Kommunen fehlt das Geld – „Es wird zu schmerzlichen Einschnitten kommen“
Chef des Städte- und Gemeindetages sieht Gefahr für Nahverkehr und fordert mehr Hilfe vom Freistaat
Dresden. Die Warnungen aus den Rathäusern und Landratsämtern kommen regelmäßig und sie werden lauter. Als Sachsens Staatsregierung vor wenigen Tagen einen durch massive Kürzungen geprägten Haushaltsentwurf für 2025/2026 in den Landtag einbrachte, machten der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) prompt eine bittere eigene Rechnung auf: Nicht nur dem Freistaat fehlt es demnach massiv an Geld, auch in den Kassen der sächsischen Kommunen klafft seit Ende 2024 ein Finanzloch von 682 Millionen Euro. Zwischenzeitlich lag dieses Defizit sogar schon über der Milliarden-Grenze.
„Die Haushaltslage der sächsischen Kommunen ist desolat“, mahnt der Radebeuler Oberbürgermeister und SSG-Präsident Bert Wendsche im Namen seiner vielen Kollegen und sieht einmal mehr die Landesregierung in der Pflicht. Doch deren jüngster Etatentwurf sorgt nun für Enttäuschung. „Der Freistaat hat die aus Landesmitteln finanzierten kommunalen Investitionsprogramme drastisch reduziert“, ärgert sich Wendsche und drängt auf Änderungen. So müsse der Anteil der Kommunalzuweisungen am Landeshaushalt in diesem und im nächsten Jahr deutlich gestärkt werden – von den zurzeit geplanten 33 Prozent auf mindestens 35 Prozent.
Der Chef des kommunalen Spitzenverbandes will die Städte und Gemeinden zudem ausreichend an dem neuen Sondervermögen beteiligt sehen, das der Bund künftig in Jahresraten von jeweils 415 Millionen Euro bis 2037 regelmäßig an den Freistaat überweisen will. Den Großteil davon müssten Sachsens Kommunen erhalten, so seine klare Ansage.
Bert Wendsche warnt eindringlich vor den Folgen, wenn das Land diese Hilfen verweigert. „Immer weniger Kommunen können ihre Haushalte noch ausgleichen. Die Kreisfreien Städte und Landkreise werden von der Entwicklung der Sozialausgaben erdrückt und die finanziellen Nöte der kreisangehörigen Gemeinden werden durch steigende Personal- und Sachkosten sowie durch Erhöhungen der Kreisumlagen immer größer.“
Schmerzhaft zu spüren bekommen dieses finanzielle Dilemma letztlich immer die Bürger. Bereits nach dem kürzlich beschlossenen Tarifplus für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes warnte Sachsens Städte- und Gemeindetag: „Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Es wird zu schmerzlichen Einschnitten für alle Einwohnerinnen und Einwohner kommen. Dabei geht es nicht mehr um das ‚Ob‘, sondern nur noch um das ‚Wie‘. Zur Deckung von Finanzlücken werden voraussichtlich Pflichtaufgaben nicht mehr wie gewohnt wahrgenommen werden können, Investitionen und freiwillige Leistungen gestrichen oder der ÖPNV eingeschränkt. Auch die Erhöhung von Steuern und Gebühren wird auf die Tagesordnung kommen, genau wie vielerorts die Aufnahme von Kassenkrediten.“
Diese Nöte sieht man in der sächsischen Landesregierung sehr wohl und verweist darauf, dass es deshalb zuletzt mehrere Hilfspakete zugunsten der Kommunen gegeben habe – das größte im Umfang von 600 Millionen Euro, die der Freistaat trotz eigener Geldsorgen zusätzlich bereitstellen wird.
Innerhalb der Staatsregierung zeigt man sich zudem optimistisch, dass es auch noch zu einer höheren Zuweisungsquote als den jetzt festgelegten 33 Prozent kommt. Darauf würden die Abrechnungen der vergangenen Jahre hinweisen, wonach die tatsächlichen Quoten am Ende immer wieder zugunsten der Kommunen übertroffen worden seien. Auch ein weiterer Kritikpunkt soll möglichst schnell ausgeräumt werden. So beklagen die Kommunen, dass sie – entgegen klarer gesetzlicher Vorgaben – ab 2026 nicht mehr ausreichend an der Feuerschutzsteuer beteiligt werden sollen und sie laut Haushaltsentwurf auf acht Millionen Euro für diesen wichtigen Bereich verzichten müssen. Mittlerweile gibt es klare Signale aus dem Dresdner Regierungsviertel, dass es eine solche Kürzung nicht geben wird.
Die Finanzexperten in den Reihen der Staatsregierung verweisen allerdings darauf, dass sich angesichts eigener finanzieller Engpässe solche und künftige Kommunalhilfen immer an der Bedürftigkeit vor Ort orientieren müssen. Tatsächlich sind es zurzeit vor allem Sachsens Landkreise, die mit den größten Defiziten kämpfen müssen – allen voran Nordsachsen sowie der Kreis Görlitz.
Dort sorgen besonders Vorgaben des Bundes für extrem steigende Sozialausgaben, die die Kreise nicht mehr mithilfe eigener Einnahmen decken können. Was bleibt, ist bisher nur die vage Hoffnung, dass sich der Freistaat gemeinsam mit anderen betroffenen Bundesländern künftig in Berlin mit der Forderung nach gravierenden Gesetzesänderungen durchsetzen kann.
Im Fall der über 400 Gemeinden in Sachsens zehn Landkreisen sieht es zum Teil aber etwas besser aus. Zwar gibt es auch dort immer mehr Bürgermeister, die nicht mehr alle Kosten stemmen können und auf Hilfe angewiesen sind. Das beträfe jedoch bei weitem nicht alle Orte.
Etliche Gemeinden in Sachsen erzielen immer noch ein Haushaltsplus, wird argumentiert. Konzentrieren müsse man sich deshalb auf die Defizit-Kommunen.
Nicht müde wird der Freistaat zudem, darauf hinzuweisen, dass es auch für die künftigen Steuereinnahmen der sächsischen Kommunen günstigere Prognosen gibt als für die entsprechenden Einnahmen des Landes.
Ob diese Zuversicht am Ende aber wirklich hilft, bleibt abzuwarten. Die kommunale Seite teilt diesen Optimismus jedenfalls nicht, im Gegenteil. Das regelmäßig fortgeschriebene Gesetz zum kommunalen Finanzausgleich, welches nun auch für 2025 und 2026 die Höhe der Zuschüsse des Freistaates an die Kommunen regelt, will Sachsen Städte- und Gemeindetag erstmals nach vielen Jahren ablehnen.
Praktisch hat das angekündigte Nein keine Folgen, da eine Zustimmung der Kommunen nicht erforderlich ist. Große Auswirkungen auf die künftige Stimmung in den Rathäusern und Landratsämtern gegenüber der Staatsregierung und deren Finanzminister hat es dagegen schon.