S-Bahn Beilrode-Torgau, Antwort des Landrats auf unsere Nachfrage
Erst gestern hieß es, dass sich jeder dritte vom Nahverkehr abgehängt fühlt, gerade im ländlichen Raum. Dass ein Wegfall der S-Bahn-Verbindung S4 zwischen Beilrode und Torgau geplant ist, passt da negativ ins Bild. Wir hatten beim Landrat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des zuständigen Zweckverbandes ZVNL (Zentraler Nahverkehrsraum Leipzig) nachgefragt. Hier seine Antwort:
Sehr geehrter Herr Dr. Friedrich,
bezugnehmend auf Ihre Anfrage vom 02. Oktober 2024 erlaube ich mir zunächst auf meine E-Mail vom 02.10.2024 und den darin enthaltenen Link sowie unser hierzu geführtes Telefonat zu verweisen. Im Übrigen beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
1. Welche betriebswirtschaftlichen Überlegungen haben den ZVNL zu dem Beschluss geführt, ab dem Jahr 2026 im gesamten S-Bahn-Netz von Mitteldeutschland zu gravierenden Änderungen zu greifen, die erfreulicherweise vielerorts zu neuen Verbindungen und besseren Taktungen führen, im Fall von Ostelbien aber einen klaren Leistungsabbau bedeuten?
Die Leistungen im Mitteldeutschen S-Bahnnetz (MDSB) müssen in regelmäßigen Abständen neu ausgeschrieben werden. Der abzuschließende MDSB2025plus-Verkehrsvertrag, der auch die Linie S4 von und nach Torgau umfasst, hat eine Laufzeit von 12 Jahren und gilt somit von Dezember 2026 bis Dezember 2038.
Die hierfür verfügbaren finanziellen Mittel bestehen ausschließlich aus den Regionalisierungsmitteln, die der Freistaat Sachsen an den ZVNL gemäß ÖPNVFinVO ausreicht, sowie den Erlösen aus Fahrgeldeinnahmen.
Mit Unterstützung eines externen Fachgutachters wurde deshalb im Vorfeld der Ausschreibung ein Erwartungswert- und Erlösgutachten erstellt, um so qualifiziert, die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben einschätzen und das zur Verfügung stehende Budget zur Leistungsbestellung durch den ZVNL auch unter Bewertung und Minimierung aller Ausgaben des ZVNL ermitteln zu können. Das so ermittelte Budget ließ sodann nur eine Bestellung zu, deren Leistungsumfang ca. 1 Mio. Zugkilometer unter dem heutigen IST-Stand darstellt. Dies entspricht einer Reduzierung von ca. 7,7 Prozent.
Da dem ZVNL keine weiteren Möglichkeiten außerhalb der ÖPNVFinVO sowie der Fahrgeldeinnahmen zur Generierung eigener Einnahmen zur Verfügung stehen, mussten im gesamten Netz zunächst Anpassungen im Hinblick auf die Minimierung der Bestellung von Zugkilometern vorgenommen werden. In der Folge konnten wenig effiziente oder besonders teure Abschnitte im kommenden Leistungszeitraum teilweise nicht neu bestellt werden, darunter auch die S4 auf dem Abschnitt Torgau – Landesgrenze Brandenburg.
2. Wie beantworten Sie die Kritik der Bürgermeister von Beilrode, Rene Vetter, und Arzberg, Holger Reinboth, dass die genannte Ausdünnung des S-Bahnverkehrs einen deutlichen Einschnitt in die Attraktivität dieser beiden Gemeinden nach sich ziehen wird und das ohnehin schon strukturell benachteiligte Ostelbien noch weiter zurückfallen lässt?
Die Angebotsreduzierung auf der S4 im Abschnitt Torgau – Beilrode führt ohne Zweifel zu einer verminderten Qualität der Anbindung der Orte in dieser Region und damit auch zu einem Verlust an Attraktivität. Dennoch stellt die S-Bahn nur einen Bestandteil des Gesamtangebotes des öffentlichen Personennahverkehrs dar. Der Busverkehr mit seinen vertakteten Angeboten Plus- und TaktBus erfüllt dabei, insbesondere im ländlichen Raum, eine wichtige Erschließungsfunktion. Beilrode ist beispielsweise auch weiterhin über die Taktbuslinie 527 an die Städte Torgau und Herzberg angebunden. Zudem wird im Dezember 2024 das vollflexible Rufbussystem Flexa im gesamten Landkreis eingeführt. Dieses ermöglicht von Montag bis Sonntag im Zeitraum von 5 bis 21 Uhr eine stündliche Anbindung aller Ortsteile, sofern diese zur gewünschten Zeit nicht durch den regulären Linienverkehr bedient werden.
- Wie verträgt sich die genannte Entscheidung des ZVNL mit dem Kreisentwicklungskonzept unseres Landkreises, das ausdrücklich von gleichwertigen (jedoch nicht gleichen!) Lebensbedingungen in allen 30 Städten und Gemeinden Nordsachsens ausgeht?
Die im Kreisentwicklungskonzept festgeschriebenen gleichwertigen Lebensbedingungen sehe ich trotz der Einschnitte im S-Bahnverkehr als gegeben. Denn die Erreichbarkeit der Orte ist nach wie vor gegeben. Zwar wird Beilrode künftig nur noch durch den Regionalexpress im 2-Stunden-Takt angebunden sein, trotzdem versucht der Landkreis Nordsachsen das entstehende Angebotsdefizit durch den Busverkehr sowie das neue Verkehrsangebot Flexa zu kompensieren. Letzteres wird durch zusätzliche Fahrtmöglichkeiten das Mobilitätsangebot insbesondere in Ortsteilen verbessern, die bisher nur sporadisch an den Busverkehr angebunden waren.
- Ist die genannte Entscheidung des ZVNL eine endgültige? Oder besteht noch die Hoffnung, dass über eine entsprechende Landesförderung oder über eine sachgerechte Umverteilung der Haushaltsmittel des ZVNL die Ausdünnung des S-Bahnverkehrs aus der S4 vermieden werden kann?
Die Reduzierung der Verkehrsleistung ist das Resultat der o.g. Ausschreibung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer Nachbestellung, sofern eine nachhaltige Finanzierung gegeben ist. Die konkrete Fahrplanbestellung wird jedes Jahr durch einen Beschluss der Verbandsversammlung an Hand der konkret zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel getroffen. Ich hoffe daher, Ihnen zu Beginn des Jahres 2026 hierzu positive Nachrichten überbringen können.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Emanuel