verständigen zu können.

Meine Fraktion wird nun natürlich nicht plan- und prinzipienlos in die Konsolidierung einsteigen, sondern nach einem klaren politischen Kompass.

Für uns ist der Landkreis eben nicht irgendeine GmbH oder AG, die knallhart nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu sanieren sind. Für uns ist und bleibt der Landkreis ein gemeinwohlorientierter Gemeindeverbund mit einem klaren sozialen Auftrag.

Für uns ist der freiwillige Aufgabenbereich angefangen von der Volkshochschule und der Musikschule über die Vereins- und Sportförderung bis hin zur Jugendförderung und zum ÖPNV eben nicht irgendeine nette Petersilie zur Garnierung  des staatlichen Aufgabenbereichs, auf die man notfalls auch schon mal verzichten kann, sondern Kernbestandteil der Selbstverwaltung. Gerade der freiwillige Aufgabenbereich macht doch die Lebensqualität in Nordsachsen aus.

Für uns sind die kommunalen Krankenhäuser als Konsolidierungsmasse nicht verhandelbar.

Für uns ist das Personal im LRA keine betriebswirtschaftliche Verschiebemasse. Ohne den vertrauensvollen Dialog mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung wird die Konsolidierung nicht gelingen.

Deshalb werden wir die  Konsolidierungsmaßnahmen, die uns die externen Experten sicherlich zuhauf vorschlagen werden, sehr kritisch an genau diesen Maßstäben überprüfen. Darüber aber wird der politische Streit nicht heute, sondern in einem halben Jahr zu führen sein.

Soweit zu den Aufgaben, die wir selber lösen müssen und zu einem beträchtlichen Teil sicher auch selber lösen können.  Abschließend ein paar Worte zu der vorgelegten Willensbekundung.

Natürlich muss man zu einem Haushalt nicht zwingend eine Willensbekundung beschließen. In unserer aktuellen Situation aber ist dies wohl angebracht. Noch hat der Bundesrat zwei wichtige Gesetzesvorhaben, die weitere gravierend negative Auswirkungen auf unsere Finanzen haben, nicht beschlossen. Das soll am 18. Dezember geschehen, und Sachsen hat immerhin drei Stimmen.

Wir glauben, es ist legitim vom Kreistag her MP Tillich aufzufordern, diesen Gesetzen nicht zuzustimmen.

Tillich selbst hat in mehreren Interviews starke Bedenken geäußert, dass diese Gesetze für das Land und seine Kommunen nachteilige Folgen haben, ja das Land trotz gegenteiligen Willens zu einer Neuverschuldung zwingen könnten. Nun wird ein Signal aus Torgau keine Wunder bewirken. Andererseits könnten Signale aus mehreren Landkreise und Städten den MP darin bestärken, gegenüber der Bundesregierung endlich mal klare Kante zu zeigen, so wie das MP Carstensens aus Schleswig-Holstein vorhat. Ich darf abschließend bemerken, dass die Landräte in Zwickau am 20. November noch sehr viel weitergehende Forderungen an die Bundes- und die Landespolitik gestellt haben, so dass eine Zustimmung der anderen Fraktionen nicht schwer fallen sollte.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!