„Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch dem Landkreis gut“

LVZ, Delitzsch-Eilenburg, N. Huber

Konzept für Entwicklung des Kreises bis 2030 – Amtsleiterin Uta Schladitz

über Fachkräftemangel, neue Gewerbeflächen und Chancen beim Tourismus

Nordsachsen. Die nordsächsische Wirtschaft ist so facettenreich wie der Landkreis selbst. Während in der Region um Leipzig logistikorientierte Unternehmen und das produzierende Gewerbe dominieren sowie Ostelbien und die Collm-Region stark landwirtschaftlich geprägt sind, ist in den Städten Nordsachsens vor allem die Dienstleistungsbranche präsent. Zurückzuführen ist diese Vielfalt auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Unternehmer vor Ort vorfinden: Wie ist der Standort an das Verkehrsnetz angeschlossen? Gibt es ausreichend qualifizierte Fachkräfte? Sind geeignete Gewerbeflächen vorhanden? All dies und vieles mehr sind Faktoren, die auch insgesamt für den Erfolg der Wirtschaft des Landkreises Nordsachsen eine große Rolle spielen. Das Kreisentwicklungskonzept, das wir in einer kleinen Serie von verschiedenen Seiten beleuchten, setzt aus diesem Grund an vielen dieser Punkte an und hat entsprechende Zielstellungen und Projekte festgelegt. Im Interview wirft Uta Schladitz, Amtsleiterin im Amt für Wirtschaftsförderung und Landwirtschaft, einen Blick in die Wirtschaft im Rahmen des Kreisentwicklungskonzepts (KEK).

Welche Bedeutung hat der Bereich der Wirtschaft für das KEK?

Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es auch dem Landkreis gut. Insofern ist die Wirtschaft natürlich ein zentraler Bestandteil des Kreisentwicklungskonzeptes und mit allen anderen Handlungsfeldern verwoben.

Wie können die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Nordsachsen verbessert werden?

Wichtig ist immer, den Sachstand zu analysieren und daraus Rückschlüsse für notwendige Maßnahmen zu ziehen. Das ist beispielsweise 2014 mit einer Analyse der infrastrukturellen Ausstattung des Wirtschaftsstandortes Nordsachsen passiert. Im Ergebnis zeigten sich zwei gravierende Defizite: die schlechte Erschließung des Landkreises mit Breitband und die straßenseitig schlechte Erschließung der Region um Torgau. Daraus entstand das Breitbandprojekt des Landkreises und das Konzept für die Ost-West-Straßenverbindung Milau, das mit Mitteln für den Strukturwandel Braunkohle umgesetzt wird. Für das KEK haben wir ebenfalls eine breite Ist-Analyse durchgeführt und entsprechende Maßnahmen für unseren Wirtschaftsstandort definiert. Wichtig ist, nach den Beschlüssen im Kreistag, deren Umsetzung zu organisieren.

Inwiefern betrifft die Problematik des Fachkräftemangels die Wirtschaft und mit welchen Maßnahmen soll im Rahmen des KEK etwas dagegen getan werden?

Natürlich betrifft der Fachkräftemangel auch die hiesige Wirtschaft. In Branchen wie der Gesundheitswirtschaft, der Logistik, der Landwirtschaft, den MINT-Berufen – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik –, aber auch im Handwerk besteht zunehmender Fachkräftebedarf. Im KEK haben wir uns dazu bekannt, weiterhin Projekte zur Fachkräftesicherung über die Fachkräfteallianzen zu unterstützen. Als Wirtschaftsförderung koordinieren wir selbst Projekte in der Landwirtschaft und im MINT-Bereich. Mit dem Rückkehrertag möchten wir Arbeitskräfte in den Landkreis zurückholen und mit der neuen Plattform „nordsächsische Fachkräftesafari“ haben wir ein digitales Format, welches Unternehmen nutzen können, um Fachkräfte zu werben. Außerdem besteht ein enges, gut funktionierendes Netzwerk mit der Agentur für Arbeit und den Kammern. Aber auch mit Maßnahmen der Mobilitätsförderung und des Breitbandausbaus unterstützen wir die Wirtschaft, damit sie im Kampf um die besten Köpfe gut aufgestellt sind.

Auch Familienfreundlichkeit kann dazu beitragen, potenzielle Fachkräfte im Landkreis zu halten. Wie soll diese gefördert werden?

Die Familienfreundlichkeit wird auch über die Fachkräfteallianz befördert. Viele nordsächsische Unternehmen haben aber auch schon selbst Maßnahmen ergriffen, wie Jobticket, flexible Arbeitszeiten oder Mitfinanzierung der Kinderbetreuung, um ihre Mitarbeiter zu halten.

