„Hier kann ich mich einbringen, hier kann ich was bewegen“

Torgauer Zeitung

Landratswahlen 2022: Der Eilenburger Torsten Pötzsch (46) will erstmals Landrat in Nordsachsen werden. Er sagt, warum und was er künftig bewegen will.

Eilenburg. Irgendwann stand sie im Raum – die Frage nach einem Kandidaten für die Landratswahl in Nordsachsen. „Wer kann es sich vorstellen?“, fragten SPD, Linke und Grüne gemeinsam. „Ich habe gesagt, das finde ich interessant“, sagt Torsten Pötzsch.

Überrascht haben dürfte dies Kenner der Szene nicht. Der Eilenburger ist seit Jahren kommunalpolitisch aktiv, ist Stadtrat, Oberstleutnant der Reserve und Chef des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr. Und doch war die Entscheidung keineswegs selbstverständlich. 2015 kandidierte der damals 40-jährige Diplomsozialpädagoge für den Posten des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt Eilenburg und verlor deutlich. Für Torsten Pötzsch kein Grund, sich zurückzuziehen. „In der Demokratie gehört es dazu, dass nur einer gewinnen kann. Das ist nicht immer einfach für den Unterlegenen und das war es auch für mich nicht. Aber es hilft, das Ganze realistisch anzugehen, auch, weil man weiß, was auf einen zukommen kann.“ Die damals „misslungene Bewerbung“ sei deshalb durchaus eine Erfahrung, „die ich in meine jetzige Kandidatur einbringen kann.“ Rot, Rot, Grün weiß er hinter sich und für Pötzsch steht fest: „Wir gehen davon aus, dass wir gewinnen.“

Aufgewachsen ist Torsten Pötzsch in Bunitz bei Eilenburg. Schon dort erlebt er, was es heißt, sich für Menschen oder eine Sache zu engagieren. Bewusst reflektiert, dass dies so war, habe er zwar erst später. Es sei halt normal gewesen, dass die Eltern in Organisationen und in der Kirche vertreten waren, dass sie immer für andere einstanden. Das waren auch schon die Großeltern, die zusammenrückten, um in Kriegszeiten Menschen auf der Flucht aufzunehmen. „Nach der Wende besuchten uns einige davon, erzählten, wie dankbar sie für die Hilfe waren.“ Es sind Erlebnisse wie diese, die auch Torsten Pötzsch tief geprägt haben und seinen Blick fürs Umfeld immer geschärft haben.

Auch als er 1994 zur Bundeswehr ging, die Unteroffizierslaufbahn wählte und für die Bundeswehr deutschlandweit unterwegs war, interessierte ihn das Geschehen daheim: „Ich konnte damals im Wochenrhythmus sehen, was sich alles verändert, wenn auch nicht immer zum Guten. Im Alt-Bundesgebiet verlief alles eher kontinuierlich.“

2002 zog er zurück in die Muldestadt und dachte: „Hier kann ich mich einbringen, hier kann ich noch was bewegen.“ Er studierte Sozialpädagogik. „Wenn man das studiert hat und als Jugend- und Sozialarbeiter tätig ist, merkt man, dass Rahmenbedingungen der Arbeit und des gesellschaftlichen Zusammenlebens nun mal politisch sind. Irgendwann steht man vor der Frage, ob man nur an Symptomen arbeiten oder an den Bedingungen was ändern will. Und das geht eben nur, wenn man mitmacht.“ 

2008 fragte ihn der damalige Eilenburger SPD-Chef Reiner Weihmann, ob er sich vorstellen könne, für den Stadtrat zu kandidieren. Pötzsch zögerte nicht lange, schaute sich das Programm an, befand: Ja, passt, sagte zu und trat gleich in die Partei ein. Das sorgte durchaus für Verwunderung. Auch wenn Kommunal- nicht immer Parteipolitik ist, sei ihm aber stets wichtig, „dass immer klar ist, wo ich stehe und wer ich bin“. Die Politik der Versöhnung von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt habe ihn geprägt. Bewusst sucht Torsten Pötzsch immer wieder das Gespräch mit den Menschen: „Ich will den Leuten zuhören und wissen, was sie im Alltag bewegt.“

Das will er auch als Landrat, setzt auf das Motto: Mehr miteinander für Nordsachsen möglich machen und gemeinsam Zukunft gestalten. Er weiß, dass dies klarer Entscheidungen bedarf aber auch, dass man als Verwaltung an eine Vielzahl von Weisungen gebunden ist: Das darf aber nicht daran hindern, dies zu hinterfragen.

Natürlich habe er seinen Entschluss im Vorfeld sorgsam überdacht. Was, wenn er am Ende tatsächlich vorn liegen sollte? „Man muss sich darüber bewusst sein, dass dies ein Leben verändert, beruflich wie privat.“ Da sei natürlich diskutiert worden: „Wollen wir das als Familie?“ Doch ändert sich wirklich so viel? Viel unterwegs sein, sich neben der Politik auch in Vereinen und Verbänden für Gesellschaft und Kirche zu engagieren, ist für Torsten Pötzsch Alltag und für die Familie selbstverständlich. Seit vielen Jahren ist er Ansprechpartner in der Jugendberatung der Diakonie in Eilenburg, schon deshalb beruflich nah dran an seiner Frau Yvonne, die das Mehrgenerationenhaus Arche leitet, wo auch er sein Büro hat. Über die Jugendarbeit lernten sie sich einst auch kennen.

Berufliches und Privates zu trennen, falle da auch nicht immer leicht. Freizeit für die sechsköpfige Patchworkfamilie müssten sie sich schon gezielt nehmen, sagt der zweifache Vater. Zeit, die sie am Meer und in den Bergen verbringen. „Wir sind gern und viel in der Natur unterwegs. Das hilft, den Kopf frei zu kriegen.“