Krankenversichertenchipkarte für Asylsuchende

Landkreis Nordsachsen Beschlussvorlage öffentlich


Fraktion DIE LINKE 29. 06. 15

Gesundheits- und Sozialausschuss 02. 09. 15

Kreisausschuss 08. 09. 15

Kreistag 30. 09. 15


Betreff:

Krankenversichertenchipkarte für Asylsuchende


Beschlussvorschlag:

Der Landrat wird beauftragt zu prüfen, auf welche Art und Weise der Landkreis Nordsachsen auf vertraglicher Ebene mit einer geeigneten Krankenkasse die Übernahme der Krankenbehandlung von Leistungsberechtigten nach den §§ 1, 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) durch die Ausgabe von Versichertenchipkarten gewährleisten kann.

Begründung:

Dieser Prüfauftrag hat zum Ziel, die Konditionen für einen Vertrag mit einer geeigneten gesetzlichen Krankenkasse wie z. B. der AOK Sachsen zu ergründen, um allen Leistungsempfängern nach dem AsylbLG eine Krankenversichertenchipkarte zur Verfügung zu stellen. Damit soll gewährleistet werden, dass im Krankheitsfall schnell und unbürokratisch medizinische Hilfe geleistet werden kann.

Gegenwärtig erhalten Asylsuchende mit Anspruch auf Leistungen nach § 4 AsylbLG (oder hilfsweise § 6 AsylbLG) keine Krankenversichertenchipkarte, sondern müssen vor jedem Arztbesuch das zuständige Sozialamt kontaktieren und einen Behandlungsschein beantragen, welcher amtlich ausgestellt wird. Das gilt auch für etwaige Weiterbehandlungen durch Fachärzte. Dabei beschränkt sich der Behandlungsanspruch im Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung auf akute Erkrankungen und Schmerzen sowie auf Schwangerschaft und Geburt. Auch wenn das Sozialamt und die einbezogenen Ärzte in Nordsachen bemüht sind, ohne Zeitverzug zu handeln und unnötige Härten zu vermeiden, bleibt doch die Tatsache, dass medizinisch ungeschultes Personal gezwungen ist zu entscheiden, ob eine Erkrankung im Sinne des Gesetzes „akut“ ist oder welche sonstigen „Hilfen“ und „Leistungen“ als „unerlässlich“ eingeschätzt werden.

Diese Praxis bedeutet unnötige bürokratische Hürden und impliziert die Gefahr, dass die notwendige medizinische Versorgung verzögert und erschwert wird. Dadurch kann es bei den Betroffenen zur Chronifizierung von Krankheiten kommen bis hin zur notwendigen Inanspruchnahme medizinischer Notfalldienste mit entsprechenden zusätzlichen Kosten. Da die Abrechnungspraxis der Ärzte seit Jahren flächendeckend elektronisch funktioniert, wird auch den Medizinern bei der Behandlung von Asylsuchenden ein zusätzlicher unnötiger Verwaltungsaufwand zugemutet.

Es liegt auf der Hand, dass der Abschluss eines Rahmenvertrags mit einer gesetzlichen Krankenkasse auf Landesebene die beste Option wäre. Auch wenn es Bestrebungen des Freistaates gibt, eine Versicherungslösung für Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG zu finden, hat Sozialministerin Clauß erst am 18. 05. 15 im Sächsischen Landtag den Vorschlag der GRÜNEN zur Einführung einer landesweiten Krankenversichertenkarte explizit zurückgewiesen. Daher macht es Sinn, nach dem Vorbild der Städte Chemnitz und Leipzig (geplant auch in Dresden), die fraktionsübergreifend unlängst entsprechende Beschlüsse fassten, die kommunalen Spielräume für einen unbürokratischen Zugang für Asylsuchende zur Gesundheitsversorgung auszuloten.

In Bremen (seit 2005) und Hamburg (seit 2012) erhalten bereits alle Leistungsempfänger nach AsylbLG eine Krankenkassenchipkarte. Die zuständige Behörde in Hamburg führt dazu u. a. folgende Vorteile aus:

  • Gesundheitsversorgung ist Kernaufgabe der Krankenkassen

  • Vermeidung systemwidriger und kostenintensiver Parallelstrukturen für die Krankenhilfebetreuung der Träger der Sozialhilfe

  • Die Stadt braucht keinen kostenaufwändigen Bewilligungs- und Prüfapparat entsprechend des Niveaus einer gesetzlichen Krankenkasse unter Einsatz von entsprechendem Fachpersonal (wie Ärzte) und spezieller Abrechnungstechnologie (wie Prüfsoftware) aufzubauen und zu erhalten.

  • Geschätztes Einsparpotential in Hamburg: 1,2 Mio. Euro jährlich.

Auch in Nordsachsen wäre die Einführung einer Krankenversichertenchipkarte für Asylsuchende sinnvoll, befristet auf die Gültigkeit des Aufenthaltstitels. Insgesamt könnten die medizinische Versorgung der Asylsuchenden erleichtert, Verwaltungsaufwand im Landratsamt und bei den Medizinern abgebaut und Kosten eingespart werden.

Dr. Michael Friedrich

Die LINKE