Flughafen Leipzig/Halle: Darum geht’s beim Streit um den Ausbau

Torgauer Zeitung

Die geplante Erweiterung des Schkeuditzer Airports hat den Konflikt zwischen Betreibern und Anwohnern weiter verschärft. Die Kontroverse beschäftigt nun auch den Sächsischen Landtag.

Leipzig. Die Kritik am Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle wächst. Inzwischen hat der Streit auch den Sächsischen Landtag erreicht. Die LVZ erklärt, was geplant ist, welche Konsequenzen damit verbunden wären und welche Einsprüche es gibt.

■ Was ist beim Ausbau des Flughafens geplant? Es ist vorgesehen, das Vorfeld der Start- und Landebahn Süd um 66 Hektar zu erweitern. Die Zahl der Stellplätze für Frachtflieger soll von 60 auf knapp 100 wachsen. Die Nachtflüge zwischen 22 und 6 Uhr könnten von 20 000 im Jahr auf 28 000 steigen. Das 500-Millionen-Euro-Paket umfasst zudem Anbindungen an die Rollfelder, Logistik- und Bürogebäude im Nord- und Südteil sowie im Zentralbereich. Als Bauzeit werden etwa zwei Jahre veranschlagt.

■ Wer profitiert von der Erweiterung? Mit dem Ausbau sollen nicht nur DHL bessere Bedingungen geliefert werden: Laut Flughafen steuern mittlerweile mehr als 80 Fracht-Airlines Leipzig/Halle an. Amazon Air hat hier sein erstes Luftfrachtzentrum für Europa aufgebaut und will deutlich wachsen. Darüber hinaus sollen am Flughafen in Zukunft auch Flugzeuge gebaut werden. In einer neuen Montagehalle will die Deutsche Aircraft GmbH ab 2024 eine Kurzstreckenmaschine bauen. Aktuell arbeiten auf dem Flughafen und in dessen Umfeld etwa 11 000 Menschen, Hunderte neue Jobs sind im Gespräch.

■ Wie haben sich die Starts und Landungen entwickelt? Der Flughafen Leipzig/Halle ist das zweitgrößte Luftfrachtdrehkreuz Deutschlands und Nummer vier in Europa. Seit 2007 hat sich das Aufkommen auf fast 1,6 Millionen Tonnen mehr als verzehnfacht – Tendenz weiter steigend. Allein von 2020 zu 2021 wurde ein Plus von 15 Prozent verzeichnet. Im Passagierbereich – für den es im Gegensatz zur Fracht ein Nachtflugverbot gibt – wurden in Vor-Corona-Zeiten (2019) insgesamt 2,6 Millionen Menschen registriert, im vergangenen Jahr waren es noch 670 000.

■ Wo liegen die Grenzen? Im Prinzip hat der Flughafen Leipzig/Halle die Obergrenze, die ihm die Landespolitik vorgegeben hat, bereits erreicht. So setzt der geltende Landesentwicklungsplan für den Frachtverkehr „circa 1,75 Millionen Tonnen im Jahr“ an. Und weiter heißt es: „Darüber hinaus soll Luftfracht auf die Schiene verlagert (Air Cargo Express) und Leipzig/Halle mit anderen Flughäfen besser vernetzt werden.“ Der im Jahr 2019 beschlossene Landesverkehrsplan 2030 sieht nur eine maximale Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr vor.

■ Welche Einwände gibt es? Die Ausbaupläne haben den seit Jahren brodelnden Konflikt zwischen Nachtflug-Gegnern und Flughafen-Betreiber weiter angefacht. Viele Anwohner aus den 17 umliegenden Kommunen befürchten eine Steigerung des Fluglärms. Ab 22 Uhr bis in die Morgenstunden starten und landen hier Frachtmaschinen – durch den Ausbau könnte laut DHL in Spitzenzeiten alle vier bis fünf Minuten ein Flugzeug starten oder landen. Die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ hat Lärmspitzen von über 70 Dezibel gemessen, das entspricht etwa der Lautstärke eines Staubsaugers.

■ Was macht der Lärmschutz? Laut Flughafen sind bereits 140 Millionen Euro in Schallschutzmaßnahmen investiert worden. Außerdem hat das Unternehmen eine Klimaschutzstrategie beschlossen. Eine neue Gebührenordnung – mit höheren Entgelten – ist im Gespräch. Nichtsdestotrotz kommt der deutsche „Lärmschutz-Papst“ Prof. Thomas Münzel in einem Gutachten, das die sächsische Grünen-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben hatte, zu dem Schluss: Anhand der „aufgezeichneten Lärmereignisse lässt sich feststellen, dass diese aufgrund der beschriebenen lärmbedingten Krankheitsgefahr für die Anwohnerinnen und Anwohner nicht zumutbar sind“. Die Nachtflüge müssten unbedingt begrenzt werden, so der Mediziner. Und: Die Politik müsse „geeignete Maßnahmen zur Verringerung der Lärmbelastung“ ergreifen.

■ Wie ist der Stand des Genehmigungsverfahrens? Das Planfeststellungsverfahren läuft seit gut zwei Jahren in Hoheit der Landesdirektion Sachsen. In der ersten Runde, die im Sommer 2021 mit einer Verlängerung von zwei Monaten zu Ende gegangen war, gab es rund 4000 Einsprüche. Aktuell läuft seit 21. März – und bis zum 20. Mai – eine Online-Konsultation. Laut Landesdirektion sollen „alle bisher am Verfahren Beteiligten erneut Gelegenheit erhalten, ihre Standpunkte vorzutragen“. Aus Pandemiegründen sei die geplante Präsenzveranstaltung abgesagt worden. Danach folgen Auswertungen in der Landesdirektion sowie rechtliche Prüfungen. Bis zueiner endgültigen Entscheidung wird noch einige Zeit vergehen.

■ Wie sollen die Bürger stärker beteiligt werden? Neben den laufenden Online-Konsultationen hat der Flughafen soeben ein eigenes Bürgerportal unter www-lej-nachbarn.de gestartet, das montags bis freitags zwischen 8 und 21 Uhr erreichbar sein soll. „In den nächsten Wochen und Monaten liegt der Schwerpunkt darauf, den direkten Austausch mit den Nachbarinnen und Nachbarn anzubieten und zu verstetigen“, sagt Flughafen-Sprecher Uwe Schuhart. Genau diesen „wichtigen und direkten Austausch zu konkreten Anliegen“ habe die Pandemie meist verhindert. Das Versprechen lautet: „Der Flughafen will regelmäßiger und vor allem vor Ort informieren.“ Außerdem wurde ein „Nachbarschaftstelefon“ ins Leben gerufen. (Telefon 0341 2241190).

■ Welche Möglichkeiten hat der Petitionsausschuss? Außer den Einsprüchen im Planungsverfahren gibt es auch eine Online-Petition gegen den Ausbau, die knapp 11 000 Menschen unterzeichnet haben. Diese Petition wurde in der vergangenen Woche im Sächsischen Landtag während einer Anhörung behandelt. Dabei muss man wissen: Solche Anhörungen von Gutachtern und allen beteiligten Seiten sind für Petitionen keineswegs der Regelfall. Damit zeigt sich bereits die Brisanz. Vom Petitionsausschuss wird in den kommenden Monaten ein Bericht erstellt, der dann ins Plenum des Landtags geht. Da der Ausschuss keine gesetzgebende Funktion hat, kann er „nur“ Empfehlungen aussprechen – aber die Staatsregierung zu bestimmten Prüfungen oder Entscheidungen auffordern.