Krankenhausreform: So geht es mit Sachsens Kliniken weiter

Freie Presse

Auf einer Veranstaltung der Barmer zeigt sich, wie weit der Weg bis zu einer neuen Gesundheitsversorgung noch ist. Nicht nur fehlendes Geld ist das Problem.

Dresden. 

Vor fünf Monaten ist die Krankenhausreform beschlossen worden. Versprochen wurde viel: mehr Spezialisierung von Kliniken und damit mehr Behandlungsqualität, ein neues Vergütungssystem, das sich weniger an Fallzahlen orientiert und eine sektorenübergreifende Versorgung. Doch für Patienten tut sich gefühlt nichts.

Ein Eindruck, der täuscht. Im Hintergrund laufen komplexe Vorbereitungen, die zeitlich durchaus sportlich getaktet sind. So mussten Sachsens Krankenhäuserbis Ende April bei der Planungsbehörde, dem Freistaat Sachsen, anmelden, welche Leistungen sie künftig anbieten wollen beziehungsweise können. Denn statt der bisherigen Fachabteilungen soll es ab 2027 Leistungsgruppen geben, die an konkrete Qualitätsvorgaben hinsichtlich Personal, Ausstattung und Mindestvorhaltezahlen geknüpft sind. Kann eine Klinik diese Vorgaben nicht erfüllen, bekommt sie diese Leistung nicht mehr bezahlt. "Alle 76 Krankenhäuser in Sachsen haben ihre Anträge pünktlich abgegeben", sagt Alexander Manzke, Leiter Referat Krankenhauswesen im Sächsischen Gesundheitsministerium, am Dienstagabend auf einer Veranstaltung der Barmerin Dresden.

Der Freistaat hat nun bis Ende September Zeit zu prüfen, ob die Anträge plausibel sind. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag Korrekturen am Lauterbachschen Reformentwurf angekündigt. Statt bisher 65 Leistungsgruppen soll es künftig nur 60 zuzüglich Traumatologie geben. "Dort, wo es medizinisch sinnvoll ist, werden die Leistungsgruppen bezüglich Leistungs- und/oder Qualitätsvorgaben verändert", heißt es im Vertrag. Das war unter anderem eine Forderung des Freistaats Sachsen, der im Bundesrat dem Reformgesetz nicht zugestimmt hatte. 

Mehr Ausnahmen gefordert

Und auch aus den Krankenhäusern selbst gibt es Kritik an den Leistungsgruppen. "Es existiert aktuell noch keinerlei Analyse, wie sie sich ganz konkret auf die Versorgung in der Region auswirken werden", sagte Martin Jonas, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Chemnitz. "Selbst wir als Maximalversorger erfüllen in einigen Leistungsgruppen die Kriterien teilweise gerade so." Da reiche es schon, wenn beispielsweise ein Facharzt ausfiele, und die gesamte Leistung stehe auf dem Spiel.

Das größte Problem aber ist laut Jonas, dass noch nicht feststehe, mit welcher Vergütung die Kliniken künftig rechnen können. Im Gegensatz zu den jetzigen Fallpauschalen soll es künftig 60 Prozent der Vergütung dafür geben, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten. Welche Vorhaltefinanzierung das jeweilige Krankenhaus ganz genau bekommt, errechnet das "Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus" - allerdings erst im dritten Quartal 2026, wenn alle neuen Leistungsgruppen auch wirklich bestätigt sind.

Martin Jonas, der gleichzeitig im Vorstand der KrankenhausgesellschaftSachsen ist, fordert jetzt schon eine gemeinsame Versorgungsplanung von Land und Leistungserbringern. Zudem plädiert er für mehr Spielraum und Ausnahmemöglichkeiten. Der Freistaat kann laut Gesetz in begrenztem Maß Ausnahmen zulassen, wenn eine Klinik zwar nicht die Vorgaben erfüllt, die Leistung aber für die Sicherstellung der Versorgung in der Region nötig ist. Schon heute gibt es in Sachsen fünf Krankenhäuser, die Sicherungszuschläge erhalten, unter anderem Olbernhau und Torgau.

Kliniken fehlen Millionen

Die gesetzlichen Krankenkassen allerdings fürchten mit zu vielen Ausnahmen ein Aufweichen der Qualitätskriterien. "Damit besteht die Gefahr, dass alte Strukturen konserviert werden und sich nichts ändert - außer, dass die Kosten weiter steigen", sagt Volker Uttermann, Abteilungsleiter Krankenhausfinanzierung vom Campus der Barmer in Wuppertal.

