Neue Gemeinschaftsunterkunft in Torgau?
Eine Presseanfrage erreichte uns zu einer möglichen Unterkunft für Asylsuchende in Torgau und zum Unterbringungskonzept des Landkreises Nordsachsen. Hier die Antworten:
1. Wie steht Ihre Fraktion zu dem Vorhaben?
Nach unserem Verständnis handelt es sich hier zunächst um einen Prüfauftrag, nicht aber um eine endgültige Entscheidung. Diese kann aus Zuständigkeitsgründen nur der Stadtrat Torgau treffen, nicht der Kreistag. Ungeachtet dessen ist das Landratsamt für die Pflichtaufgabe Unterbringung der Asylsuchenden verantwortlich. Da es kaum geeignete kreiseigene Objekte gibt, ist hier eine enge und solidarische Kooperation mit den Städten und Gemeinden zwingend. Uns ist wichtig, dass alle Flüchtlinge unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Aufenthaltsstatus menschenwürdig untergebracht werden. Dies sollte nicht mitten im Nirgendwo, nicht in bruchfälligen Baracken und schon gar nicht kaserniert geschehen, sondern in sanierten Objekten mit zumutbarer Verkehrsanbindung und vernünftiger Infrastruktur. Gegen die Nutzung eines leerstehenden Hotels, welches der Eigentümer in dieser Form nicht weiterbetreiben möchte, spricht prinzipiell nichts.
2. Ist das Vorhaben aus Ihrer Sicht alternativlos und gäbe es Alternativen (z.B. andere mögliche Objekte nutzen/ausbauen, weiterhin dezentrale Wohnungen nutzen, gegen Fehlbelegungen vorgehen etc.)?
Alternativen gibt es immer. Die Frage ist, ob sie der notwendigen Integration der Flüchtlinge und dem sozialen Frieden zuträglicher sind als die Umnutzung des Hotels, und auch, ob sie den Landkreis und damit die Steuerzahler mehr belasten. Prinzipiell bevorzugen wir die dezentrale Unterbringung, die aber bei dem jetzigen Flüchtlingsaufkommen und dem massiven Wohnungsmangel im bezahlbaren Spektrum nur schwer realisiert werden kann. Die vor Jahren angesprochenen Neubauten (Container), die wir als problematische Notlösungen ansehen, wurden nie errichtet. Letztendlich muss der Stadtrat nach Abarbeitung des Prüfauftrags entscheiden, ob es bessere Alternativen gibt.
3. Politisch zeichnet sich ein breiter Konsens ab, die irreguläre Migration zahlenmäßig stark zu begrenzen. Ist es unter diesen Umständen sinnvoll, in eine neue Gemeinschaftsunterkunft zu investieren, für die es möglicherweise bald keinen Bedarf mehr gibt? In dem Strategiepapier des Kreises zur Unterbringung von Flüchtlingen werden drei Szenarien durchgerechnet mit dem Ergebnis, dass die derzeitigen Kapazitäten nicht ausreichen. Müsste man diese Kalkulation ggf. aktualisieren?
Ja, es ist in jedem Fall notwendig und sinnvoll, in ausreichender Anzahl menschenwürdige Unterbringungskapazitäten einschließlich einer gewissen Reserve zu schaffen. Die aktuellen Geschehnisse lassen leider keinen anderen Schluss zu. Es wird weiterhin viele Menschen geben, die zu uns kommen und aus guten Gründen Schutz suchen. Richtig ist, dass die irreguläre Migration begrenzt werden sollte, d. h. dass jeder Staat die Kontrolle darüber haben muss, wer warum kommt und wer geht. Die unlängst beschlossenen Maßnahmen allerdings, von denen wir viele als hochproblematisch, menschenunwürdig und europarechtswidrig ansehen, werden das Problem keinesfalls nachhaltig lösen. Die Historie hat gezeigt: Menschen in Not, egal aus welchen Gründen, werden sich weder durch Mauern noch Grenzzäune noch durch das Mittelmeer davon abhalten lassen, bessere Orte und ein neues Leben zu suchen. Wir wollen das individuelle Grundrecht auf Asyl als zivilisatorische Errungenschaft schützen und widerstreben allen Versuchen, es zu schleifen. Das heißt keinesfalls, dass es offene Grenzen für Jeden und Alle geben kann. Notwendig ist vielmehr eine deutliche Beschleunigung der Anerkennungsverfahren für Asyl, verbunden mit einer Vereinfachung der verwirrenden Vielfalt in Statusfragen. Dies wäre auch ein wirksamer Beitrag, um perspektivisch den Personalmangel in fast allen Bereichen zu beheben.
4. In dem Strategiepapier heißt es zudem, dass keine sozialen Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften zu erwarten seien (Bezug nehmen auf die Erfahrungen in der GU Delitzsch/Spröda). Teilt Ihre Fraktion diese Einschätzung?
So pauschal leider nein. Wenn oftmals Hunderte Menschen aus verschiedensten Ethnien und mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen, meist junge Männer im besten Alter ohne klare Perspektive, ohne ausreichende Sprachkentnisse, ohne Arbeitsmöglichkeiten und sinnvolle Beschäftigung auf engsten Raum ohne Privatsphäre über Monate und Jahre zusammenleben müssen, entsteht ein Nährboden für Konflikte. Hier wäre es sinnvoll , den Kommunen auf unbürokratischem Weg und mit finanzieller Unterstützung des Landes zu gestatten, nach dem Muster der ehemaligen ABM geeignete Arbeitsmöglichkeiten auch für diejenigen zu schaffen, die noch über keinen Aufenthaltsstatus verfügen und die nur mangelhafte Sprachkenntnisse besitzen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur sozialen Integration, würde den Spracherwerb spürbar erleichtern und nicht zuletzt die Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung erhöhen.
5. Dort wird zudem festgehalten, dass bei den betroffenen Anwohner von GUs um Akzeptanz geworben werden soll. In Torgau gab es diesbezüglich Kritik. Ist die Information der Bevölkerung in diesem Fall aus Ihrer Sicht ausreichend?
Nein! Auch wenn der Prüfvorgang noch läuft und die endgültige Entscheidung aussteht, ist es bedauerlich, dass das Landratsamt aus den Vorgängen in Eilenburg (Schanzberg), Strelln (ehemaliges Muni-Lager) und Laußig keine Schlussfolgerungen gezogen hat. Um Gerüchten und Falschinformationen, ja leider auch Hass und Hetze wirksam entgegenzutreten, ist unbedingt eine präventive statt einer nachholenden Informationspolitik nötig. Die betreffenden Bürgermeister, aber auch die Stadt- und Kreisräte sollten bereits bei den ersten Gedankengängen und nicht erst kurz vor vollendeten Tatsachen einbezogen werden. Nur so lassen sich Akzeptanz und gutes Zusammenleben in der Stadtgesellschaft erreichen.
6. Wie schätzen Sie das Verhältnis von Kosten/Nutzen ein, sowohl im Hinblick auf die Investitionen und die laufenden Folgekosten? Sehen Sie eventuell finanzielle Risiken?
Dazu können z.Zt. noch keine soliden Angaben gemacht werden. Hier sind die Beratungen in den Fachausschüssen des Kreistags und des Torgauer Stadtrats abzuwarten.