Düstere Zeiten in Nordsachsen: Kreis kann Millionenloch nicht mehr schließen

Torgauer Zeitung

Bitterer Offenbarungseid: Landrat Kai Emanuel sieht keine weiteren Einsparpotenziale, um riesige Lücke im Kreishaushalt zu schließen. Trotzdem sollen freiwillige Leistungen aufrechterhalten werden.

Noch entwaffnender konnten die Beschreibungen rund um den nordsächsischen Haushalt für die Jahre 2025 und 2026 nicht sein. Zunächst von Landrat Kai Emanuel (parteilos) im Kreistag am Mittwoch noch als „nicht vergnügungssteuerpflichtig“ beschrieben, folgten auf dem Fuß auch schon derbere Zuweisungen. „Sinkflug in der Kassenlage“, „Wir haben in den vergangenen Jahren im Landkreis über unsere Verhältnisse gelebt“, „Da krampft das Herz“ und auch „Da fällt mir nichts mehr ein“ grenzten nicht nur nach Meinung von Tauchas Bürgermeister Tobias Meier (FDP) an eine Bankrotterklärung. „Nordsachsen geht es nicht gut. Die finanzielle Schieflage nimmt dramatische Züge an“, diagnostizierte Meier nach der Präsentation tiefroter Zahlen.

Auf einen seit Jahren schon gebeutelten Haushalt warten demnach zwei noch weitaus schwierigere Jahre. Selbst jeder noch so erfinderische Verwaltungskniff kann die Lücken offensichtlich nicht mehr schließen. Infolge des Wegfalls haushaltsrechtlicher Erleichterungen, die der Landkreis seit 2021 in Anspruch nehmen konnte, gelingt es der Kreisverwaltung ab 2025 zum ersten Mal nicht mehr, vor dem Hintergrund der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Haushalt genehmigungsfähig aufzustellen. Das Defizit beträgt 47,7 Millionen Euro für 2025. Im darauffolgenden Jahr wächst es sogar auf 52,2 Millionen Euro an. Zum Vergleich: Der Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2024 umfasst ein Gesamtvolumen von etwas mehr als 470 Millionen Euro.

Kreisverwaltung in Nordsachsen friert Stellenplan ein

Schulterzucken bei Landrat Emanuel, denn selbst ein weiteres Haushaltskonsolidierungskonzept – drei habe er bereits hinter sich – könne seiner Einschätzung nach nicht mehr weiterhelfen. Der aktuelle Stellenplan der Kreisverwaltung ist eingefroren, was bedeutet, dass keine zusätzlichen Stellen geschaffen werden. Wegen einer Vielzahl an Pflichtaufgaben seien Spielräume tendenziell gering. Zudem seien bereits Effekte mit Konsolidierungswirkung in allen Bereichen des Haushalts berücksichtigt worden.

Zwingt die schlechte Finanzsituation den Landkreis also zum finanziellen Kahlschlag, was sich vor allem auf freiwillige Leistungen in den Bereichen Kultur, Sport oder auch Bildung auswirken würde? „Nein“, sagt Emanuel, der sich bei den Mitgliedern des Kreistags am Mittwoch trotz drohender haushaltsloser Zeit absicherte. Demnach sind beispielsweise für 2025 freiwillige Aufgaben und Leistungen im Umfang von 4,5 Millionen Euro berücksichtigt. Dabei werden über Jahre getragene Strukturen, insbesondere bei der Unterstützung des Ehrenamts fortgeschrieben.

Landrat Emanuel: Entwicklung kommt nicht überraschend

Das Finanzloch, das in Nordsachsen unter anderem wegen steigender Wohngeldkosten, der Aufwendungen in der Jugendhilfe und beispielsweise auch der Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern immer größere Ausmaße annimmt, kommt nach Angaben des Landrats nicht überraschend. Seit 2021 zeichne sich jene Entwicklung ab. Als Grund nannte Emanuel Aufgaben, die der Landkreis vor allem vom Land übergestülpt bekomme, ohne dafür ausreichend finanziell ausgestattet zu werden. Erst wenn dies der Fall wäre, mache die Begrifflichkeit der kommunalen Selbstverwaltung Sinn. Eine Sichtweise, die von Linke-Fraktionschef Michael Friedrich geteilt wird. „99 von 100 Euro haben mit echter Selbstverwaltung nichts zu tun“, betonte dieser.

„Die schwierige Situation bringt uns an der Rand unserer Handlungsfähigkeit“, erklärte Tobias Meier. Die schlechte Finanzsituation sei in jedem einzelnen Gemeinde- sowie Stadtrat spürbar. Der Bund und das Land hätten die Kommunen über Jahre hinweg konsequent ausgehungert. Die Verwaltungen seien bei den Themen Asyl, Infrastruktur und Schulen am Limit. Meier warnte davor, die Leistungsfähigkeit der Kommunen weiter aufs Spiel zu setzen.

„Wenn’s nicht mehr geht, geht es eben nicht mehr“, kommentierte CDU-Fraktionschef Rayk Bergner. Man könne nicht mehr den Weg eines ausgeglichenen Haushalts beschreiten. Auch Bergner versprach, dass es keinen Kahlschlag bei freiwilligen Aufgaben im Landkreis geben werde. Gleichwohl gab der Schkeuditzer Oberbürgermeister an, schon ganz gespannt darauf zu sein, wie beispielsweise die Landesdirektion mit jener Situation umgehen werde. Ganz so gespannt scheint Heiko Wittig (SPD) indes nicht zu sein. „Ich glaube, dass die Signale in Dresden und Berlin angekommen sind“, sagte der SPD/B 90/Grüne-Fraktionschef.

„Die Schuld für die finanzielle Schieflage ist nicht beim Landrat und seiner Verwaltung zu suchen, sondern bei den Verantwortlichen von Bund und Ländern, die durch ausufernde Pflichtaufgaben und damit verbundenen Sozialausgaben den Landkreis immer höher belasten. Die Position der AfD ist klar gegen ein Weiter so und das Hinnehmen dieser Zustände“, hieß es von Fraktions-Vize Felix Jüngling.