Neues Wohngeld: Sachsens Sozialämter völlig überlastet

Torgauer Zeitung

Mit der Reform soll mehr Menschen geholfen werden. In der Praxis führen die vielen Anträge zu monatelangen Wartezeiten für die Betroffenen.

(Dazu haben die LINKE in Nordsachsen und LeipzigAnfragen gestellt)

Die sächsischen Sozialämter kommen mit der Bearbeitung von Wohngeld-Anträgen nicht hinterher. Aufgrund einer zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Reform haben sich die Fallzahlen etwa verdreifacht, hat eine LVZ-Umfrage in den Kommunen ergeben. Trotz erheblicher Personalaufstockungen gibt es aktuell einen Rückstau – deshalb müssen Hilfsbedürftige monatelang auf ihre Unterstützung warten. Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Mischa Woitscheck, spricht angesichts der Antragsflut von deutlich gestiegenen Personal- und Sachkosten bei den 31 Wohngeldstellen: „Wir schätzen diese jährlichen Mehraufwendungen auf 20 bis 30 Millionen Euro.“ Auch die Sozialdezernentin von Nordsachsen, Heike Schmidt, sagt: „Die Umsetzung der Wohngeldreform des Bundes bedeutet für die kommunale Ebene eine enorme Kraftanstrengung.“ 

Wohngeld wird als Zuschuss an Haushalte gezahlt, deren Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherung liegt. Der Anspruch hängt von verschiedenen Komponenten wie dem Einkommen oder der Haushaltsgröße ab und muss jeweils im Einzelfall berechnet werden. Mit der Reform haben seit Jahresbeginn mehr Menschen einen Anspruch auf Hilfe. Auch der Betrag steigt: von durchschnittlich 180 Euro pro Monat auf etwa 370 Euro. Hinzu kommt eine neue Heizkostenkomponente von zwei Euro je Quadratmeter. Wer bereits Wohngeld bezieht, muss keinen gesonderten Antrag für die höheren Leistungen einreichen. Die Zahlungen werden vom Bund übernommen. Die Landkreise und Städte tragen jedoch die Bearbeitungskosten.

Allein Leipzig hat 30 zusätzliche Stellen geschaffen, für die Personal- und Sachkosten von jährlich 2,3 Millionen Euro veranschlagt werden. Dresden plant eine Aufstockung um 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Vergleich zum Herbst hat die Wohngeldstelle bereits 36 Beschäftigte mehr. Die Entwicklung ist überall ähnlich: Dennoch ächzen die Wohngeldstellen unter dem Ansturm. „Das Prozedere ist für viele Antragsteller zu kompliziert, umfangreich und bürokratisch. Zudem müssen die Bürger so viele Unterlagen einreichen, dass oft zwei bis drei Nachforderungen notwendig sind“, erklärt eine Sprecherin des Landkreises Leipzig . Hier haben sich schon 2400 unbearbeitete Fälle angesammelt und wird mit einer Wartezeit von acht Monaten gerechnet. Üblich waren in Sachsen bislang etwa vier Wochen. „Das Geld wird rückwirkend gezahlt“, wird deshalb klargestellt. Auch andernorts türmen sich die Aktenberge. Beispielsweise sind in Dresden 7860 der seit Jahresbeginn 8160 eingereichten Fälle noch offen. In Leipzig gingen in den ersten beiden Monaten rund 9000 Anträge ein, von denen jeder Einzelne durchschnittlich 94 Tage benötigen wird – „das könnte sich noch verlängern“, heißt es aus dem Sozialamt. Die LVZ-Umfrage ergab, dass die Kommunen mit Bearbeitungszeiten von mindestens drei bis fünf Monaten rechnen.

Eine Konsequenz ist, dass etliche Ämter ihre Sprechzeiten reduzieren. „Bitte verzichten Sie vorerst auf persönliche, telefonische und E-Mail-Nachfragen zum Bearbeitungsstand“, heißt es etwa in Dresden. Um die Bearbeitung zu vereinfachen, bieten inzwischen 21 der 31 Wohngeldstellen neben dem Papierformular einen Online-Antrag an – „das empfehlen wir“, wird in Leipzig geraten. Den Digitalservice gibt es unter anderem auch in Dresden, Grimma, Döbeln und Delitzsch sowie in Mittelsachsen, Bautzen und Nordsachsen. Der Antrag steht über die Internetseite der Stadt oder des Landkreises und über www.amt24.sachsen.de zur Verfügung (unter „Aktuelles“).