Mit welchen Angeboten im Bereich der beruflichen Weiterbildung soll eine Tätigkeit in Nordsachsen für qualifizierte Fachkräfte attraktiver werden?

Mit dem Glascampus am Berufsschulzentrum Torgau haben wir 2019 in Kooperation mit der TU Bergakademie Freiberg eine Einrichtung für die fachliche Qualifizierung und Weiterbildung im Bereich der Glas-, Keramik- und Baustofftechnik geschaffen. Ähnliche Projekte, wie zum Beispiel der Naturbaucampus Oschatz, sind im KEK verankert. Prinzipiell wird das Thema Weiterbildung unter Federführung der Agentur für Arbeit und den Kammern bearbeitet. Hier bestehen ein enges Netzwerk und eine kontinuierliche Abstimmung, um auf Bedarfe schnell reagieren zu können.

Im Landkreis werden zunehmend die gewerblich nutzbaren Flächen knapp. Gerade diese sind jedoch wichtig für die Ansiedlung von Unternehmen in Nordsachsen. Welche Maßnahmen sieht das KEK in diesem Bereich vor?

Der Landkreis Nordsachsen hat eine attraktive Lage mit direkter Anbindung an die Autobahn 9 als wichtige Nord-Süd- und die Autobahn 14 als zentrale Ost-West-Verbindung. Mit dem Flughafen in Schkeuditz und dem Elbhafen in Torgau gibt es weiter multimodale Verkehrsknoten. Aktuell werden Flächen vor allem in Flughafennähe nachgefragt. Dieser Nachfrage kann in vielen Fällen nicht durch Gewerbeflächen im Landkreis Nordsachsen entsprochen werden. Daher ist ein wichtiger Punkt im KEK die Untersuchung attraktiver größerer Flächen im Hinblick auf die Eignung als Gewerbe- und Industriestandort sowie deren anschließende Entwicklung. Starten würden wir dabei gern mit einem Projekt an der Autobahn 9.

Bezüglich der Vernetzung nordsächsischer Unternehmen mit Hochschulen und Universitäten gibt es noch Verbesserungspotential. Woran liegt das und mit welchen Maßnahmen könnte das Kreisentwicklungskonzept zu einer verbesserten Vernetzung beitragen?

Die Vernetzung der nordsächsischen Unternehmen mit den Hochschulen der Region ist besser, als es auf den ersten Blick scheint. Seit Jahren unterstützen wir als Wirtschaftsförderung diese Vernetzung. Sei es über unsere Berufsorientierungsprojekte, die regelmäßig mit großem Erfolg Unternehmen und Hochschulen zusammenbringen, oder den Arbeitskreis Wissens- und Technologietransfer der Region Leipzig, durch den wir immer wieder Impulse für Zusammenarbeit in die nordsächsischen Unternehmen tragen. Wichtigste Quelle der Zusammenarbeit ist allerdings die persönliche Beziehung, die wir mit den verschiedensten Netzwerkformaten unterstützen. So kommen zum Beispiel im Netzwerk Logistik, welches durch uns mitinitiiert wurde, regelmäßig Unternehmen, Hochschulen und Verwaltungen branchenübergreifend zusammen. All diese Aktivitäten werden durch die Schwerpunktsetzungen des KEK unterstützt und bilden die Eckpfeiler unseres zukünftigen Handelns.

Wie soll die Digitalisierung von Unternehmen vorangetrieben werden?

Mit dem von Landrat Emanuel vor fünf Jahren angestoßenen, landkreisweiten Ausbau des Glasfasernetzes legen wir für die Mehrzahl der Unternehmen den Grundstein für die Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle und Prozesse. Hier werden wir auch zukünftig dranbleiben und die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Digitalisierung der Unternehmen schaffen. Parallel sieht das KEK einen Digitalisierungsfonds für Unternehmen und die Erprobung von 5G-Anwendungen vor.

Wie können die landschaftlichen Gegebenheiten des Landkreises mit seinen vielen Grünflächen für die Wirtschaftsförderung genutzt werden?

Unser Landkreis hat durch seine landschaftliche Prägung – neben den Heidelandschaften der Dübener und Dahlener Heide unter anderen auch der Wermsdorfer Forst, die Flusslandschaften von Elbe und Mulde und das nördliche Leipziger Neuseenland – hervorragende Grundlagen für die Entwicklung zu einer überregional bedeutenden Tourismusregion. Dafür gilt es, die Infrastrukturen insbesondere für den Rad- und Wandertourismus auszubauen. Hier haben wir im KEK verschiedene Maßnahmen vorgesehen. Zum Beispiel unterstützen wir die Qualifizierung der Wanderwegeinfrastruktur, etablieren einen Radverkehrsbeauftragten und bauen das Radwegenetz sukzessive aus.