Forum zur Landtagswahl: „Wie wollen Sie Nordsachsen attraktiv machen?“

Torgauer Zeitung

Eilenburg. Fachkräftemangel, innere Sicherheit, Finanzen oder das gesellschaftliche Klima in Sachsen - das ist nur eine kleine Auswahl der Themen, die aktuell diskutiert werden. Was sagen die Kandidaten des Wahlkreises 34 – Nordsachsen 2?

Am Freitagabend stellten sie sich beim von der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit der LVZ und Sächsischen Zeitung organisierten Wahlforum in Eilenburg. Fragen der Moderatoren Katharina Oeppert und Bastian Wierzioch gingen an Sebastian Gemkow (CDU), Ferdinand Wiedeburg (AfD), Luise Neuhaus-Wartenberg (Die Linke), Claudia Kurzweg (Bündnis90/Die Grünen), die für Christine Rademacher teilnahm, Paul Deuschle (FDP) sowie Adrian Schneider (SPD), der Stefan Lange vertrat.

Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wurde vom Publikum rege genutzt. Darum ging es unter anderem: „Wie wollen Sie für mich attraktiv machen, dass ich nach Nordsachsen ziehen und hier bleibe?“, wollte eine junge Frau wissen. Adrian Schneider (SPD) brachte die „gute soziale Infrastruktur mit Kindergärten und Schulen, Krankenhäusern“ an. Sebastian Gemkow (CDU) setzt auf das Großforschungszentrum CTC, das in Delitzsch entstehen soll. Dies biete eine „eine der größten Chancen und eine unheimlich gute Perspektive für die Region, wie sie sich andere nur wünschen.“ Für Luise Neuhaus-Wartenberg zählen Kunst und Kultur als Faktoren, bei denen sie Nachholebedarf sieht: „Wir müssen über Kinos reden, Begegnungsstätten, Demokratie, Vereine, Verbände, Ehrenamt“. Paul Deuschle (FDP): „Unsere Kommunen müssen besser ausgestattet werden. Man konsolidiert den Landeshaushalt und in den Kommunen ächzt es an allen Ecken und Enden.“ Ein Bleibe-Argument hatte Ferdinand Wiedeburg (AfD) nicht, wohl aber einen Grund, warum für vieles kein Geld da ist: „Wir haben jede Menge Pflichtaufgaben, die nicht sein müssten – wie die Asylunterkunft. „Räume und Möglichkeiten schaffen, um Gemeinschaft zu erleben“, sieht Claudia Kurzweg (Grüne) als notwendig an.

Bei einer Frage des Eilenburger Mathias Teuber gab es viel Konsenz: „Können Sie sich als Landespolitiker vorstellen, Ihre finanziellen Kompetenzen an Kommunen weiterzugeben, um denen eine größeren Spielraum zu ermöglichen?“ Für Paul Deuschle ist klar: „Es braucht den Mut der Landesregierung, Kompetenzen abzugeben und das Vertrauen, das mit dem Geld kein Unfug angestellt wird.“ Da geht die SPD mit: „Es darf nicht alles über Förderprogramme laufen. Das Geld muss an die Kommunen gehen, die selbst entscheiden, was damit passiert.“ So sieht es auch Die Linke, Luise Neuhaus-Wartenberg: „Wir wollen zudem weg von einer Pro-Kopf-Finanzierung.“ Sebastian Gemkow konnte dem nicht ganz folgen: „Mir ist das etwas zu einfach. Es gibt viele Themen, für die Förderung ausgereicht wird. Das nach einem Schlüssel zu bemessen und auf die Kommunen zu verteilen, würde der Sache nicht gerecht. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Kommunen so extrem unterfinanziert sind“.

 

„Wann kommt die Umfahrung der B87 in Taucha?“, fragte der Tauchaer Frank Thierfelder. Die Notwendigkeit ist wohl allen bewusst, eine befriedigende Antwort konnte keiner der Kandidaten geben. „Es geht ums Geld“, fasste es Gemkow zusammen.

Mit Mitwirkungsmöglichkeiten, Fragen der Struktur und Daseinsfürsorge sowie dem Blick in die Zukunft gab es drei große Themenblöcke So ging es beispielsweise darum, was gegen den Ärztemangel getan werden muss oder, so Gemkow, bereits erfolgt ist. Sachsen habe die Landarztquote. Heißt: „Junge Menschen bekommen einen Studienplatz, sagen aber zu, im ländlichen Raum zu arbeiten. Punkt 2 seien die Universitätskliniken. Große Kliniken wie in Leipzig sorgen die Versorgung beispielsweise schwerer Erkrankungen mit ab.“ Die Zahl der Studienplätze sei zudem bereits erhöht worden und soll weiter ansteigen. Ausbildungen erfolgen in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Ungarn, fügte Schneider hinzu. Das werde nicht reichen, hielt Kurzweg dagegen: „Wir brauchen auch gute Lebensbedingungen, damit die Menschen gern dort bleiben“. Den Numerus clausus sieht Neuhaus-Wartenberg als ein Problem: „Ich will ihn nicht abschaffen, aber ein Durchschnitt von 1,1 ist einfach zu hoch“. Damit mehr Ärzte aufs Land wollen, müssten die Räume auch wirtschaftlich attraktiv sein, sagt Paul Deuschle. Er plädiert für Leistungszentren mit Spezialisierungen für Knie, Hüfte, Geburten sowie mehr Telemedizin. Ferdinand Wiedeburg warnt davor, dass es bei der „ärztlichen Betreuung nur um das Finanzielle geht“.

Auch ein Thema: „Was sehen Sie als größte Gefahr für unser gesellschaftliches Miteinander?“ Gemkow: „Dass der Stadt und seine Institutionen nicht mehr in der Lage sind, abzusichern, dass nicht mehr genug Lehrer oder Polizisten da sind, Gerichte zu langsam arbeiten.“ Viele Menschen seien sehr emotionsgeleitet, ließen sich von Emotionen auch verleiten, sieht Kurzweg ein Problem. „So lange der Bevölkerung Politik von oben übergestülpt werde, funktioniere Demokratie nicht, meint Wiedeburg. „Populismus, Falschbehauptungen“, sind es für Adrian Schneider: „Wir müssen lernen, miteinander umzugehen. Harter in der Sache, aber weich am Menschen.“ Für Neuhaus-Wartenberg wirkt sich negativ auf die Mitwirkungschancen der Gesellschaft aus: „Wir haben den Menschen im ländlichen Raum Orte der Begegnung genommen. Es gibt den Tante-Emma-Laden oder den Gasthof nicht mehr oder auch keine Möglichkeiten zum Austausch mit Ärzten, weil auch die nicht mehr da sind.“

Rund 60 Besucher verfolgten die Debatte im großen Saal des Bürgerhauses. Der Abend verlief teils hitzig, aber weitgehend fair. Das Moderatoren-Duo schritt von Beginn an konsequent ein, wenn die von den Veranstaltern vorgegebenen Regeln zu kippen, Kandidaten ihre Redezeit zu überziehen drohten oder Gäste Statements abgaben statt Fragen stellten. Ein deutliches Zeichen setzte Bastian Wierzioch, als Zwischenrufe überhand nahmen und in Beleidigungen wechselten, selbst der Moderator in seinen Fragen gestört wurde. Ein Besucher musste von der Security begleitet den Saal verlassen.