„Mit dieser schwierigen Wirtschaftslage stecken wir in einer Krise“

LVZ, Delitzsch-Eilenburg-Schkeuditz-Taucha

Finanzminister Christian Piwarz (CDU) schwört Sachsen auf schmerzhafte Kürzungen ein. Sparen will er bei Personalkosten, den Minister-Budgets und Förderprogrammen. Nur der Bereich Jugend soll verschont bleiben.

Für Sachsens neuen Doppelhaushalt 2025/2026 fehlen 
derzeit mehr als vier Milliarden Euro. Die Ausgaben steigen viel schneller als die Einnahmen. Im Interview erklärt Finanzminister Christian Piwarz (CDU), welchen Ausweg er aus dieser Situation sieht und welche Sparmaßnahmen er plant.

Herr Piwarz, Sie sind seit vier Wochen Sachsens neuer Finanzminister. Wie viele Rotstifte liegen bereits auf Ihrem Schreibtisch?

Christian Piwarz: Ehrlich, kein einziger. Rot ist zudem nicht die klassische Bürostiftfarbe eines Ministers, auch nicht die des Finanzministers. Obwohl ich natürlich weiß, dass man manchmal wohlüberlegt mit dem Rotstift arbeiten muss.

Da sind wir sofort beim Thema: Für Sachsens neuen Doppelhaushalt 2025/2026 fehlen über vier Milliarden Euro. Wo können, wo wollen Sie im künftigen Etat streichen?

Wir sind in einer schwierigen Situation. Die Steuereinnahmen des Freistaates steigen zwar, aber langsamer, als ursprünglich erwartet. Wichtige Gründe dafür sind die schlechte Konjunktur und die Auswirkungen der gescheiterten Ampelregierung in Berlin.

Wir müssen alles dafür tun, die Wirtschaft zu stärken, denn nur dort werden wir den Großteil unserer Steuereinnahmen für die Zukunft generieren. Deshalb müssen wird die politische Priorität zunächst darauf legen und gleichzeitig schauen, wie wir Bereiche unterstützen können, die uns aus Tradition oder aus Überzeugung wichtig sind.

Warum diese Reihenfolge und nicht gleich auch Hilfen für andere Bereiche?

Dazu – und das ist das größere Problem – steigen unsere Ausgaben viel schneller als die Einnahmen, beispielsweise aufgrund wachsender Personalkosten und enormer Steigerungen bei gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen, wie Sozialausgaben. Das führt zu einer problematischen Schieflage. Die Einnahmen können mit den Ausgaben nicht mehr schritthalten. Deshalb müssen jetzt alle Ressorts gemeinsam gegensteuern, sonst lässt sich das erwähnte Haushaltsdefizit nicht decken.

Das heißt, allein im Etat für das laufende Jahr 2025 müssen rund zwei Milliarden Euro gegenüber dem bisherigen Budget gestrichen werden?

Wir stehen vor einem Übergangshaushalt, der ein Stück diese Richtung vorgeben muss. Klar ist aber, solche Reduzierungen in Eigenverantwortung der Ressorts können nicht von jetzt auf gleich erfolgen. Deshalb soll das in den Koalitionsverhandlungen abgestimmte Deckungskonzept mit verschiedenen Sparelementen umgesetzt werden, um die notwendigen Reduzierungen der Ressorts ein Stück weit abzufedern.

Wir werden unter anderem auf die Haushaltsausgleichsrücklage zurückgreifen und in allen Bereichen Prioritäten setzen müssen.

Selbst, wenn Sie die Rücklagen, die zurzeit noch etwa 1,2 Milliarden Euro betragen, komplett leeren würden, reicht das aber nicht?

Wir werden diese Rücklage als Teil der Konsolidierung nutzen. Das ist gerechtfertigt. Denn sie wird für Krisensituationen gebraucht und die Wirtschaftslage ist eine solche Krise. Daneben greift ein Mix aus Sparmaßnahmen. Die Ressorts 
benötigen aber auch Budgets, damit sie überhaupt Prioritäten setzen können und Entscheidungsoptionen haben. Sonst werden sie durch gesetzliche Leistungen und Personalkosten komplett gebunden.

Seit Jahresanfang dürfen alle Ministerien zum Teil nur noch 30 Prozent ihrer bisherigen Budgets ausgeben. Ist das eine Reduzierung, die künftig auch für die neuen Etats gilt?

Ich will den Haushaltsverhandlungen hier nicht vorgreifen. Zudem gibt es Bereiche, wie Personalkosten oder gesetzlich vorgeschriebene Leistungen, die uns binden. Wichtig ist mir, schnell von diesen vorläufigen Regelungen zu einem neu beschlossenen Haushalt zu kommen, bei dem endgültig feststeht, worauf man sich gemeinsam fokussiert und in welchen Bereichen künftig nicht mehr so viel Geld ausgegeben werden kann. Da wir durch unsere Landesverfassung – übrigens aus guten Gründen – daran gehindert sind, neue Schulden aufzunehmen, müssen wir das Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben auf diesem Weg beheben.

