Unsere Rolle als Kreisrätinnen und Kreisräte
Oppositions- und Gestaltungsverständnis, Bündnispolitik
Michael Friedrich Zwethau, 10. Januar 2015
Fraktionsklausur
am 10. Januar 2015 in Zwethau, Wenzels Hof
DISKUSSIONSANGEBOT zum Thema:
Unsere Rolle als Kreisrätinnen und Kreisräte – Oppositions- und Gestaltungsverständnis, Bündnispolitik
1. Leitbild
2. Wahlprogramm und Antragsstrategie
3. Gestaltungspolitik versus Opposition
4. Rahmenbedingungen und Ressourcen
5. Schlussfolgerungen
1. Leitbild
LEITBILD für die Wahlperiode 2014 – 2019 im Kreistag Nordsachsen:
„Die Entwicklung des ländlichen Raumes in all seinen Facetten ist der Leitgedanke unseres Wirkens. Dabei sind attraktive und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landkreises anzustreben. Der demographische Wandel ist unter Wahrung des sozialen Zusammenhalts und der Beibehaltung eines reichhaltigen Angebots an kommunaler Infrastruktur und Daseinsvorsorge aktiv zu gestalten.
Dies muss über die Gesundung der Kreisfinanzen, den Erhalt kommunalen Eigentums, den Ausbau der Verantwortungs- und Gestaltungsspielräume des Landkreises, die enge Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen und die regionale Kooperation mit der Stadt Leipzig und den benachbarten Landkreisen erfolgen. Dabei sind eine höchstmögliche Transparenz der kommunalen Entscheidungen und eine aktive Bürgerbeteiligung erforderlich.“
2. Wahlprogramm und Antragsstrategie
8 KERNPUNKTE unseres Kreiswahlprogramms:
1. Vor allem für Jüngere und Familien muss Nordsachsen noch attraktiver werden. Dazu gehören gute Arbeit mit ordentlicher Bezahlung, gute Bildung mit wohnortnahen Schulen, bessere Nahverkehrsbedingungen, eine ausreichende ärztliche Versorgung und ein vielfältiges kulturelles Angebot. Nur so lässt sich die Abwanderung stoppen.
Mögliche Initiativen:
- Vergabe öffentlicher Aufträge nur bei garantiertem Mindestlohn
- Genehmigung Schulnetzplan forcieren
- diverse Anträge und Anfragen, die aus der Tätigkeit der AG Novelle SächsSchulG resultieren und die überwiegend auch von der Landrätekonferenz gefordert werden (wie Erhalt der Schulstandorte im ländlichen Raum, ausreichend Lehrerpersonal zur Qualitätssicherung des Unterrichts, Flexibilisierung der Mindestschülerzahlen und der Zügigkeiten, Inklusion personell und finanziell absichern, Berufsschulen auch im ländlichen Raum erhalten, Finanzierung Unterrichtsmaterial sichern)
- schrittweiser Übergang zum Beitragsfreien Schülernahverkehr
- alternative Finanzierungsvarianten des ÖPNV/SPNV im MDV
- BE zur Situation bei der haus- und fachärztlichen Betreuung
2. Wir müssen dringend unsere finanzielle Handlungsfähigkeit wiedererlangen. Dies ist bei notwendigen eigenen Sparanstrengungen nur mit Hilfe des Landes möglich, um unsere strukturelle Einnahmeschwäche auszugleichen. Die viel zu hohe Kreisumlage (33,8%) ist wieder zurückzufahren. Trotz Schuldenbremse muss weiterhin ausreichend investiert werden.
Mögliche Initiativen:
- ÄAnträge zur Beschlussfassung Haushalt 2015
- Aufgreifen diverser Vorschläge der Landrätekonferenz zur Weiterentwicklung der kommunalen Finanzausstattung (wie GMG I nachjustieren, GMG II zugunsten der ländlichen Gebiete verändern, Mehrbelastungsausgleich überarbeiten und in FAG integrieren, Konnexitätsprinzip strikt beachten, Flüchtlingspauschale erhöhen, kommunale Schulden auf Schuldenbremse des Landes anrechnen, Regionalbudgets einführen, Förderpolitik flexibilisieren und vereinfachen)
- Evaluation der Entwicklung Kreisumlage in Abhängigkeit von Einnahmen und Aufgaben des Landkreises und der kreisangehörigen Gemeinden
- Thematisierung der Folge-/Betriebskosten und der ab 2017 einzustellenden Abschreibungen kommunaler Investitionen.
