In Zufluchtsstätten vor Gewalt herrscht Platzmangel
17 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen in Sachsen bieten Hilfesuchenden Obdach. Doch oft sind sie voll belegt.
Dresden. Den sächsischen Zufluchtsstätten vor häuslicher Gewalt fehlt es an Platzkapazitäten. Im vergangenen Jahr mussten 382 Menschen abgewiesen werden, weil alle Plätze belegt waren, wie eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke) ergab. In 333 Fällen betraf das Frauen und Kinder, in 46 Fällen Männer. Zudem fanden drei Menschen in Spezialeinrichtungen keinen Platz.
„Die hohe Zahl an Abweisungen ist dramatisch. Wer von häuslicher Gewalt betroffen ist und Schutz in einer Einrichtung sucht, hat meist schon einen langen Leidensweg hinter sich. Es erfordert viel Mut und Kraft, aus einer gewaltvollen Beziehung zu fliehen“, betonte Nagel. Wer dann keine Zuflucht finde, müsse mit großer Wahrscheinlichkeit nach Hause zurückkehren. Jede einzelne Abweisung bringe die Betroffenen in eine dramatische Situation.
Nagel verwies darauf, dass Sachsen nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention 404 Plätze in Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen vorhalten müsste. Momentan sind es aber lediglich 168. Am 1. Januar 2032 tritt der individuelle Rechtsanspruch auf einen Schutzplatz und Beratung in Kraft. Sachsen sei meilenweit davon entfernt, ihn erfüllen zu können, erklärte Nagel. „Es ist unverständlich, dass der Haushaltsentwurf der Staatsregierung keineswegs mehr Geld für Gewaltschutz und Gewaltprävention vorsieht, sondern auf die nächsten zwei Jahre hin betrachtet sogar eine Kürzung im Vergleich zum Mittelansatz 2024“, kritisierte die Abgeordnete. Ihre Fraktion habe deshalb Änderungsanträge eingereicht.
Laut Sozialministerium wurden im Vorjahr 557 Frauen und 642 Kinder in einer der 17 sächsischen Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen aufgenommen. Für Männer gibt es in Chemnitz, Dresden und Leipzig je eine Einrichtung. Hier fanden 26 Männer Zuflucht. Dazu gibt es drei Spezialeinrichtungen etwa für diverse Menschen oder Leute mit einem Handicap.
Nach Angaben der Bundesregierung fehlen in ganz Deutschland mehr als 13.000 Frauenhausplätze. Die 7786 Plätze in Schutzeinrichtungen seien nach der Istanbul-Konvention zu wenig, wird eingeräumt. Die Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. In Deutschland gilt sie seit Februar 2018.