„Der Preis für die Unvernunft einiger weniger Menschen“

LVZ, Delitzsch-Eilenburg

Politiker in Nordsachsen reagieren auf verschärfte Corona-Bestimmungen

 

Nordsachsen. Die Politiker in Nordsachsen haben unterschiedlich auf die verschärften Corona-Maßnahmen reagiert, die seit gestern in Kraft sind. Während der nordsächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt die Bestimmungen verteidigte, kritisierten die Linken das Zustandekommen der neuen Maßnahmen an den Parlamenten vorbei. Die AfD erklärte, die Verordnungen stünden „in keinem vernünftigen Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr“.

Wendt: Verschärfung leider nicht zu vermeiden

Der CDU-Politiker Wendt bedauerte, dass diese neuen Maßnahmen notwendig geworden sind: „Aufgrund der sehr hohen Zahlen auch in Nordsachsen ist eine Verschärfung der Maßnahmen leider nicht zu vermeiden. Wir alle müssen jetzt den Preis für die Unvernunft und den Egoismus einiger weniger Menschen bei uns in Nordsachsen und Deutschland bezahlen. Wichtig ist jetzt, dass wir vorausschauend handeln, damit das Gesundheitssystem nicht in 20 oder 30 Tagen kollabiert; dann wären noch drastischere Maßnahmen nötig.“

Wendt unterstreicht, dass die Maßnahmen notwendig seien, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Deutschland müsse nun sehr vorsichtig sein, um nicht in dieselbe Notsituation zu kommen wie etwa Frankreich und Belgien. Die Corona-Fälle in Nordsachsen waren zuletzt stark gestiegen. Die zur Orientierung wichtige Sieben-Tage-Inzidenz hatte zuletzt den kritischen Wert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche um mehr als das Doppelte überschritten. Wendt: „Als Hotspot gilt, gerade in unserem Landkreis, die Region Oschatz. Auch der Altkreis Torgau verzeichnet nicht zu unterschätzende Zahlen. Daher appelliere ich an alle Bürgerinnen und Bürger, mit Besonnenheit und dem notwendigen Maß an Ruhe die neuen Vorschriften zu befolgen, damit wir alle gemeinsam und gesund das Weihnachtsfest mit unseren Familien und Freunden begehen können.“

Friedrich: Entscheidung an Parlamenten vorbei

„Es mag ja sein, dass angesichts exponentiell steigender Corona-Zahlen und der Überlastung der Gesundheitsämter ein sogenannter ,Wellenbrecher-Shut-Down’ aus der Sicht einiger Virologen tatsächlich das Mittel der Wahl ist. Nicht toleriert werden kann jedoch, dass die Bund-Länder-Konferenz nun schon zum wiederholten Male quasi als große Ersatzregierung all diese einschneidenden Entscheidungen an den Parlamenten vorbei trifft“, erklärte dagegen Michael Friedrich, Fraktionschef der Linken im nordsächsischen Kreistag. „Die Zusammenkünfte zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten sind zwar nicht verboten, jedoch sind sie auch nirgendwo demokratisch legitimiert. Sie entziehen sich weitgehend jeglicher parlamentarischer Kontrolle. Eine nachträgliche Diskussion bei ,Anne Will’ oder ähnlichen Formaten, nachdem alle Messen bereits gelesen sind, kann diesen Mangel nicht heilen.“

Die Situation sei heute anders als im März, „wo man über das Virus tatsächlich wenig wusste und schnelles Handeln auch auf die Gefahr hin, dass manches völlig überzogen war (zum Beispiel Kita- und Schulschließungen), sich als notwendig erwies. Jetzt müssen der Bundestag und die Landesparlamente wieder die vollständige Kontrolle übernehmen und über das Für und Wider angemessener Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung diskutieren und letztendlich entscheiden. Anstatt über harte Strafen zur Durchsetzung der Maßnahmen zu sprechen und gar die grundgesetzlich garantierte Unverletzbarkeit der Wohnung in Erwägung zu ziehen, müssen Bundes- und Landesregierung die Bevölkerung von der zwingenden Erforderlichkeit, der nachgewiesenen Nützlichkeit, von der überprüften Angemessenheit und somit von der juristisch sattelfest nachprüfbaren Verhältnismäßigkeit der Eingriffe überzeugen.“ Geschehe dies wie gegenwärtig nicht oder nur unzureichend, stehe zu befürchten, „dass der schon jetzt zu beobachtende Akzeptanzverlust in der Bevölkerung fortschreitet und Verschwörungstheorien weiter aufblühen mit der fatalen Folge, dass die zweite Corona-Welle kaum mehr zu brechen sein wird“.

Petzold: Gesamtes Volk in Kollektivhaft

Ungewohnte Zustimmung für die Linken kommt von der AfD: „Die fehlende Einbindung der Parlamente beim Thema Corona ist skandalös“, erklärte auch die nordsächsische Landtagsabgeordnete Gudrun Petzold. „Die AfD-Fraktion im Landtag sieht unsere Demokratie und unsere Grundrechte in ernsthafter Gefahr und wird deshalb eine Normenkontrollklage gegen die Maßnahmen einreichen!“

Als „unangemessen“ bezeichnete Petzold Wendts Äußerungen, die Verschärfungen seien der Preis für das Verhalten einiger weniger Menschen. „Ich glaube kaum, dass ein Virus individuell unterscheidet. Oder war Wendts Parteikollege und Gesundheitsminister Jens Spahn ‚unvernünftig‘ und ‚egoistisch‘, da er sich mit Corona infiziert hat? Die neuen Verordnungen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr der Corona-Erkrankung. Eine auf der WHO-Seite veröffentlichte Metastudie von John Ioannidis kommt zu dem Schluss, dass nur wenig mehr Menschen an Corona sterben als an der alljährlichen Grippe.“ Auch in Nordsachsen müssten nun „Gaststätten und Hotels erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen, viele Selbstständige stehen am Rande des Ruins. Schutzverordnungen sollten mit Vernunft und Augenmaß vor allem im Interesse der betroffenen Corona-Risikogruppen verhängt werden, ohne dass das gesamte Volk in Kollektivhaft genommen wird.“