Ein Flickenteppich an Förderstrategien
Von 500 Milliarden Euro Infrastruktur-Sondervermögen geht ein Fünftel an die einzelnen Bundesländer. Wofür wollen sie es jeweils ausgeben? Die Antworten sind sehr unterschiedlich und oft verschwommen. Sachsen sieht dagegen klare Auflagen vor: Über 36 Prozent seines Anteils können Städte und Gemeinden frei verfügen, während sie weitere 23 Prozent nach Vorgaben des Landes investieren müssen. Die große Frage ist dabei, ob und inwieweit tatsächlich zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur erfolgen, oder aber, ob bereits bestehende Fördertöpfe und Landesprogramme auf das Sondervermögen umgestellt swerden.
Ein Flickenteppich an Förderstrategien
Berlin.
Für die klammen Städte und Gemeinden klingt es wie eine Verheißung: Mit einem schuldenfinanzierten 500 Milliarden-Euro-Sondervermögen will die Bundesregierung Deutschlands Infrastruktur sanieren – von maroden Schulgebäuden bis zu bröckelnden Brücken. Doch die Sache hat zwei Haken für die Kommunen: Erstens gibt der Bund nur 100 der 500 Milliarden weiter an Länder, Städte und Gemeinden – und das zudem gestreckt über zwölf Jahre. Und zweitens sind es die Landesregierungen, die darüber entscheiden, wie viel von dem Geld tatsächlich vor Ort ankommt.
Schon jetzt ist klar: Das wird zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Wie eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) ergab, kommt auf Deutschland ein Flickenteppich an Förderstrategien zu. Und nicht nur das sehen Kommunen und Rechnungshöfe kritisch.
Das meiste Geld bekommt NRW
Die Verteilung an die Länder folgt dem „Königsteiner Schlüssel“, der sich nach Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl richtet. Am meisten profitiert Nordrhein-Westfalen mit 21,1 Milliarden Euro, gefolgt von Bayern (15,7 Mrd.) und Baden-Württemberg (13,1 Mrd.). Schlusslicht ist Bremen mit 900 Millionen Euro.
Die meisten Länder wollen das Geld ab 2026 tatsächlich überwiegend den Kommunen zur Verfügung stellen. RND-Anfragen bei allen 16 Ländern ergaben, dass sieben davon planen, rund 60 Prozent ihres Anteils weiterzugeben und die restlichen 40 Prozent für Landesprojekte einzusetzen.
Für den Deutschen Landkreistag ist die Aufteilung dennoch falsch: Das für die Kommunen vorgesehene Geld sei „viel zu wenig, um das Rekorddefizit der Kommunen strukturell zu lösen“, erklärte der zuständige Beigeordnete Matthias Wohltmann. Es bremse den aktuellen Einbruch der Investitionen lediglich ab, schaffe aber keine Trendwende.
Zu den Ländern, die einen größeren Brocken weiterreichen, zählen Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen: Stuttgart will zwei Drittel an Gemeinden und Landkreise weiterreichen; Düsseldorf rund 68 Prozent. Auch im Saarland gehen 66,3 Prozent des Anteils – fast 782 Millionen Euro – an die Kommunen; allerdings mit Auflagen: 44 Millionen Euro sind für den Städtebau reserviert, 113,5 Millionen für die Sanierung kommunaler Schwimmbäder, wie eine Sprecherin dem RND sagte.
Kritik an bayerischem Kniff
Bayern will dagegen flexibel bleiben – und kündigt statt einer festen Quote für die gesamte Laufzeit einen kommunalen Anteil von „60 bis 70 Prozent“ an. Für 2026 sind 3,9 Milliarden Euro für die Kommunen vorgesehen.
Ein bayerischer Kniff, den auch andere Länder anwenden, sorgt dabei für Kritik: Der Freistaat steckt Teile des Sondervermögens in schon existierende Fördertöpfe, etwa für Krankenhausinvestitionen. Auch andere Länder „haben die Finanzierung bestehender Programme vom Landeshaushalt auf das Sondervermögen umgestellt“, kritisiert Matthias Wohltmann vom Landkreistag. Die Landesrechnungshöfe mahnen ebenfalls: Ursprünglich sollten die Mittel nur für zusätzliche Investitionen verwendet werden.
Während Thüringen, Bremen und Hessen auf RND-Anfrage noch gar keine Angaben zur Aufteilung der Sondermittel machen konnten, gibt es vor allem im Osten schon konkrete Ideen:
■ Brandenburg will rund 500 Millionen Euro – etwa 17 Prozent seines Anteils – in Gesundheitsversorgung und Digitalisierung stecken.
■ Mecklenburg-Vorpommern setzt sowohl auf Landes- als auch auf Kommunalebene einen Schwerpunkt bei der Cybersicherheit.
■ Sachsen-Anhalt überlässt 60 Prozent seines Anteils den Kommunen - ohne zusätzliche Vorgaben.
■ Sachsen sieht dagegen klare Auflagen vor: Über 36 Prozent seines Anteils können Städte und Gemeinden frei verfügen, während sie weitere 23 Prozent nach Vorgaben des Landes investieren müssen.
Zudem gibt es eine sächsische Besonderheit: Ein Teil des Sondervermögens soll nicht nur in Straßen, Bildung oder Klimaschutz fließen, sondern auch in die Olympia-Bewerbung. Als Teil des Konzepts „Berlin+" gelten vor allem Leipzig und der Kanupark Markkleeberg als potenzielle Austragungsorte.
Auch Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben sich auf diese einfache Aufteilung geeinigt: 60 Prozent für die Kommunen. Rheinland-Pfalz will auf Landesebene in Hochschulen und Wissenschaftsinfrastruktur investieren.
Schleswig-Holstein plant vor allem Geld für Verkehrsinfrastruktur sowie soziale Projekte wie Frauenhäuser. Niedersachsen will endgültig im November über seinen Haushalt entscheiden. Der Entwurf sieht vor, dass 60 Prozent an die Kommunen, 40 Prozent an das Land gehen. Rund die Hälfte des Sondervermögens will das Land als frei verfügbare Pauschale einsetzen.
Nur die Stadtstaaten Hamburg und Berlin müssen keine Verteilung zwischen Land und Kommunen vornehmen. Berlin diskutiert derzeit noch über konkrete Projekte. Nach Informationen des „Tagesspiegels“ steht im Raum, bis zu 2 Milliarden Euro in Baumpflanzungen zu investieren – das würde jedoch den Berliner Rahmen von 5,2 Milliarden Euro über zwölf Jahre sprengen.