3. Beim Sozialen darf nicht gespart; bestehende Standards dürfen nicht zurückgefahren werden. Die Jugendhilfe, die Schulsozialarbeit und die soziale Betreuung von Flüchtlingen sind auszubauen. Der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und die zwischenmenschliche Solidarität, Achtung und Toleranz gerade auch gegenüber Schwächeren, Anderen und Flüchtlingen sind wichtig.
Mögliche Initiativen:
- Initiativen zur Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit durch öffentlich geförderte Beschäftigung prüfen
- Entwicklung der KdU kritisch begleiten: Ist das „schlüssige Konzept“ noch schlüssig?
- Unterbringung und soziale Betreuung der Flüchtlinge konstruktiv und kritisch begleiten, Besuche in Flüchtlingsheimen und von Flüchtlingsfamilien, eventuell Alltagsbegleitung und Sprache lernen unterstützen
- Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln, z. B. durch Neuausrichtung der Förderpolitik und bessere frühe Hilfen zum Kinderschutz
- Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen im Zuge des Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen verbessern
- Erarbeitung einer Kreiskonzeption zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung (UN-BRK)
- Erarbeitung einer Kreiskonzeption zur Pflege
- Anregung zur Einführung von sozialen Regionalbudgets analog der Jugendpauschale.
4. Die freiwilligen Aufgaben des Landkreises wie Volkshochschulen, Musikschulen, Orchester-, Sport- und Vereinsförderung müssen auf hohem Niveau erhalten bleiben.
Mögliche Initiativen:
- Besuch und Gespräch mit den GF der Volkshochschule, der Musikschule, der Orchester
- Evaluierung und Neuausrichtung der Finanzierung der beiden Orchester bei Erhalt beider Orchester
- BE zur Wirksamkeit des Kulturraumgesetzes
- Gespräche mit dem Kreissportbund, den beiden Kreisfeuerwehrvereinen, dem Kreis-Kleingartenverein u. a.
5. Die kommunalen Betriebeund Beteiligungen sind zu erhalten. Vor allem die Krankenhäuser sind zu stärken. Sie stehen unter keinen Umständen zum Verkauf. Vielmehr muss die gemeinnützige Krankenhausstiftung endlich starten können. Die haus- und fachärztliche Versorgung gerade auf dem „flachen Land“ ist zu verbessern.
Mögliche Initiativen:
- Genehmigung der Krankenhausstiftung forcieren und deren rechtswirksame Gründung sichern!
- Vor-Ort-Besuche bei kommunalen Unternehmen und Beteiligungen, Thematisierung von Problemen (siehe Beteiligungsbericht!) im FA, KA
- Fortsetzung der Anstrengungen zur Gebührensenkung im Abfallbereich speziell im Altkreis DZ und zur ökologisch sicheren Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
- weitere Bereinigung der Struktur der Kreiswerke DZ.
6. Statt ständiger Vertröstungen sind tatsächliche Fortschritte beim Bau der B 87n, bei den Ortumgehungen der B2 und anderen Projekten notwendig. Der Hochwasserschutz mit einem Niveau von HQ 100 ist zu beschleunigen und endlich einheitlich länderübergreifend zu koordinieren. Ein besserer Schutz vor Fluglärm ist wichtig. Schnelles Internet für alle mit der Zielstellung 50 Mbit/sec ist anzustreben.
Mögliche Initiativen:
- BE des SMWA bzw. des Sächsischen Straßenbauamtes zu den tatsächlichen Planungsständen bei B 87n, B2 u. s. w.
- BE des SMUL bzw. der Landestalsperrenverwaltung über die erreichten Fortschritte beim Länderübergreifenden Hochwasserschutz vor allem an Elbe, Mulde und Elster
- gemeinsame Veranstaltung mit der LINKEN aus ABI zum Länderübergreifenden Hochwasserschutz in DZ
- BE des SMWA bzw. der Telekom über den Ausbaustand mit schnellem Internet
- Gespräche mit BI gegen Fluglärm.
