Sachsens Firmen rechnen bei 12 Euro Mindestlohn mit Preiserhöhungen

LVZ, Delitzsch-Eilenburg

Die von der Ampel-Koalition versprochene Steigerung soll schon zum 1. Oktober erfolgen. Kammern im Freistaat fordern stufenweise Anhebung. Sachsen-SPD begrüßt Berliner Signal.

Leipzig. Die von der Ampel-Koalition versprochene Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde soll schon zum 1. Oktober dieses Jahres erfolgen. Millionen Menschen würden davon profitieren, vor allem Frauen und Beschäftigte in Ostdeutschland, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) , der einen Gesetzentwurf erarbeitet hat. Profitieren würden laut Heil unter anderem Reinigungskräfte oder Beschäftigte in der Logistikbranche, und damit Menschen, die das Land in der Pandemie am Laufen gehalten hätten.

Sachsens Wirtschaft warnt dagegen vor einer schnellen Anhebung auf 12 Euro. Mehr als die Hälfte aller Firmen geht davon aus, ihre Preise für Produkte und Leistungen erhöhen zu müssen. 17 Prozent rechnen mit Personalabbau. Das geht aus einer Umfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHK) hervor. 267 Unternehmen wurden im Freistaat befragt.

Die Belastungsgrenze vieler Unternehmen würde überschritten, zumal die Betriebe bereits jetzt schon massive Steigerungen etwa bei Material- und Energiekosten verkraften müssen. Die Kammern plädieren daher für eine bedachte und stufenweise Steigerung über die Legislaturperiode hinweg.

Zu Beginn des Jahres ist der Mindestlohn nach den Beschlüssen der Mindestlohnkommission planmäßig von 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen. Es wäre besser, die bewährte Verfahrensweise beizubehalten, so die Kammern. Das würde bedeuten, die Höhe der Lohnuntergrenze regelmäßig von einem staatlich unabhängigen Expertengremium überprüfen zu lassen und danach zu handeln.

Sachsens Firmen erwarten Steigerungen bei den Personalkosten um bis zu 25 Prozent. Um an der Belegschaft festzuhalten, ziehen es viele in Betracht, etwa die Arbeitszeit zu reduzieren, feste in pauschale Arbeitsverhältnisse umzuwandeln oder Sonderleistungen wie Umsatzprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld wegfallen zu lassen. Laut Befragung sehen sogar 6 Prozent der Firmen den Fortbestand ihres Unternehmens gefährdet. „Für die Bundesregierung sollte das ein Alarmsignal sein“, heißt es.

Der DGB in Sachsen fordert die Unternehmen auf, die Realitäten anzuerkennen. Mit Abschluss des Koalitionsvertrages sei bekannt, dass eine Mindestlohnerhöhung noch in diesem Jahr kommt, sagt DGB-Chef Markus Schlimbach.

Die sächsische SPD begrüßte das Signal, das aus der Bundespolitik kommt. „Die Einführung eines Mindestlohns von 12 Euro ist ein Gebot des Respekts und der wirtschaftlichen Vernunft“, sagte Parteichefin Kathrin Michel am Sonntag. Co-Vorsitzender Henning Homann verwies darauf, dass der neue Mindestlohn nicht nur eine Lohnerhöhung für rund 600 000 Beschäftigte in Sachsen bedeute, sondern auch ein Beitrag zur Angleichung der Löhne zwischen Ost und West sei. „Die Lohnmauer ist wichtige Ursache für die Wut vieler Menschen.“

Laut Landesarbeitsagentur sind in Sachsen zwischen 2015 und Sommer 2021 über 93.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden. Bei den Stundenlöhnen für Geringverdiener habe es einen deutlichen Anstieg gegeben. Und zahlreiche Minijobs seien in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden.

Die Situation damals sei eine andere als heute, heißt es beim ifo-Wirtschaftsinstitut in Dresden. Die Wissenschaftler rechnen sehr wohl mit einem deutlichen Beschäftigungsabbau. Denn von einer Anhebung auf 12 Euro seien mehr als doppelt so viele Arbeitnehmer als damals von 8,50 Euro betroffen. „Was in Baden-Württemberg bei einem höheren Lohnniveau sicher wenig Auswirkungen hat, stellt Sachsen mit seiner Vielzahl von kleineren Betrieben sehr wohl vor Probleme“, warnt Joachim Ragnitz vom ifo Dresden. Auch die Forscher vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, das zur Bundesarbeitsagentur gehört, rechnen bei einer Anhebung auf 12 Euro mit negativen Beschäftigungseffekten. Diese würden sich im Wesentlichen auf ostdeutsche Betriebe und auf solche, die sich einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt fühlen, konzentrieren.