Praxen ohne Ärzte? Sachsen sucht dringend Ideen gegen Mediziner-Mangel

Torgauer Zeitung

Die geringe Versorgung mit Hausärzten ist besonders auf dem Land besorgniserregend. Ein Gutachten sieht großen Handlungsbedarf und macht Vorschläge, um die Misere zu lindern.

Der Befund ist nicht neu, aber Besserung ist so bald nicht in Sicht. Vielerorts in Sachsen gibt es zu wenige Ärzte. In drei von 48 sogenannten Planungsregionen kommt es bereits zu Engpässen, in 32 Regionen droht die Unterversorgung.

Ein von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in Auftrag gegebenes Gutachten, das am Montag vorgestellt wurde, sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Hausarztversorgung im Freistaat.

Die Daten, die das Zentralinstitut der kassenärztlichen Versorgung in Deutschland erhoben hat, weisen ein deutliches Stadt-Land-Gefälle aus. So sind die Großstadt-Regionen Leipzig und Dresden vergleichsweise angemessen versorgt. Dort hat der Landesausschuss, ein Gremium aus Vertretern der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen, keine Versorgungsmängel festgestellt.

Drohender Hausärztemangel wird dagegen einem Großteil der ländlichen Gegenden, aber auch Chemnitz attestiert. Die am schlechtesten versorgten Regionen sind Torgau, Werdau und Reichenbach.

In die Erhebung ist eine Vielzahl an Daten eingeflossen. So etwa die Arztdichte im Verhältnis zur Einwohnerzahl, ebenso die Frage, ob Ärzte auch Patienten aus anderen Regionen behandeln, und die Wegstrecken zu den Arztpraxen.

Die Erhebung berücksichtigt zudem das Alter der Mediziner. Rund ein Drittel aller Hautärzte, Kinderärzte, Hausärzte und Fachinternisten sind 60 Jahre und älter. In einigen Regionen Sachsens sind mehr als die Hälfte der Ärzte mindestens 55 Jahre alt und benötigen mittelfristig einen Nachfolger.

Das Gutachten richtet sich vor allem an die Fachwelt und soll Entscheidungshilfe für Politiker sein. Es listet Handlungsoptionen auf.

Dazu zählen der Ausbau von Medizinstudienplätzen und die Förderung von Ärzten, die sich auf dem Land niederlassen wollen. 2023 flossen dafür vom Landesausschuss fast 14 Millionen Euro, der Großteil an Hausärzte. Für die Weiterbildung von mehr als 500 Medizinern gab es fast 20 Millionen Euro von Kassen und der kassenärztlichen Vereinigung. Angestrebt wird, dass künftig Weiterbildungspraxen ein Startkapital erhalten.

Das Gutachten behandelt auch die stärkere Einbeziehung medizinischer Fachkräfte, die keine Ärzte sind. Dabei kann es sich zum Beispiel um Arzthelferinnen und Pfleger handeln. Sie bilden sich fort zu nicht-ärztlichen Praxisassistenten, die Hausbesuche übernehmen oder Verbände wechseln können. Eine Idee ist, dass sie in einer sogenannten Versorgerpraxis arbeiten, in der gar kein Arzt mehr anwesend ist. Sie halten aber engen Kontakt zu einer Kooperationspraxis mit Mediziner. In Ostsachsen soll demnächst ein solches Modellprojekt beginnen.

Zur Entlastung von Hausärzten empfehlen die Gutachter auch die Einbeziehung sogenannter Physican Assistants. Diese können zum Beispiel impfen oder die Erstuntersuchung bei grippalen Infekten übernehmen.

Auch der Ausbau der Telemedizin ist ein Thema. In Löbau-Zittau wurden Hausärzte mit Technik ausgestattet, um Bilder von der Haut von Patienten zu machen. Die Daten wurden an Fachärzte übermittelt die wiederum den Hausärzten in Ostsachsen Hinweise zu Behandlung gaben. Der Großteil (96 Prozent) von mehr als 1.700 Patienten konnten so abschließend in den Hausarztpraxen in Löbau und Zittau behandelt werden, 71 wurden in Fachpraxen überwiesen. Das Verfahren soll nun in weiteren sächsischen Regionen etabliert werden.

Ministerin Köpping sieht zwar den Handlungsbedarf, betont aber, der Freistaat habe bereits Abhilfe geschaffen. „Die Menschen werden älter und haben zugleich andere Anforderungen an die medizinische Versorgung“, sagte sie. Mancherorts bekämen Patienten trotz eines Versorgungsgrades von 100 Prozent zeitnah keinen Termin. Die Sicherstellung medizinischer Leistungen bleibe eine Daueraufgabe.