„Eine Erhöhung der Kreisumlage wäre kein gutes Signal“

Torgauer Zeitung

Der Landkreis Nordsachsen ist hoch verschuldet. Aktuell wird der Doppelhaushalt 2023/24 aufgestellt. Dezernent Jens Kabisch ist optimistisch, diesen genehmigungsfähig hinzubekommen.

Der Landkreis Nordsachsens befindet sich seit Jahren in einer schwierigen finanziellen Situation. Diese gilt für den laufenden Haushalt als instabil. Nunmehr wird der neue Doppelhaushalt für 2023/24 aufgestellt. Die Lage ist nicht besser geworden – im Gegenteil. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Etat.

▶ Wie weit sind die Planungen für den neuen Doppelhaushalt 2023/24?

Die laufen seit Beginn des Jahres. „Wir brauchen ein gutes Jahr Planungsvorlauf, ehe man tatsächlich sagen kann, man hat einen Doppelhaushalt in allen Facetten“, sagt Jens Kabisch, der zweite Beigeordnete des Landkreises Nordsachsen, zuständig für die Finanzen. Derzeit läuft der Feinschliff mit dem Ziel, dass der Haushalt vom Kreistag in der Dezembersitzung beschlossen wird. Kabisch sagt, dass der Freistaat „erhebliche haushaltsrechtliche Erleichterungen“ auf den Weg gebracht hat. Davon werde auch Nordsachsen profitieren.

 

▶ Welche Erleichterungensind das?

Unter haushaltsrechtlichen Erleichterungen versteht man salopp gesagt eine Aufweichung des geltenden Haushaltsrechtes. Beispiel: Im Finanzhaushalt sind Zahlungszu- und Zahlungsabströme aufgeführt. Dort gibt es laut Kabisch „ein nicht unerhebliches Defizit“. Und das kann der Landkreis künftig durch Kassenkredite, also geliehenes Geld, ausgleichen. Einzig dadurch wird der Landkreis in die Lage versetzt, am Ende einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen.

▶ Welches Finanzvolumen wird der neue Haushalt haben?

Das Haushaltsvolumen liegt bei knapp 400 Millionen Euro.

▶ Decken die Einnahmendie Ausgaben?

Nein, die Lücke ist über die Jahre größer geworden. Dadurch hat sich auch das Defizit erhöht. Schon der aktuell geltende Haushalt ist „defizitorientiert“, weil es bezüglich der Ausgaben keine adäquaten Einnahmen gibt. So entwickelten sich vor allem die Aufwendungen im Sozialbereich „sehr dynamisch“, sagt der zweite Beigeordnete.

▶ Was sind die größtenEinnahmen des Kreises?

Haupteinnahme ist die Kreisumlage, also jenes Geld, dass die Städte und Gemeinden an den Landkreis abführen. „Die sind erheblich gestiegen, weil die Kommunen gute Steuereinnahmen (Gewerbe-, Einkommens- und Umsatzsteuer) erzielten. „Wir gehen davon aus, dass das Niveau der Kreisumlage im neuen Doppelhaushalt auf einen bis zu dreistelligen Millionenbetrag anwächst“, sagt der Dezernent.

Der Kreis rechnet mit bis zu 100 Millionen Euro Kreisumlage pro Jahr. Die zweite große Einnahmequelle sind die Schlüsselzuweisungen. Darüber hinaus hat der Landkreis Einnahmen über Gebühren oder Erstattungen des Bundes für die Kosten von Unterkünften, zum Beispiel für Hartz-IV-Empfänger.

▶ Was sind die größten Posten bei den Ausgaben?

Das sind Ausgaben für Soziales. Zum Beispiel Elterngeld, Grundsicherung, Hilfen zur Pflege, Unterhaltsvorschuss und vieles mehr. Von 400 Millionen Euro Haushaltsvolumen entfallen etwa 60 Prozent auf die Sozialleistungen. „Die sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen“, sagt Kabisch, und zwar immer dann, wenn der Bund eine Leistung ausweitet oder eine neue einführt und sich die Kommunen daran beteiligen müssen, ohne dass der Mehraufwand ausgeglichen wird. Ein Umstand, den die Kreise bereits vielfach kritisierten.

So rechnet Nordsachsen mit einer Verdreifachung des Antragsvolumens beim Wohngeld im nächsten Jahr – Stichwort: Entlastungspaket des Bundes.

▶ Welche Investitionensind geplant?

Größter Punkt sind die Schulen, die sich in Trägerschaft des Landkreises befinden, zum Beispiel Gymnasien, Berufs- oder Förderschulen. „Es ist seit Jahren so üblich, dass wir das Geld, was wir investiv einsetzen können, zugunsten der Schulen einsetzen“, erklärt Jens Kabisch. Zweiter Punkt sind Investitionen in die Kreisstraßen. Drittens: der Rettungsdienst. Der ist zwar grundsätzlich kreditfinanziert, wird aber über die Krankenkassen refinanziert. Hier geht der Kreis erstmal in Vorleistung.

Und der vierte Punkt heißt „Sonstiges“, und dazu zählen unter anderem die Verwaltungsobjekte. „Hier schieben wir einen erheblichen Investitionsstau vor uns her.“ Maßnahmen am Hauptsitz der Kreisverwaltung – das ist Schloss Hartenfels in Torgau – werden maßgeblich über Fördermittel realisiert. Sie haben denkmalpflegerischen Charakter. Auch der Strukturwandel läuft unter „Sonstiges“ und belastet den Haushalt „nicht über Gebühr“, so Kabisch. Hier gibt es hohe Fördersätze des Bundes.

▶ Was muss passieren, damit der Haushalt rund wird?

Der Haushalt für 2023/24 ist laut Kabisch „unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht rund zu kriegen“. Nordsachsen ist mit 120 Millionen Euro hoch verschuldet. „Das ist kein Pappenstiel und kein dünnes Brett, was wir bohren mit Blick auf den Schuldenabbau“, ordnet Kabisch ein. „Wir sind diesbezüglich auf einem guten Weg, aber der ist lang.“ Zudem ist der Landkreis in seiner jetzigen Form seit 2008 im Kassenkredit, was eigentlich als kurzfristiges Finanzierungsinstrument ausgelegt ist.

▶ Was passiert, wenn der Haushalt nicht rund wird?

Hypothetisch: Ohne die Erleichterungsvorschriften gäbe es keinen Haushalt. Dann würde eine sogenannte haushaltslose Zeit eintreten. Neue Investitionen dürften nicht begonnen werden. Der Landkreis dürfte nur Kern- und Pflichtaufgaben ausführen. Sollte über einen längeren Zeitraum kein Haushalt zustandekommen, müsste konsolidiert werden. „Wir müssten dann Maßnahmen identifizieren, um das Defizit im Haushalt abzubauen. Und da stünde dann alles auf dem Prüfstand, vor allem alles Freiwillige“, so Kabisch. „Soweit wollen wir es aber nicht kommen lassen, zumal ich der festen Überzeugung bin, dass selbst diese Konsolidierungsmaßnahmen nicht zu einer nachhaltigen Gesundung unseres Haushaltes beitragen würden.“

▶ Gibt es Überlegungen, die Kreisumlage zu erhöhen?

Nein, „das ist nur eine Verlagerung des Finanzierungsproblems des Landkreises“, sagt Kabisch. Städte und Gemeinden schwimmen nicht im Geld. Um das Defizit des Kreises auszugleichen, müsste die Kreisumlage drastisch erhöht werden. „Ein Erhöhung der Kreisumlage wäre kein gutes Signal.“