Fördergelder für das mitteldeutsche Revier: „Es fehlen hier Industriearbeitsplätze“

Torgauer Zeitung

Der Strukturwandel nimmt Fahrt auf. Mit dieser Botschaft kam Sachsens Minister Thomas Schmidt nach Neukieritzsch.

Neukieritzsch. „Energiewende nur mit uns!“, „Gegen Kahlschlag in der Braunkohle“ oder „Industriearbeitsplätze gleich Wertschöpfung“. Mit Plakaten wie diesen demonstrierten an diesem Freitag junge Mitglieder der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie ((IG BCE) für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sowie der Schaffung neuer. „Unsere Sorge ist groß, dass die Politik den für 2038 vorgesehenen Ausstieg aus der Braunkohle vorzieht. Das würde die Region hart treffen“, sagte Norman Friske von der IG BCE. „Die versprochenen Arbeitsplätze sehen wir bis 2030 nicht. Deshalb sei den Jugendlichen – zumeist Lehrlinge aus dem Bergbauunternehmen Mibrag oder dem Kraftwerk Lippendorf – bange um ihre berufliche Zukunft.

Während die Jugend vor der Parkarena in Neukieritzsch demonstriert, stellt Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt (CDU), drinnen erste Förderprojekte vor, die den Strukturwandel in der Region einleiten sollen. Ihm sei klar, dass man im Mitteldeutschen Revier gern schon weiter gewesen wäre.

„Aber beim Bund ging es lange nicht richtig voran.“ Erst 2019 sei das Investitionsgesetz Kohleregionen im Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Seiher sei allerdings Beachtliches erreicht worden, so der Minister auf der 2. Revierkonferenz des Mitteldeutschen Reviers. „Der Strukturwandel nimmt an Fahrt auf. Mittlerweile sind wir bei 133 bestätigten Projekten: 40 im Mitteldeutschen Revier und 93 im Lausitzer Revier. Damit haben wir für den Strukturwandel in der ersten Förderperiode einen erfolgversprechenden Grundstein gelegt.“

Im Mitteldeutschen Revier seien bisher 13 Projekte bewilligt. Das Fördervolumen: 69,2 Millionen Euro. Nicht zufrieden könne er mit den Förderkriterien sein. Diese erlaubten es nicht, dass der Bund Unternehmen und den Aufbau von Arbeitsplätzen in der Wirtschaft fördert.

Anhand von ausgewählten Beispielen zeigte Jörg Mühlberg, Geschäftsführer der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS), was derzeit gefördert werde. So wird mit 6,2 Millionen Euro das ehemalige Kulturhaus in Beucha zu einem Gründerzentrum umgebaut. In die Räume eines alten Gebäudes im Leipziger Krankenhaus St. Georg zieht eine Ausbildungsstätte für Pflegekräfte. 10,4 Millionen Euro sind für den Umbau bewilligt. In Thallwitz soll ein alter Pferdestall saniert und darin eine Vulkanschau zu sehen sein. Gefördert werden mit Bundesmitteln ferner die Anschaffung von batteriebetriebenen S-Bahnzügen auf der Strecke von Grimma nach Leipzig sowie autonom fahrende Busse für den Nahverkehr im Landkreis.

Es werde sportlich, in den nächsten Jahren Projekte auf den Weg zu bringen, die Ersatz für die wegfallenden Arbeitsplätze in der Kohleindustrie schaffen, räumte Henry Graichen (CDU), Landrat im Landkreis Leipzig, ein. In der Region hingen rund 5000 Jobs von der Kohle ab. „Viel verspreche ich mir von den neuen Industriegebieten in Zwenkau Nord und Thallwitz. Dort können Unternehmen Strom, Wärme oder Kälte klimaneutral beziehen.“ So soll in Zwenkau grüner Wasserstoff produziert werden. In Thallwitz will man Energie aus Biomasse gewinnen. Graichen hofft, dass sich so Unternehmen in der Region ansiedeln.

Minister Schmidt stellte in Neukieritzsch ferner das kürzlich von der EU-Kommission genehmigte sächsische Programm zum Just Transition Fund – JTF (Fonds für einen gerechten Übergang) vor. Anders als Bundesmittel könnten die EU-Gelder unter anderem für die direkte Unternehmensförderung eingesetzt werden, so Schmidt. „Mit dem JTF können wir nun endlich auch die Wirtschaft fördern, zum Beispiel bei produktiven Investitionen kleinerer und mittlerer Unternehmen und über die Förderung von Start-ups.“

Das sei ein gutes Signal, meinte Markus Schlimbach, DGB-Chef in Sachsen. Er hätte sich allerdings klare Vergaberegeln gewünscht. „Gefördert wird nur, wer Tariflohn zahlt“, so Schlimbach. Diese Chance sei vertan worden.

Skeptisch zeigte sich auch Mibrag-Betriebsratschef Matthias Lindig. „Bislang sind vor allem Projekte aus dem Tourismus oder zur besseren Infrastruktur auf den Weg gebracht worden. Was fehlt, ist Ersatz für unserer Industriearbeitsplätze. Viele der gut ausgebildeten Kräfte gehen weg, dorthin, wo sie gut bezahlte Arbeit finden. Für die Region ist das bitter.“ Ein vorgezogener Ausstieg aus der Kohle würde den Prozess beschleunigen.