7. Mit Leipzig und unseren Nachbarkreisen ist eine gedeihliche und intensive Zusammenarbeit auf Augenhöhe und zum beiderseitigen Vorteil im Rahmen der Metropolregion Mitteldeutschland anzustreben. Das betrifft vorrangig die Wirtschaftsförderung, den ÖPNV/SPNV, die Sparkassen, das Rettungswesen und den Hochwasserschutz.
Mögliche Initiativen:
- Fortführung und Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Stadtfraktion L, mit der Kreistagsfraktion LL und mit weiteren Fraktionen der angrenzenden Kreise über beiderseitig interessierende Fragen
- BE der Wirtschaftsförderung Region Leipzig (WRL)
- Mitarbeit im Strategie-AK des MDV zur Ausarbeitung alternativer Finanzierungsmodelle
- Anfrage zum Stand der Einführung BOS (Digitalfunk) in Nordsachsen
- kritische Beobachtung der Fortschritte beim Neubau der Integrierten Rettungsleitstelle in L.
8. Immer und überall sind die Bürgerbeteiligung und die kommunale Demokratie auszubauen. Politische Entscheidungen müssen für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar sein und daher von den Akteuren rechtzeitig und ausreichend ohne Verweis auf angebliche „alternativlose Sachzwänge“ erklärt werden. Die Nichtöffentlichkeit vieler Gremien im Kreistag ist zu überwinden. Die bereits an gearbeitete Informationsfreiheitssatzung muss baldigst beschlossen und umgesetzt werden. Mit Verbänden, Vereinen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen ist das Gespräch zu suchen.
Mögliche Initiativen:
- Wiederaufnahme des Projekts Informationsfreiheitssatzung nach Vorliegen des entsprechenden Landesgesetzes
- dauerhafte gezielte Öffentlichkeitsarbeit, um wichtige Entscheidungen des Kreistages und die Position der LINKEN zu diesen transparent zu machen
- Lockerung der strikten Nichtöffentlichkeit der vorberatenden Kreistagsgremien
- Begrenzung der Tätigkeit des Ältestenrates auf sein originäres Aufgabengebiet, den LR bei der Aufstellung von Tagesordnungen zu beraten
- gezielte Gesprächsangebote an Verbände, Vereine, GW und BI´s
- Können wir nicht auch einmal ein Bürgerbegehren (§ 21 SächsLKrO), einen Bürgerentscheid (§ 22 SächsLKrO) anregen?!
3. Gestaltungspolitik versus Opposition
LINKE Kommunalpolitischen Leitlinien (2013):
- Primat hat eine Angebots orientierte Gestaltungspolitik,
- kein Widerspruch zu notwendigen kritischen Fragen zu Verwaltungsentscheidungen,
- gegebenenfalls auch klare Opposition.
Kreistag ist (anders als Landtag und Bundestag) keine Legislative, sondern Teil der Exekutive.
§ 23 SächsLKrO :
Kreistag = „Hauptorgan“ des Landkreises (noch vor LR!) mit umfangreichen Rechten und Pflichten (§ 24):
- legt die Grundsätze der Verwaltung fest (§ 24 (1) HS 1)
- ist immer dann (all)zuständig, sofern nicht LR kraft GE zuständig ist bzw. dem LR die Aufgabe übertragen wurde (§ 24 (1) HS 2)
- ihm obliegen exakt 21 „vorbehaltene“ Aufgaben; diese dürfen dem LR od. beschließenden Ausschüssen nicht übertragen werden (§ 24 (2))
- hat Kontrollpflicht über die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen für deren Beseitigung durch den LR (§ 24 (3)),
- entscheidet im Einvernehmen mit LR über Personal der höheren Vergütungsgruppen und kann dabei den LR mit 2/3-Mehrheit überstimmen (§ 24 (4)),
- 1/5 der KR hat Akteneinsichtsrecht (§ 24 (5)),
- jeder KR kann an den LR schriftliche oder mündliche Fragen stellen, die grundsätzlich binnen 4 Wochen zu beantworten sind (§ 24 (6)),
- 1/5 der KR kann unverzüglich mit dem Verhandlungsgegenstand eine Kreistagssitzung einberufen (§ 32 (3) S 4)
- 1/5der KR oder eine Fraktion kann einen Verhandlungs-gegenstand auf die TO spätestens der übernächsten Kreistagssitzung setzen, d. h. hat Antragsrecht (§ 32 (5)).
- Fraktionen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Kreistages mit und können ihre Auffassungen öffentlich darstellen (§ 31a (2)).
