Ehrgeiziges Ziel in Delitzsch: Kann Forschungszentrum schon 2024 starten?
Der Gründer des CTC Peter Seeberger erklärt, warum jetzt zügig gehandelt werden muss und was für den Betriebsbeginn in Delitzsch bereits im kommenden Jahr notwendig ist.
Delitzsch. „Wir haben nicht drei Jahre Zeit“, sagte Peter Seeberger Ende März während des Revierstammtisches in Delitzsch. Der Aufbau des Center for the Transformation of Chemistry (CTC) muss laut seinem Gründer schneller gehen. Der institutionelle Start des Großforschungszentrums – also die reine Forschungsarbeit – soll bereits zum Ende des Jahres 2024 erfolgen. Bisher war 2026 Ziel. „Die Lage der Chemieindustrie lässt keinen Aufschub zu“, erklärte Seeberger. Doch ist das realistisch und was ist nötig, damit das klappt?
„Die chemische Industrie steht vor großen Herausforderungen“, sagt Peter Seeberger gut einen Monat nach dem Revierstammtisch auf LVZ- Nachfrage zur Dringlichkeit des Starts. Zum einen sei die Chemieindustrie aktuell noch stark abhängig von fossilen Energieträgern, deren Nutzung teuer und umweltschädlich ist.
Künstliche Intelligenz soll Aufwand reduzieren
„Maßnahmen zum Umweltschutz werden in Europa und Deutschland – richtigerweise – weiter verschärft, sodass der Anpassungsdruck steigt“, sagt Seeberger, der ebenfalls Direktor der Abteilung Biomolekulare Systeme am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam ist. Unternehmen verlagern ihre Produktion laut Seeberger an Standorte in Asien, wo die Umweltauflagen geringer sind. Andere blieben am Standort in der Bundesrepublik und entwickeln hier neue innovative Verfahren, um beispielsweise eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren. „Diesen Unternehmen wird das CTC künftig helfen“, sagt Seeberger.
Zum anderen sei die Chemie, so sagt es Seeberger, äußerst komplex und über Jahrzehnte entstanden. Es bestehe ein umfassendes Beziehungsgeflecht von Vor- und Zwischenprodukten, aber auch zwischen Unternehmen auf verschiedenen Stufen. Änderungen im chemischen System bräuchten aufgrund einer erheblichen und teuren Infrastruktur Zeit. Das CTC soll dazu neue Wege zur Nutzung von künstlicher Intelligenz finden, um den Aufwand zu reduzieren.
Grundstücke sollen für die Erschließung gekauft werden
Das CTC hat nichts Geringeres zur Aufgabe, als die Chemie zu revolutionieren. Dazu benötigt es vertrauensvolle Partner aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Gesellschaft und der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, sagt Seeberger. „Als Einzelkämpfer hat das CTC selbst mit einem tollen und hochmotivierten Mitarbeiterteam kaum eine Chance.“ Und bis 2024 muss es selbst noch einige Hausaufgaben erledigen: Dazu zählen der Aufbau einer schlagkräftigen Verwaltungsstruktur, der Vorschlag für eine passende Rechtsform, die Organisations- und Personalstruktur, die Entwicklung eines umsetzungsreifen Forschungsprogramms und Transferkonzepts und der Start erster Pilotprojekte. Auf politischer Ebene hat der Landkreis Nordsachsen jetzt mit der Umsetzung begonnen: Der Kreistag hat in seiner April-Sitzung die Gründung eines kommunalen Zweckverbandes beschlossen, der Flächen zur Erschließung des Großforschungszentrums kaufen soll. Mitglieder werden der Landkreis und die Stadt Delitzsch, die einen ebensolchen Beschluss in der Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag fassen will. Perspektivisch soll der Verband auch die Ansiedlung von weiteren Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben rund um das CTC fördern. Auch Nordsachsens Landrat Kai Emanuel (parteilos) drängt auf die Verbandsgründung. Der Verband müsse schnell arbeitsfähig werden, damit im September der Grundstückskauf erfolgen könne.
Inzwischen haben die ersten vier CTC-Mitarbeiter ihre Arbeit in Delitzsch aufgenommen. Die Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt werden von Delitzsch aus verwaltet. Übergangsweise haben die Mitarbeiter zunächst im Landratsamt an der Richard-Wagner-Straße ihre Büros bezogen.
Auf einen Termin, wann die tatsächliche Forschungsarbeit beginnt, will sich aber auch Seeberger bei allem Zeitdruck nicht festlegen. Es brauche bis 2024 Zeit, um das Forschungsprogramm zu konkretisieren. „Daraus leiten sich dann die konkreten Forschungsinfrastrukturen und erforderlichen wissenschaftlichen Expertisen ab. Wir planen, unsere Überlegungen mit internationalen Experten zu diskutieren und weiter zu verbessern.“ Dazu komme die Abstimmung mit allen übrigen Partnern.
30 Forscher arbeiten aktuell an einem Konzept für das CTC
Am Forschungsprogramm des CTC arbeiten zudem bereits erste Wissenschaftler. „Wir rechnen damit, dass Ende 2023 bis zu 30 Personen in die konzeptionellen Arbeiten eingebunden sind“, erklärt Gründer Seeberger. Insgesamt gelte dabei: „Eine richtige und langfristig belastbare Entscheidung über die Ausgestaltung und konkrete Ansiedlung der Forschungsstrukturen in Sachsen und Sachsen-Anhalt zu treffen, geht vor einer schnellen, aber gegebenenfalls falschen Entscheidung“, so Seeberger.
Die schwierige Lage der Chemie sei durch die Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine nochmals verschärft worden, betont Seeberger. „Energiepreise stiegen über Nacht, wichtige Ressourcen waren kaum noch zu erhalten. Das System ist noch in der Phase des Einpendelns, aber niemand weiß, wie die Märkte sich weiterentwickeln.“ In dieser Phase der Unsicherheit unternehmerische Entscheidungen für die kommenden Jahre oder Jahrzehnte zu treffen, ist sehr schwierig. „Das CTC kann ein klares Zeichen und Statement setzen: Chemie und chemische Industrie haben in Deutschland und Europa eine Zukunft!“, sagt Seeberger.
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