Niedriglöhne sind im Osten weiter stark verbreitet
Bundesregierung legt Studie zu den Lebensverhältnissen vor. In 27 von 38 Punkten nähern sich die Regionen an. Knackpunkt bleiben die Einkommen.
Regionen mit schrumpfender Bevölkerung stehen laut einem Bericht der Bundesregierung zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse aktuell vor großen Herausforderungen. Der am Mittwoch vom Kabinett beschlossene mehr als 220 Seiten starke Gleichwertigkeitsbericht 2024 zeigt laut Bundesregierung jedoch auch, dass die Unterschiede zwischen den Regionen bei einer Mehrheit der untersuchten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Indikatoren in den vergangenen Jahren abgenommen haben. Zudem wurden 31 000 Interviews dazu geführt, wie die Menschen selbst die Lage einschätzen. Die Ampel-Regierung betont, in dieser umfassenden Form sei man diesen Fragen bislang nicht nachgegangen.
Demnach nähern sich 27 von insgesamt 38 Gleichwertigkeitsindikatoren an. Zu diesen zählen das kommunale Steueraufkommen, die Arbeitslosenquote, die Zahl der Straftaten, die Geburtenrate und Lebenserwartung, die Erreichbarkeit eines Supermarkts und der Anteil der Waldfläche an der Gesamtfläche der 400 Kreise und kreisfreien Städte.
Große Unterschiede bei Fachkräften und Einkommen
Weiter auseinander entwickelt haben sich die Regionen dagegen, was den Anteil von Fachkräften und Experten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angeht. Auch bei der Wohngebäudedichte, dem Verhältnis von Kindern zu Kitaplätzen, dem Anteil der Einpersonenhaushalte und dem Altenquotienten wuchsen die Differenzen.
Besonders deutlich werden die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland beim Einkommen von Vollzeitbeschäftigten. Vor allem in den ostdeutschen ländlichen Regionen ist der untere Lohnbereich verbreitet. Zum Teil gilt das auch für strukturschwache Gebiete im Westen und Norden des Landes. Die Grenze für den unteren Entgeltbereich liegt bei 2431 Euro. Je nach Region gehören 20 bis 40 Prozent der ostdeutschen Vollzeitbeschäftigten zu dieser Einkommensgruppe. In den meisten westdeutschen Gebieten liegt dieser Wert unter 20 Prozent. Dagegen verdienen Frauen im Osten gleich viel oder mehr als Männer. In diesem Punkt geht die Schere im Westen deutlich auseinander. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: Im Osten sei die wirtschaftliche Entwicklung derzeit stärker als im Westen. Und doch sei die wahrgenommene Wirklichkeit manchmal eine andere. Erklären lasse sich das nicht einfach. „Der Bericht hat keinen Psychologieteil“, sagt der Minister. Er verweist auf die historischen Erfahrungen von Strukturwandel und Arbeitsplatzverlust. Innenministerin Nancy Faeser (SPD): „Die Menschen sind krisenmüde.“
Hohe Förderquote für struturschwache Ost-Regionen
Veröffentlicht werden zudem regionale Daten zum Gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen (GFS), das seit 2020 Kern der Gleichwertigkeitspolitik der Bundesregierung ist. Den Angaben zufolge lag das GFS-Fördervolumen 2022 bei 4,2 Milliarden Euro. Knapp mehr als die Hälfte der Mittel sei 2022 in den ostdeutschen Kreisen eingesetzt worden.