Thema Haushaltsicherungskonzept: Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Friedrich

Dr. Michael Friedrich

Dass der Kreistag heute ein Haushaltsicherungskonzept beschließen muss, ist alternativlos. Eine harte Verweigerungshaltung oder gar uneinsichtige Fundamentalopposition gegen die Staatsregierung würde uns eher früher als später die Konsequenzen der §§ 112 - 117 der SächsGemO spüren lassen, die mit der Bestellung eines Beauftragten und damit mit der fast vollständigen Entmündigung des Kreistages und des Landrates enden. Das will die LINKE ausdrücklich nicht!

Rede zum Haushaltsicherungskonzept des Landkreises Nordsachsen für die Jahre 2010 – 2014

(Drucksache 1-376/10)

 

Dass der Kreistag heute ein Haushaltsicherungskonzept beschließen muss, ist alternativlos. Eine harte Verweigerungshaltung oder gar uneinsichtige  Fundamentalopposition gegen die Staatsregierung würde uns eher früher als später die Konsequenzen der §§ 112 - 117 der SächsGemO spüren lassen, die mit der Bestellung eines Beauftragten und damit mit der fast vollständigen Entmündigung des Kreistages und des Landrates enden. Das will die LINKE ausdrücklich nicht! Darum haben wir uns aktiv in die Erarbeitung des vorliegenden Dokuments eingebracht, so auch in der AG Haushalt. Uns liegt sehr daran, dass der Landkreis finanziell wieder handlungsfähig und zumindest mittelfristig wieder Licht am Ende des Tunnels erkennbar wird.

Natürlich sind finanzwirtschaftliche Kriterien wichtig. Natürlich müssen wir sobald wie möglich wieder einen ausgeglichenen, einen gesetzeskonformen Haushalt vorlegen. Darüber aber dürfen wir eines nicht vergessen:

Nordsachsen lebt und soll lebenswert bleiben. Kaputtsparen, den ganz offensichtlich vorhandenen strukturellen Schieflagen in unserem Haushalt mit untauglichen Mitteln hinterher zu sparen kann auch keine Lösung sein!

Dem Haushaltssicherungskonzept haftet ein Mangel an,  den weder die WIBERA noch der Kämmerer verschuldet haben. Die jüngsten Sparorgien der Bundes- und der Staatsregierung im Sozialbereich sind naturgemäß nicht berücksichtigt. Dadurch gibt es auch weitere Belastungen der Kommunen. Etwa wenn der Rentenbeitrag für HARZ-IV-Empfänger künftig wegfällt und die Landkreise später für die Grundsicherung aufkommen müssen. Oder wenn aus Pflichtleistungen der Bundesagentur für Arbeit Ermessensleistungen werden, was nicht gerade geeignet ist, die Zahl der Bedarfsgemeinschaften zu senken.

Von den 41 Maßnahmen im vorliegenden Konzept ist naturgemäß keine einzige mit Freude verbunden. Jede einzelne bringt im besten Falle Unruhe, weitere Wege, schlechteren Service  und längere Bearbeitungszeiten mit sich, im schlechtesten Falle Standardabsenkungen, Leistungsverzicht und Arbeitsplatzabbau. Das alles wissen wir. Der puren Not gehorchend liegen für uns dennoch etwa 35 oder 36 Maßnahmen im „grünen Bereich“. Vor allem den Abbau von Doppelstrukturen, ein besseres Gebäudemanagement und eine sinnvolle Konzentration von Verwaltungsstandorten können wir mittragen.

Auch der vorgeschlagene Personalabbauum immerhin 142 Stellen bis 2014 ist nachvollziehbar, wenngleich mit Blick auf unsere Arbeitsmarktzahlen ärgerlich. Hier nehmen wir den Landrat beim Wort, diesen Abbau im Einvernehmen mit dem Personalrat ohne Kündigungen zu vollziehen und dennoch einen  kleinen Einstellungskorridor für junge gut qualifizierte Mitarbeiter zu schaffen.

Im „gelben Bereich“ liegt für uns die Erhöhung der Kreisumlageauf 31,5 %. Auch wenn die Bürgermeister diesen Kompromiss zähneknirschend zu tolerieren scheinen, ist und bleibt es hoch problematisch, den Kreishaushalt zu Lasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, denen es selbst oft kaum besser geht als uns zu sanieren. Zudem garantiert niemand und zuallerletzt die Kommunalaufsicht, dass besagte 31,5 % im Herbst immer noch das Ende der Fahnenstange sein werden. Auch habe ich noch niemals erlebt, dass eine einmal erhöhte Kreisumlage jemals wieder zurückgenommen worden wäre.