Welche Möglichkeiten außer dem Rotstift und dem Plündern der Spardose gibt es noch?

Ich hatte auf einen Mix an Sparmaßnahmen verwiesen, um nicht einzelne Bereiche einseitig zu belasten. So denken wir darüber nach, unsere jährlichen Einzahlungen in den Beamten-Pensionsfonds um 270 Millionen Euro zu reduzieren. Diese Summe ist aus Sicht des Finanzministeriums gerade noch vertretbar, um diesen wichtigen Generationen-Fonds ausreichend zu stärken und zu füllen. Wir müssen uns auch hinterfragen, ob wir noch jedes Förderprogramm vom Bund oder der EU wie bisher kofinanzieren können oder ob wir dort sparen müssen.

Nicht zuletzt schauen wir auf die rund 6000 unbesetzten Stellen im Landesdienst, für die Personalkosten vorgehalten werden, obwohl sie mangels Bewerber nicht besetzt werden können. Geklärt werden muss, ob und in welchem Umfang wir die hier nicht benötigten Mittel für andere Zwecke nutzen.

Immer wieder wird diskutiert, auch die Bezahlung der Corona-Kredite zeitlich stärker nach hinten zu strecken?

In der Tat haben wir bei unseren Corona-Krediten einen sehr ambitionierten Tilgungsplan. Den könnten wir künftig in einem dreistelligen Millionenbereich über die gesamte Laufzeit anpassen, sodass uns in den kommenden zwei Jahren mehr Geld zur Verfügung steht, als bislang geplant, und der Gesamtkredit am Ende trotzdem pünktlich zurückgezahlt wird.

Sie waren viele Jahre Kultusminister, kennen also die Nöte Ihrer Ressortkollegen. Gibt es da für Sie bei den anstehenden Kürzungen Schonbereiche?

In den Koalitionsverhandlungen haben wir bereits einen Schonbereich klar benannt: den Bereich Jugend. Nach meinem Verständnis betrifft das sowohl den sozialen Aspekt, also, dass junge Menschen gut in unserem Land aufwachsen können, aber eben auch den Bildungsbereich. Und dafür schlägt schon noch mein Herz, und es gilt für mich das bekannte Zitat von John F. Kennedy, wonach nur eines teurer ist als Bildung: nämlich keine Bildung. Dieser Schonbereich sollte damit auch notwendige Lehrerstellen betreffen.

Zu jenen, die auf finanzielle Hilfe drängen, gehören auch Sachsens Kommunen. Kommt für sie das angekündigte 600-Millionen-Euro-Paket und sogar noch mehr?

Ich habe bereits in den ersten Tagen meiner Amtszeit Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt. Mir ist die Lage hinreichend bekannt. Ich weiß, dass die Situation vor allem für die Landkreise sehr angespannt ist, während es in den kreisangehörigen Kommunen darauf ankommt, ob genügend Gewerbesteuereinnahmen vorhanden sind oder nicht. Und wir wissen, dass die Kommunen besondere Finanzlasten zu stemmen haben, weil der Bund viele Leistungsgesetze für sie verabschiedet, ohne vor Ort für eine adäquate Finanzierung zu sorgen. Hier muss sich grundlegend etwas ändern. Wir sind eine Einstands- und Schicksalsgemeinschaft, aber unsere Spielräume im Freistaat sind momentan eben auch limitiert.

Und das erwähnte Hilfspaket?

Zu dem ausgehandelten Hilfspaket will ich stehen. Dieses ist für den Freistaat allerdings auch ein besonderer Kraftakt, und ich hoffe, dass wir damit erst einmal einen Kompromiss mit den Kommunen erzielt haben. Künftig ist vor allem ein klares Umdenken beim Bund nötig: Leistungsgesetze nicht immer wieder hochzuschrauben und das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“.

Aber auch der Freistaat plant mit dem Kita-Moratorium und einem kostenlosen Vorschuljahr Projekte, die die Kommunen teuer zu stehen kommen?

Beides sind in der Tat sehr anspruchsvolle Projekte, die aber im Verlauf der nächsten fünf Jahre geplant sind. Mit den Anstrengungen der gegenwärtigen Haushaltskonsolidierung könnten erste Schritte auf diesem Weg – nach Priorisierung des zuständigen Ministeriums – tatsächlich schon im aktuellen Haushaltsentwurf gegangen werden. Wichtig ist eine enge Abstimmung mit den Kommunen.

Das ist ehrgeizig. Wenn also schon keine Rotstifte, dann braucht es in Ihrem neuen Büro aber sicherlich einen neuen Taschenrechner?

Für einen neuen Taschenrechner besteht nicht zwingend Bedarf. Für die ganz großen Kalkulationen haben wir die Fachleute in unserem Haus, und der Rest geht bei mir auch ganz gut im Kopf.