Kreistag Nordsachsen:
80 KR; LR kein KR, aber stimmberechtigter Vorsitzender:
- 34+1 CDU
- 22 SPD/FDP/GRÜNE = „Ampel“
- 13 LINKE
- 8 Freie Wähler (FW)
- 3 NPD
CDU + Ampel = 57 Ampel + LINKE = 35 ≤ Ampel + LINKE + FW = 43
→ Wechselnde Mehrheiten sind der Regelfall!
4. Ressourcen und Rahmenbedingungen
Ressourcen der Kernverwaltung im LRA:
rd. 1.000 Beschäftigte hauptamtlich bei 40 Wochenstunden
= 40.000 Wochenstunden!
Ressourcen unserer Fraktion mit 13 KR, 5 SachkEW und 0,5 GF :
rd. 5 h ehrenamtlich wöchentlich KR, rd. 2 h ehrenamtlich SachkEW + 20 h hauptamtlich GF:
= 95 Wochenstunden!
→ Uns stehen nur rd. 0,2% der Zeitressourcen der LRA-Verwaltung zur Verfügung, die zudem überwiegend ehrenamtlich geleistet werden!
Übergewicht des LRA hinsichtlich der materiellen/finanziellen Ressourcen noch deutlicher:
Der LINKEN stehen rd. 25.000 Euro im Jahr zur Unterstützung der Fraktionsarbeit zur Verfügung.
Das LRA aber verfügte nach HH-Plan 2014 allein über rund 54,6 Mio. Personalkosten, dazu kommen mehrere Mio. an Sachkosten, die in verschiedenen Positionen versteckt sind.
→ Wir arbeiten also mit weniger als 0,05 % der materiellen und finanziellen Ressourcen des LRA!
→ Trotz dieser sehr beschränkten Ressourcen ist es der LINKEN in der vergangenen Wahlperiode gelungen, 22 von den insgesamt 514 Kreistags-Drucksachen in den Geschäftsgang zu bringen, das ist ein Anteil von immerhin 4,3%!
5. Schlussfolgerungen
1. Konzentration auf das kommunalpolitisch Wesentliche, d. h. darauf was die Menschen unmittelbar berührt und/oder für die strategische Entwicklung Nordsachsens bedeutsam ist (siehe LEITBILD, 8 Kernpunkte Kommunalwahlprogramm).
2. Anregungen aus öffentlichen Fraktionssitzungen, aus Gesprächen mit Vereinen, Verbänden, Bürgerinitiativen, GW aber auch spontanen Bürgergesprächen bündeln und für Anträge und Anfragen nutzen.
3. Offensive, d. h. verständliche, zeitgemäße und rechtzeitige Öffentlichkeitsarbeit leisten.
→ nächster TOP!
4. Mut zur Lücke aufbringen, z. B. bei reinen Verwaltungsvorlagen ohne besondere soziale, ökologische, demokratiepolitische Relevanz (rd. 80 % aller Drucksachen).
5. Zumindest semiprofessionelle Arbeit anstreben durch wirksame Unterstützung der KR + SachkEW durch unseren GF bei möglichst effektivem Einsatz unserer finanziellen Mittel.
6. Gute Kooperation mit anderen Kreistags- und Stadtfraktionen auf- bzw. ausbauen (Erfahrungsaustausche, Netzwerke, Musteranträge).
7. Enge Abstimmung mit unserer Landtags- und Bundestagsfraktion, aber auch mit der der LAG und der BAG Kommunalpolitik bei übergreifenden kommunalpolitischen Problemen voranbringen (Kommunaldatenbank, bei wichtigen Themen konzertierte Anträge im Bund bzw. im Land und kommunal).
8. Weiterbildungsangebote besser nutzen (KFS, aber auch Kommunalpolitische Vereinigung, Friedrich-Ebert-Stiftung, AKP).
9. Kollegialen Zusammenhalt und vertiefte Arbeitsteilung in der Fraktion entwickeln! Dabei ist persönliche Profilierung ausdrücklich erwünscht!
10. = FAZIT: Wir gewinnen nur, wenn wir uns als schlagkräftiges Kollektiv (Team) aufstellen, statt als 13 Einzelkämpfer in der Bedeutungslosigkeit zu versinken!
DANKE für die Aufmerksamkeit!