Rufbus „Flexa“ im Praxistest: „Gutes Angebot, aber ausbaufähig“
Das neue System hat Potenzial, aber es gibt noch Schwachstellen. Fehlende Bekanntheit, technische Hürden und eingeschränkte Betriebszeiten trüben das Bild.
Nordsachsen. Mit dem flexiblen Rufbussystem „Flexa“ will der Landkreis Nordsachsen den öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum stärken – unabhängig von festen Fahrplänen oder Linienwegen. Doch auch wenn das Angebot für viele eine echte Hilfe sein kann, zeigen Erfahrungsberichte: Es hakt noch an einigen Stellen.
„Das ist ein supergutes Angebot. Ich habe das Rufbussystem ‚Flexa‘ schon einige Male genutzt. Es hat aber noch Ecken und Kanten. Ich denke, es ist ausbaufähig“, sagt Pia-Katrin Möllmer.
Wie funktioniert
das Rufbussystem „Flexa“?
Die Klitzschenerin denkt vor allem an ältere Menschen ab 70, die meist kein Smartphone haben. Sie selbst nutzt lieber das Telefon, um „Flexa“ zu buchen. „Oft bin ich schon allein an der Verbindung gescheitert.“ Zudem hat sie weitere Probleme mit dem vor etwa einem halben Jahr eingeführten Rufbussystem „Flexa“ festgestellt.
Was ist „Flexa“? Bei Recherchen in kleinen Orten rund um Torgau und Oschatz zeigte sich, dass viele Bürger das Angebot noch nicht kannten. Unabhängig vom Liniennetz oder festen Fahrplänen holt „Flexa" Menschen an der Haltestelle an einem Ort ab und bringt sie zur gewünschten Ziel-Haltestelle oder zu einem Umsteigepunkt für die Weiterfahrt mit anderen Verkehrsmitteln.
So kommen Menschen zügig an ihr Ziel. Voraussetzung ist, dass es 30 Minuten vor oder nach der gewünschten Fahrt keine fahrplanmäßige Linienverbindung mit dem Bus oder der Bahn gibt, Start und Ziel weniger als einen Kilometer oder mehr als 25 Kilometer entfernt liegen.
Die Flexa-Busse sind täglich im Gebiet des Altkreises Torgau-Oschatz von 5 bis 21 Uhr und im übrigen Kreisgebiet zwischen 5 und 24 Uhr nutzbar, auch an den Wochenenden und Feiertagen. Zusätzlich zu den festen Haltestellen stehen 45 weitere Haltepunkte zur Verfügung. „Flexa“ fährt im ganzen Landkreis. Die Fahrten gibt’s ohne Aufpreis zum herkömmlichen MDV-Tarif oder mit dem Deutschlandticket. Die Mitnahme von Kinderwagen und zusammenklappbaren Rollstühlen sowie das Bereitstellen einer Sitzerhöhung für Kinder ist jederzeit möglich.
Gebucht werden kann über die MDV-App „MOOVME“ oder auf der Internetseite www.nordsachsen-mobil.de. Wer lieber telefonisch eine Fahrtbestellung aufgeben möchte, kann das montags bis freitags in der Zeit von 7 bis 16 Uhr über die Rufnummer 03435 906096 tun. Bestellungen sind bis 60 Minuten vor der gewünschten Fahrt möglich.
Pia-Katrin Möllmer sieht „Flexa besonders“ in den Ferien, wenn keine Schulbusse fahren, als gute Alternative im ländlichen Raum. Sie würde es gern noch häufiger nutzen.
„Ich gehe regelmäßig zum Rehasport in Torgau. Hin komme ich, aber zurück nicht, da in unserer Region der Rufbus nur bis 21 Uhr genutzt werden kann“, erklärt sie. Auch zur abendlichen Chorprobe in Schildau würde sie mit ihren Gesangsfreundinnen von Klitzschen nach Schildau gern fahren. Auch hier sei dann die Rücktour nicht möglich. „Schade, da müssen wir das Auto nutzen, statt etwas für die Umwelt zu tun“, sagt sie. „Das Angebot ist vielen nicht bekannt. Das habe ich in den letzten Wochen immer wieder bei uns im Ort gemerkt oder auch in Gesprächen mit Bekannten in anderen Dörfern. Es müsste viel mehr dafür geworben werden.“
Eine Rufbusnutzerin im Altkreis leidet unter der 21-Uhr-Regelung. „Wir kamen spät aus dem Urlaub an und mussten Bekannte nachts wecken, weil nach 21 Uhr kein Bus mehr fährt. Warum gibt es keine einheitliche Regelung im Landkreis, wo wir alle Steuern zahlen?“, fragt sie. Viele in ihrem Umfeld würden gern Veranstaltungen in Torgau besuchen, tun es aber wegen der Heimfahrt nicht.
Sie hat sich überlegt, Fahrten besser zu nutzen, zum Beispiel durch eine Sammelfahrt für Ältere an einem festen Tag, ähnlich dem Arzberger Bürgerbus. Das wäre effizienter als mehrere einzelne Fahrten mit „Flexa“.
Auch in Dörfern der Dahlener Heide ist der Rufbus vielen Menschen nicht bekannt. „Ich würde das auch nutzen“, sagt ein Senior und hat gleich einen Vorschlag, wie man für „Flexa“ werben könnte: mit Telefonnummer und kurzen Buchungsbedingungen neben den Fahrplänen an den Haltestellen in den Dörfern.
In einem anderen Ort erzählt eine Frau, dass am Wochenende kein Bus fahre. „Jetzt habe ich von ‚Flexa‘ gehört und werde das bestimmt nutzen. Nach Torgau ins Krankenhaus, Bekannte besuchen oder zu einer Freundin in einem Seniorenheim am Sonntag zum Kaffee fahren – das wird jetzt für mich wieder leichter. Und ich muss niemanden betteln, der mich fährt“, sagt Helene Franke.
Wie wird „Flexa“ in Landkreis angenommen? „Mit derzeit über 80 Fahrten pro Tag kommen wir an die Kapazitätsgrenze dessen, was vom Personal- und Fahrzeugeinsatz her machbar ist. Deshalb prüfen wir gerade, inwieweit wir sowohl Personal als auch Fahrzeuge aufstocken können“, sagt Matthias Neumann, Leiter Markt bei Nordsachsen mobil. Hier seien die Spielräume jedoch begrenzt. Einerseits von den finanziellen Möglichkeiten als auch davon, „ob wir geeignetes Personal finden. Gelingt uns eine Aufstockung der Kapazitäten, dann werden wir damit zunächst die derzeit existierenden Leistungsspitzen abdecken, um Fahrtablehnungen infolge fehlender Kapazitäten zu vermeiden“, so Neumann.
Nachfrage im Raum Schkeuditz besonders hoch
Die Nachfrage ist besonders hoch von Montag bis Freitag frühmorgens und nachmittags sowie an Wochenenden vom Nachmittag bis zum frühen Abend. „Bei einer Aufstockung setzen wir hier zuerst an. Späte Abendstunden sind derzeit wegen geringer Nachfrage und begrenzter Ressourcen weniger prioritär“, sagt Neumann.
Im Moment stehe für „Flexa“ ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung, weitere Fahrten würden durch Dienstleister wie Taxi-Unternehmen im Auftrag geleistet. Im Raum Schkeuditz gebe es momentan den größten Aufstockungsbedarf. „Dort ist die Nachfrage mitunter höher, als wir durch Fahrzeuge abdecken können“, so Neumann.