Die Einwohnerzahl in Nordsachsen sinkt – was passiert in den Orten?
Im Freistaat leben immer weniger Menschen – und auch vor dem Landkreis Nordsachsen macht die Entwicklung nicht Halt. Manche Orte werden aber bis 2040 dennoch Menschen dazugewinnen. Ein Blick in die Region und ihre Kommunen.
Nordsachsen. Der Großraum Leipzig boomt. Insbesondere der Speckgürtel und die Randkommunen verzeichnen immer mehr Zuzug und sollen Prognosen zufolge weiter wachsen. Geht der Blick weiter weg von der Großstadt, zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Was konkret bedeutet das für die Zukunft, wie entwickelt sich die Region in den nächsten Jahren?
Bis 2040 wird Nordsachsen bis zu fünf Prozent seiner Bevölkerung verlieren. Das zeigt eine Auswertung des Statistischen Landesamtes, der Zahlen aus dem Jahr 2021 zugrunde liegen. Der Schrumpf-Trend gilt im ganzen Freistaat: In allen Kreisen, außer den kreisfreien Städten Leipzig und Dresden, nimmt die Bevölkerung ab. Während sich Regionen wie der Vogtlandkreis auf einen Verlust von mehr als zehn Prozent ihrer Einwohnerinnen und Einwohner einstellen müssen, reduziert sich die Bevölkerung rund um Leipzig weitaus weniger dramatisch. 2022 lebten über 199 000 Personen in Nordsachsen. Dagegen werden es 2040 je nach Berechnungsgrundlage zwischen 186 000 und 194 000 sein.
Das kann für die einzelnen Kommunen herausfordernd werden. So hätten Unternehmen weniger Anreize, sich in Städten mit schrumpfender Zahl von Arbeitskräften anzusiedeln, erklärt Melanie Krause, Professorin für nachhaltige Immobilien und Stadtentwicklung an der Universität Leipzig. „Gegebenenfalls werden Unternehmen abwandern und Geschäfte bei sinkender Kundenzahl schließen müssen. Das senkt die Attraktivität der Orte weiter und führt gleichzeitig zu zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen.“
Die Kommune müsse dann womöglich sparen, Schulen und Kindergärten sind eher von Fusionen und Schließungen bedroht. Auch bedeuten weniger Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, dass Linien gestrichen oder Taktungen verschlechtert werden. „Da all dies unter Umständen die Lebensqualität am Ort verringern und Abwanderung befeuern kann, ist es wichtig, nicht in eine Abwärtsspirale zu geraten“, führt die Ökonomin aus.
Doch nicht überall in Nordsachsen geht die Einwohnerzahl zurück. So profitieren Orte wie Krostitz, welches an die Hauptverkehrsachse B2 angebunden ist, von der Nähe zu Leipzig und wachsen. Auch die Autobahnanbindung, beispielsweise in Taucha, sorgt für einen Zuwachs an Bevölkerung. Schkeuditz bleibt mit seinem Wirtschaftsstandort sowie dem Anschluss an Autobahn und S-Bahn-Netz ebenso eine wachsende Kommune.
Auch diese Gemeinden und Städte werden sich anpassen müssen. Das fängt beim Schaffen von bezahlbarem Wohnraum an. Meist wachse das Angebot nicht so schnell wie die Bevölkerung und koste als knappes Gut mehr, erläutert Krause. „Gleichzeitig wird auch Druck auf die öffentliche Daseinsvorsorge ausgeübt: Die Zahl der Plätze in Kindergärten und Schulen sowie im lokalen Gesundheitssystem muss mit der wachsenden Bevölkerung Schritt halten.“
Darauf, dass die Nordsachsen 2040 älter sein werden, müssen Kommunen ebenfalls vorbereitet sein: Schon jetzt ist der größte Bevölkerungsteil mit 27 000 die Gruppe der 65- bis 75-Jährigen. Mehr als 25 000 Menschen sind derzeit 75 und älter. Die Lebensdauer verlängert sich – mehr Personen werden zukünftig über 90 Jahre alt. Der Altenquotient, der Menschen im Rentenalter abbildet, steigt bis 2040 von 48 Prozent auf etwa 60 Prozent.
■ Torgau und Oschatz gehören zu den Städten, die Einwohner verlieren werden.13.884 Menschen lebten 2021 in der sächsischen Kleinstadt Oschatz. Doch die Prognose ist trotz Zuwanderung sinkend. In seiner achten regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung für den Freistaat Sachsen von 2022 bis 2040 für die Stadt Oschatz hat das Statistische Landesamt bis 2040 einen Bevölkerungsrückgang prognostiziert; die Zahl könnte zwischen 11 630 und 12 070 Einwohnern liegen. Demnach wird die Bevölkerung voraussichtlich um circa 13 Prozent sinken. Damit würde Oschatz circa 2000 Einwohner bis 2040 verlieren.