Referatsleiter Manzke kündigt an, dass es Abstimmungsgespräche in den Regionen geben wird. Allerdings rate er auch den Kliniken, gemeinsam Planungen vorzudenken, wie es beispielhaft in der Gesundheitsregion Südwestsachsen geschehe. 20 Krankenhäuser haben hier den Konkurrenzgedanken hintenangestellt und entwickeln zusammen Ideen einer patientenorientierten Versorgung. Dies ist insofern herausfordernd, als dass es immer mehr ältere, hochbetagte, multimorbide Menschen in Sachsen geben wird, aber immer weniger Personal, das sich um sie kümmert.

Angesichts dessen, dass Sachsen nach der Wende seine Krankenhausstrukturen saniert hat, rechnet Referatsleiter Manzke nicht mit einer Schließungswelle. "Ich gehe davon aus, dass wir unsere 76 Kliniken erhalten können, wenn auch teils mit einem anderen Gesicht", sagt er.

Klinikchef Jonas ist da allerdings nicht so sicher - aus rein finanziellen Gründen. Umfragen zufolge schreiben 70 bis 80 Prozent der Krankenhäuser in Sachsen rote Zahlen. Die Defizite gehen in die Millionen. Ursache sei laut Jonas eine noch aus den Jahren 2022/23 herrührende Unterfinanzierung der Häuser durch Inflation und gestiegene Personalkosten. "Die von der Koalition versprochene Liquiditätshilfe ist erfreulich, wirkt aber nur einmalig. Wir brauchen langfristige Finanzierungssicherheit", so Jonas. Die gewünschte Transformation könne nur mit einer auskömmlichen Finanzierung gelingen.

Zwar hat die neue Bundesregierung zugesagt, dass die 25 Milliarden Euro für den Transformationsfonds nicht, wie von Karl Lauterbach vorgesehen, von den Gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden müssen. Sie sollen aus Infrastrukturmitteln des Bundes kommen. Doch es bleibt dabei, dass die Länder weitere 25 Milliarden Euro zum Krankenhausumbau beisteuern sollen - ab 2026 insgesamt 2,5 Milliarden Euro jährlich. Im bisherigen Entwurf des sächsischen Haushalts für 2025/26 sind als Kofinanzierung des Freistaats aber bislang nur 100.000 Euro für 2026 vorgesehen.

Hinzu kommt, dass die Kliniken seit Jahren beklagen, dass der Freistaat seiner Pflicht zur Finanzierung von Investitionskosten nicht ausreichend nachkommt. "Die Erhöhung des Landesbasisfallwertes als nachträgliche Tarifrate 2024 hilft vielleicht für das kurzfristige Überleben, löst aber den Investitionsstau nicht auf", so Klinikchef Jonas. Referatsleiter Alexander Manzke hofft, dass politisch das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. "Gesundheit und Krankenhäuser haben in der Landespolitik eine hohe Priorität", sagt er.

Keine Sicherheit vor Ende 2026

Skepsis herrscht allerdings auch, ob der bisherige Zeitplan für die Krankenhausreform überhaupt zu halten ist. Viele Fragezeichen gibt es zum Beispiel noch bei der angestrebten sektorenübergreifenden Versorgung. "Die sehe ich bisher nicht", sagt Barmer-Vertreter Uttermann. Dort, wo künftig keine Vollkrankenhäuser mehr existieren, sollen Gesundheitszentren eine wohnortnahe stationäre Grundversorgung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen anbieten. Uttermann: "Es fehlt aber noch an einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung und an einheitlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Qualität und Vergütung." Dabei ist es die größte Angst der Bewohner auf dem Land, dass sie mit der Krankenhausreform von der medizinischen Versorgung abgehängt werden.

Nach jetzigem Plan soll der Freistaat die Leistungsanträge der Krankenhäuser bis spätestens Ende September 2025 an den Medizinischen Dienst übergeben. "Wir haben dann die zusätzliche Aufgabe zu prüfen, ob die Kliniken die Qualitätskriterien der Leistungsgruppen einhalten", sagt Sabine Antonioli, Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Sachsen. Eine entsprechende Bundesrichtlinie dafür werde diesen Freitag erwartet. Im Juli soll auch die nötige IT-Lösung stehen.

Bis 30. Juni nächsten Jahres hat der Medizinische Dienst dann Zeit, die Ergebnisse an den Freistaat zu melden. "Insofern werden wir vor Ende 2026 keine Planungs- und Finanzsicherheit haben", sagt Klinikchef Jonas. Der Koalitionsvertrag räumt zumindest ein, dass 2027 "erlösneutral" für alle Krankenhäuser sein soll, um die neuen Vergütungsregeln zu testen und notfalls nachzujustieren. Bis die Krankenhausreform wirklich greift, ist es also noch ein sehr weiter Weg.