Akute Finanznot: Nordsachsen muss sich 165 Millionen Euro leihen
Der Landkreis beklagt eine dramatische Kassenlage: Ihm fehlt inzwischen selbst für gesetzliche Pflichtausgaben das Geld und er muss sich in immer teurere Darlehen retten. Auch der Kreis Görlitz steht extrem unter Druck.
Die Finanzkrise der sächsischen Städte und Landkreise hat eine neue Dimension erreicht: Am Mittwochabend beschloss der Kreistag von Nordsachsen, nächstes Jahr bis zu 165 Millionen Euro an Krediten aufzunehmen, um künftig noch die Ausgaben des Landkreises bestreiten zu können. Es ist das erste Mal, dass bei einer solchen Kreditermächtigung die 100-Millionen-Euro-Marke überschritten wird.
Der Kreis Nordsachsen steckt bereits seit 2021 in akuten Schwierigkeiten. In den kommenden zwei Jahren wird es nun keinen ordnungsgemäßen Haushalt geben. Für 2026 steht sogar eine noch höhere Verschuldung im Raum. Landrat Kai Emanuel macht für das wachsende Kassendefizit vor allem die stete Übertragung von Aufgaben durch den Bund und den Freistaat verantwortlich, für die es im Gegenzug jedoch viel zu geringe Zuschüsse gibt. „Uns bleibt keine andere Wahl. Die Pflichtausgaben steigen immer weiter, und alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten sind ausgereizt. Es gibt nur eine Lösung: Wer bestellt, muss auch bezahlen.“
Gutachten: Auch bei striktem Sparkurs noch Millionendefizite
Aus dem gleichen Grund geraten auch die anderen neun sächsischen Landkreise immer stärker unter Druck – dabei besonders der Landkreis Görlitz. Ein Gutachten bestätigt jetzt, dass der Kreis selbst dann mit einem jährlichen Haushaltsminus von 60 Millionen Euro rechnen muss, wenn er nahezu alle Ausgaben für freiwillige Leistungen streichen würde. Ohne eine solche radikale Kürzung wird für das Jahr 2028 ebenfalls ein Haushaltsdefizit von mehr als 100 Millionen Euro prognostiziert. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) sieht die vorgelegten Konsolidierungsvorschläge aber kritisch und warnt, diese würden voraussichtlich auch nicht vom Kreistag mitgetragen. „Eine vollständige Umsetzung des Gutachtens bedeutet einen Kahlschlag von wichtigen Aufgaben in unserem Landkreis im Bereich Kultur, Sportförderung, Kinder und Jugend und ÖPNV.“ Meyer drängt vielmehr darauf, dass den Kommunen die enormen Mehrausgaben vor allem für die Leistungsgesetze des Bundes und die damit verbundenen teureren Standards des Freistaates endlich adäquat ausgeglichen werden. „Passiert das nicht, ist die gesamtstaatliche Leistungsfähigkeit gefährdet.“
Freistaat soll helfen – AfD beantragt Enquete-Kommission
Der Sächsische Landkreistag fordert von der Staatsregierung inzwischen mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich und 300 Millionen Euro für die kreisfreien Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz. Bei einem Krisentreffen vor wenigen Tagen räumte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zwar einen zusätzlichen Finanzbedarf der Kommunen ein. Unklar ist aber, ob der Freistaat die höheren Zuschüsse angesichts eines eigenen Vier-Milliarden-Euro-Defzits im neuen Doppelhaushalt 2025/2026 überhaupt leisten kann.
Die AfD hat deshalb nun im Landtag eine Enquete-Kommission beantragt. Sie soll nach Lösungen zur Behebung der kommunalen Notlage suchen, heißt es. Die Linksfraktion forderte Sachsens Finanzminister auf, umgehend eine Verordnung über eine vorläufige Haushaltsführung zu erlassen. Darin müsse auch geregelt werden, dass die Städte und Landkreise 2025 genügend Geld zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhalten und weitere Kürzungen ausbleiben.