Auch in Torgau wird bis 2040 ein Bevölkerungsrückgang zwischen 4 Prozent (im günstigsten Fall) und 9 Prozent (im schlimmsten Fall) erwartet. Während im Jahr 2012 noch 20.200 Menschen in Torgau wohnten, waren es 2021 nur noch rund 19.600 Bewohner. Diesen Bevölkerungsrückgang zeigt der Wegweiser Kommune. Bis 2040 wird es nur noch zwischen 17 800 und 18 800 Einwohner geben. Diese Zahlen stammen aus dem Statistischen Landesamt.
■ Delitzsch indes kann seine Einwohnerzahl nahezu halten. Aus 24 861 (Stand 2021) Personen werden den Berechnungen zufolge 24 540. Durch seine Nähe zu Leipzig hat Delitzsch einen stabilen Stand: Die meisten Pendler fahren nach Leipzig beziehungsweise kommen aus der Messestadt für die Arbeit nach Delitzsch. Dafür ist die Nähe zur Autobahn A14 bedeutend. Daneben profitiert die Stadt von ihrer S-Bahn- und Regionalzug-Anbindung. Als Wirtschaftsstandort, an dem mittelständische Unternehmen wie Ursa oder die Schokoladenfabrik angesiedelt sind, kann Delitzsch seine Bedeutung mit der Ansiedlung des Großforschungszentrums CTC (Center for the Transformation of Chemistry) weiter ausbauen. Mit Kreiskrankenhaus, diversen Schulen und Freizeitangeboten wie dem Tiergarten ist es für verschiedene Bevölkerungsgruppen lebenswert. Der Bodenrichtwert für Grundstückspreise liegt laut Portal „Bodenrichtwerte Deutschland“ hier im Schnitt bei 93 Euro pro Quadratmeter und ist damit höher als in den Nachbargemeinden Löbnitz, Schönwölkau, Krostitz, Rackwitz und Bad Düben.
■ Eilenburg ist mit einem Bodenrichtwert von 65 Euro ein günstigeres Pflaster. Hier wird die Bevölkerung um knapp ein Prozent wachsen. Aus 15 721 werden 15 870 Menschen. Die zuletzt erschlossenen Grundstücke fanden schnell Interessenten, weitere Eigenheimplätze sind in Planung. Auch die Muldestadt ist mit der S-Bahn an Leipzig angebunden, was sie für Pendlerinnen und Pendler attraktiv macht. Die meisten verlassen die Stadt täglich zur Arbeit in Richtung Leipzig. Ob Naherholung an der Kiesgrube oder im Tierpark, ein Besuch in der Sternwarte: Eilenburg bietet vielen Altersgruppen Mehrwert.
■ Bad Düben wird sieben Prozent seiner Bevölkerung verlieren. Von etwa 7800 Personen werden 2040 nur noch 7270 Menschen hier wohnen. Punkten hinsichtlich Lebensqualität kann die Kurstadt besonders hinsichtlich Gesundheitsversorgung: Neben Kurpark sind diverse Fach- und Spezialkliniken angesiedelt. Die Nähe zur Dübener Heide und das Heide Spa versprechen Erholung. Bad Düben plant mehrere Baugrundstücke. Für Menschen, die über den Kauf eines Grundstücks nachdenken, ist der Bodenrichtwert von 64 Euro attraktiv – jedoch fehlt der Stadt die S-Bahn-Anbindung. Junge Familien, die von der Nähe zu Leipzig profitieren wollen, sind also auf das Auto angewiesen.
■ Arzberg wird einer der großen Verlierer in Sachsen sein. Der Bevölkerungsprognose zufolge könnte die Gemeinde in Ostelbien bis ins Jahr 2040 16 Prozent Einwohner weniger besitzen. Entgegen allen Vorhersagen war der Bevölkerungsrückgang im Jahr 2022 erstmals gestoppt. 75 ausländische Bürger, die in hiesigen Agrarunternehmen ihr Geld verdienen, wurden mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde registriert. Bürgermeister Holger Reinboth sagte vor einem Jahr: „16 Prozent Einwohnerrückgang für Arzberg bis 2040 halten wir für nicht realistisch, weil die Statistiker das vorhergehende Jahr 2021 zur Berechnungsgrundlage nahmen, als die Bevölkerungszahl noch rückläufig war“, so Reinboth.