In allen bisherigen Diskussionen habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es für die LINKE einen eindeutig „roten Bereich“ gibt. Das betrifft die vorgesehene Erhöhung der Elternanteile an denSchülerbeförderungskosten und damit verbunden den Wegfall  der bisherigen Besserstellung der HARTZ-IV-Empfänger. Auch wenn diese Verschlechterung nur 60 Cent pro Schüler im Monat ausmacht, widerspricht dies unserem Ziel zu verhindern, die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern die Zeche für die unsägliche Schulschließungspolitik des Freistaates zahlen zu lassen. Zudem hatte die LINKE vor nicht allzu langer Zeit einen Prüfauftrag zur Einführung eines Sozialtickets im Landkreis eingebracht. Für uns ist es schlicht eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, jetzt nicht dem glatten Gegenteil zustimmen zu können!

Mein Unverständnis möchte ich darüber äußern, dass es die Verwaltung nicht fertig gebracht hat, zwei von unserer Fraktion geforderte Prüfaufträge in das Konzept zu schreiben. Zum einen sollte es doch möglich sein, mit der Sparkasse Leipzig in Verhandlungen zu treten, um ab dem Jahr 2011 wieder Ausschüttungen zu ermöglichen. Natürlich ohne die Eigenkapitalbasis der Sparkasse zu ruinieren. Diese Forderung ist genauso berechtigt wie die Maßnahme Nr. 41, mit der wir die Krankenhäuser um Solidarität bitten.

Ein weiter Prüfauftrag fehlt. Er betrifft die kommunale Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig und den beiden angrenzenden Landkreisen, aber auch mit interessierten kreisangehörigen Städten und Gemeinden  auf geeigneten Themenfeldern, so z. B. der Wirtschaftsförderung. Das würde zwar nicht gleich Millionen bringen, wäre aber im Interesse der Zukunftsfestigkeit unserer Region sehr wichtig.

Wie geht es nun weiter? Die WIBERA-Studie hat zwar formal das Ziel verfehlt, uns einen Weg zu einem geordneten Haushalt aufzuzeigen. Die Schere  schließt sich bis zum Jahr 2014 nur zu etwa einem Drittel. Umso wichtiger ist die politische Aussage, die die WIBERA-Studie auch ohne Auftrag trifft:

Der Landkreis wird es aus eigener Kraft nicht schaffen und kann es selbst bei einem noch härteren Sparkurs nicht schaffen. Selbst wenn der  im letzten Teil der Studie ab S. 248 versteckte HARDCORE-Katalog zur Anwendung käme mit einer weiteren Erhöhung der Kreisumlage, dem Verkauf von Krankenhäusern, dem  restloses Eindampfen der freiwilligen Aufgaben u. s. f., bliebe ein beträchtlicher Fehlbetrag.

Daraus folgen drei Dinge.

Erstens, unser Landkreis benötigt dringend Bedarfszuweisungen aus dem Topf des Finanzausgleichsgesetzes. Hier ist der Freistaat in einer Bringe-Pflicht, wenn er den Artikel 87 der Sächsischen Landesverfassung ernst nimmt. Danach sorgt der Freistaat dafür, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können, was eine Mindestfinanzgarantie einschließt. Dass Nordsachsen ein strukturschwaches und hochverschuldetes Gebilde mit finanziellen Altlasten werden würde, musste der Staatsregierung auch schon vor der Reform im Jahr 2008 klar sein. Der Freistaat aber hat Nordsachsen genau so gewollt. Das hat eine Obhutspflicht des Freistaates für das Funktionieren auch unseres Landkreises zur Folge.

Zweitens wäre viel Druck aus dem Kessel, wenn in den Verhandlungen mit dem Freistaat erreicht würde, unsere jährlichen Tilgungsraten deutlich abzusenken.

Drittens darf vom Freistaat erwartet werden, dass er Überlegungen anstellt, wie das generelle strukturelle Defizit der Landkreise zwischen den weiter stark ansteigenden Sozialausgaben und der sich immer weiter verringernden Einnahmebasis beseitigt wird. Nach einer mir vorliegenden Kleinen Anfrage im Landtag planen ab dem Jahr 2011  neun von zehn  Landkreisen – alle außer Meißen - in ihrer mittelfristigen Finanzplanung mit zweistelligen Mio.-Fehlbeträgen. Die Entwicklung läuft also auch andernorts aus dem Ruder. Wir sind nur die ersten, die zu kentern drohen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!