Die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft häufen sich. Die Leiterin der Arbeitsagentur Oschatz erklärt im Interview, was das für die Region bedeutet.
Nordsachsen. Die negativen Wirtschaftsnachrichten nehmen zu – auch im Landkreis Nordsachsen. Im Interview erläutert die Leiterin der Arbeitsagentur Oschatz, die für die Region zuständig ist, welche Auswirkungen dies auf den Landkreis hat.
Die Wirtschaft in Deutschland wird auch 2025 nicht anspringen. Was bedeutet das für den Arbeitsagentur-Bezirk Oschatz?
Die Konjunkturaussichten sind auf den ersten Blick in der Tat nicht gut. Wir gehen davon aus, dass Unternehmen weiter bestrebt sind, ihr Personal zu halten. Die Arbeitslosigkeit wird trotzdem steigen, allerdings moderat. Dazu beitragen dürfte auch die kürzlich verlängerte Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld.
In Oschatz selbst häufen sich die schlechten Wirtschaftsnachrichten: Der Elektrobau stellt im Februar seine Produktion ein, der Getränkegroßhändler Splendid Drinks hat seinen Standort für Leergutmanagement geschlossen und das Betonwerk klagt über Auftragsmangel. Wie steht Oschatz im Vergleich mit den anderen Geschäftsstellen da?
Ende Oktober durften wir Professor Dr. Ragnitz vom ifo-Institut (ifo: Institut für Wirtschaftsforschung, Anm. d. Red.) als Gastredner bei einer Netzwerkveranstaltung in Oschatz begrüßen. Thema war die Entwicklung einer Region mit und zwischen zwei Metropolen. Im Kern machte er deutlich, wirtschaftliche Entwicklungen vernetzter zu betrachten. Beim Vergleich Oschatz und Nordsachsen wird das deutlich. Der Landkreis hatte zuletzt insgesamt steigende bis stabile Beschäftigtenzahlen, Oschatz und Torgau für sich betrachtet eher rückläufige Entwicklungen. Oschatz kann also nicht für sich allein profitieren, sondern braucht seine Nachbarn – und umgekehrt auch.
Welche Branchen trifft die Rezession besonders hart, wo gehen Stellen verloren?
Wir verzeichnen branchenübergreifend einen Rückgang der gemeldeten freien Stellen. Der Bestand in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen, also unserem Arbeitsagenturbezirk, ist von etwa 4000 freien Stellen 2020/2021 auf nunmehr etwa 3000 zurückgegangen. Arbeitsplätze waren beispielsweise im verarbeitenden Gewerbe, im Handel und im Baubereich rückläufig.
Im Dienstleistungssektor, in der Logistik und im sozialen Bereich gab es hingegen Zuwächse. Man darf nicht vergessen: Die Demografie ist neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein entscheidender Faktor. Ein Viertel aller Beschäftigten der Region ist 55 Jahre und älter. Abgesehen von der Anzahl der Mitarbeitenden, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, droht ein erheblicher Verlust an Know-how.
Wie kann die Arbeitsagentur Oschatz den Anstieg der Erwerbslosigkeit abmildern?
Dort, wo es erforderlich ist, können wir mit Kurzarbeitergeld unterstützen. Das Instrument hatte sich bereits in der Finanzkrise 2009/2010 sowie während der Corona-Pandemie bewährt. Daneben setzen wir auf Qualifizierung, beispielsweise auch während der Beschäftigung. Und nicht zuletzt wird von Unternehmen weiter Personal gesucht – wir vermitteln und wir fördern.
Welche Personen- und Berufsgruppen sind besonders von Arbeitslosigkeit bedroht?
Weniger gut qualifizierte Beschäftigte tragen in der Regel ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden.
Fallen dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Agenturbezirk Oschatz Arbeitsplätze zum Opfer?
Ich würde das eher unter die Oberbegriffe Digitalisierung und Automatisierung stellen. Nach Einschätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist Digitalisierung kein Jobkiller. Sie trägt beispielsweise insgesamt dazu bei, die demografische Komponente abzufedern. Nicht zu vergessen: Digitalisierung macht Unternehmen wettbewerbsfähiger und sichert damit Arbeitsplätze. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich Tätigkeitsfelder und Anforderungen rasanter entwickeln, sich also der berufliche Wandel beschleunigt.
Wie entwickelt sich die Beschäftigung bei Ausländern?
In den beiden Landkreisen Leipzig und Nordsachsen gibt es gegenwärtig rund 157.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Etwa acht Prozent, nämlich reichlich 12.000 Arbeitsplätze davon, entfallen auf ausländische Beschäftigte unterschiedlicher Nationalitäten. Der Zuwachs ausländischer Arbeitnehmer lag zuletzt bei plus 1600 Personen beziehungsweise 15,5 Prozent innerhalb eines Jahres.
Für 2025 gibt es noch keinen beschlossenen Bundeshaushalt. Hat die Arbeitsagentur Oschatz überhaupt Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen?
Die Bundesagentur für Arbeit hat einen eigenen Haushalt. Für Oschatz planen wir Maßnahmen auf dem Niveau von 2024.
Quellenangabe: Torgauer Zeitung vom 17.01.2025, Seite 13