Pflegebedürftige in Sachsen scheuen zunehmend den Gang ins Heim

Leipziger Volkszeitung

Die Zahl der Betroffenen, die zu Hause betreut werden, wächst. Ein Grund sind enorm gestiegene Kosten. Gesucht wird aber weiter Pflegepersonal. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse soll vereinfacht werden.

 

Dresden. Immer mehr Pflegebedürftige in Sachsen werden zu Hause betreut. Zwischen 2017 und 2023 stieg die Zahl der Pflegegeldbezieher im Freistaat um rund 92 Prozent auf mehr als 145.000 Menschen, wie aus dem aktuellen Barmer-Pflegereport für Sachsen hervorgeht. Unter Pflegebedürftigen mit dem Pflegegrad zwei und drei lag der Anstieg bei den Sächsinnen und Sachsen im selben Zeitraum bei mehr als 100 Prozent.

Die Landeschefin der Barmer in Sachsen, Monika Welfers, sagte, „keine andere Pflegeleistung verzeichnet im Freistaat einen so starken Zuwachs bei der Inanspruchnahme wie das Pflegegeld“. Das sei ein Zeichen dafür, dass viele Menschen zu Hause gepflegt werden. Dabei würden mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen von den Angehörigen betreut, oft mit Unterstützung von Pflegediensten.

Wegen gestiegener Kosten entschieden sich die Menschen immer seltener für eine Pflege im Pflegeheim. So sank die Zahl der Menschen für eine vollstationäre Pflege mit Pflegegrad zwei zwischen 2017 und 2023 um 17 Prozent auf knapp 5.000.

Ein Grund für die Zurückhaltung seien die dynamisch steigenden Pflegeheimkosten, sagte die Barmer-Chefin. Die Eigenbeteiligung für Pflegeheime in Sachsen stieg demnach zwischen 2018 und 2024 um 126 Prozent. Im Januar 2025 lag sie bereits knapp bei 3.000 Euro pro Monat.

Gründe für die Kostensteigerungen sind laut Welfers nicht nur die Tariflohnerhöhungen für Pflegekräfte. Das Land Sachsen müsse seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Übernahme der Investitionskosten nachkommen. Dann wären die Kosten für einen Pflegeheimplatz um rund 430 Euro im Monat geringer.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) fordert daher, den Eigenanteil für einen Pflegeheimplatz auf 1.000 Euro monatlich zu begrenzen. Die SPD-Politikerin sagte vor kurzem dem MDR, dass es für eine solche Deckelung jedoch einen gesellschaftlichen Konsens brauche, auch weil die Pflegeversicherung dann teurer werde.

„Wir müssen uns als Gesellschaft dazu verständigen, was uns die Pflege wert ist“, sagte Köpping. Parallel zu einer Deckelung für Betroffene müssten Pflegekräfte gut bezahlt werden. Von einer neuen Bundesregierung forderte Köpping rasch ein neues Pflegegesetz. Dies sei eine der ersten Aufgaben. „Wir brauchen Grundlagen dafür, wie hoch die Pflegekosten in einer Pflegeeinrichtung steigen dürfen“, sagte die SPD-Politikerin. Laut Köpping wird Sachsen im Jahr 2030 bezogen auf das Durchschnittsalter das Bundesland mit der ältesten Bevölkerung in Deutschland sein.

Sachsen sucht zudem auch händeringend nach Pflegepersonal und richtet dabei den Blick auch ins Ausland. Die Gesundheitsministerin drängt nun auf mehr Tempo bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. „Es muss unser Ziel sein, Anerkennungsverfahren einfacher, schneller und effektiver auszugestalten, ohne die Patientensicherheit zu gefährden“, sagte Köpping. Man brauche aber auch die Gewähr, dass nur hinreichend qualifiziertes Personen die Anerkennung erhalte.

„Der zunehmende Fachkräftemangel ist eine riesige Herausforderung für das gesamte Gesundheitswesen. Damit die Menschen überall in Sachsen auch in Zukunft bestmöglich pflegerisch versorgt werden können, brauchen wir stabile Ausbildungszahlen in den Pflegeausbildungen und dürfen auch nicht die bereits in der Pflege tätigen Personen aus dem Blick verlieren“, betonte die Ministerin. Man könne es sich nicht leisten, auf Pflegefachkräfte aus dem Ausland zu verzichten. Für viele von ihnen sei es häufig ein langer Weg, bis sie die erforderliche Berufserlaubnis in den Händen hielten. Das Verfahren zur Anerkennung sei dabei nur eine Hürde, die es zu überwinden gelte. Köpping hatte sich vor gut einem Jahr selbst auf die Reise gemacht, um Pflegekräfte in Brasilien für eine Arbeit in Sachsen zu gewinnen. Unlängst besuchte sie in einer Einrichtung in Pulsnitz junge Menschen aus dem südamerikanischen Land, die momentan eine Qualifizierung machen und hier arbeiten wollen.

Auch die Linken im Landtag halten mehr Bemühungen um Pflegekräfte für notwendig. „Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird auch in Sachsen rasant ansteigen. Alle sollen in Würde altern. Das erfordert nicht nur bezahlbare Eigenanteile, die niemanden zum Sozialfall machen, sondern vor allem genug kompetentes Personal in den Heimen und bei Pflegediensten“, erklärte Linke-Chefin Susanne Schaper. Offensichtlich gelinge es trotz teurer Anwerbe-Programme kaum, qualifizierte Leute aus dem Ausland zu gewinnen.

Schaper hatte unlängst eine Kleine Anfrage im Parlament zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Jahr 2023 gestellt. Aus den Zahlen ging hervor, dass von 495 Anerkennungsverfahren in dem betreffenden Jahr 420 abgeschlossen und 30 genehmigt wurden. Betroffene können damit sofort in dem Beruf arbeiten. Wie viele inzwischen davon nach einer Qualifizierung eine Anerkennung erhielten, blieb offen. Die Arbeitsagenturen helfen durch passende Förderangebote.

„Die Schlussfolgerung kann nur lauten: Wir müssen mehr Menschen qualifizieren, die schon in Sachsen leben. Dabei muss es auch um soziale Kompetenz geben, Fachkompetenzen lassen sich erlernen“, argumentierte Schaper. Auch bei derzeit erwerbslosen oder bei zugewanderten Menschen gebe es sicher ein Potenzial.

Im Sinne des Patientenschutzes ist der Zugang zu Gesundheitsberufen an besonders hohe Voraussetzungen geknüpft. Das gilt sowohl für inländische wie für ausländische Absolventen. Neben einer erfolgreich absolvierten Ausbildung müssen sie die erforderlichen Deutschkenntnisse, eine gesundheitliche Eignung und die moralische Zuverlässigkeit (Führungszeugnis) vorw

„Wir wissen, dass Berufsanerkennungen sorgfältig geprüft und auf unsere Standards hin bewertet werden müssen. Das braucht Zeit. Aber je schneller diese Berufe anerkannt und die ausländischen Fachkräfte in Arbeit gebracht werden, umso schneller erhalten auch die Menschen und Einrichtungen in Sachsen dringend benötigte Hilfe oder Unterstützung“, sagt mit Nachdruck Klaus-Peter Hansen, Chef der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen.

Nach Angaben der Arbeitsagentur sind von den rund 3.500 Berufen in Deutschland etwa 280 reglementiert. Dazu gehören auch Gesundheits- und Pflegeberufe. Bei reglementierten Berufen sind die Tätigkeiten rechtlich geschützt. Neben einer bestimmten Qualifikation sind häufig weitere Voraussetzungen für die Berufszulassung erforderlich. Bei Pflegeberufen ist in Sachsen der Kommunale Sozialverband zuständig.