Unpräzise und unzureichend

Dr. Michael Friedrich

Die schwere Geburt des dritten Entlastungspakets kann nicht gefeiert werden. Dr. Michael Friedrich, Vorsitzender der LINKEN im Kreistag kommentiert:

 

"Natürlich sind 65 Mrd. Euro ein wuchtiger Betrag, aber alle drei Entlastungspakete zusammen bleiben deutlich hinter den 100 Mrd. Euro zurück, die urplötzlich für die „Zeitenwende“ der Bundeswehr bereitstanden. Der gegenwärtigen Inflations- und Energiekrise jedenfalls wird der Flickenteppich der 17 Einzelmaßnahmen nicht gerecht, weil diese gerade in den Bereichen, wo die Menschen die größten Sorgen haben, viel zu unpräzise sind und viel zu spät kommen.

Natürlich ist es gut und überfällig, dass es nun auch ein einmaliges Energiegeld für Ruheständler (300 Euro) und Studierende (200 Euro) geben soll. Damit wird ein unverzeihlicher Fehler der ersten Entlastungspakete beseitigt. Allerdings werden damit die erhöhten Energiekosten im besten Fall nur für ein Vierteljahr kompensiert. Für die unbedingt erwarteten Direktzahlungen für die erwerbstätige Bevölkerung aber besteht Fehlanzeige! Die für das Jahr 2023 versprochenen steuerlichen Erleichterungen kommen viel zu spät. Und längst nicht alle werden davon profitieren.

Dass für den Basisverbrauch bei Elektroenergie eine Strompreisbremse kommen soll, ist eine gute Sache. Unverständlich aber ist, dass hier die Regierung erst eine EU-weite Regelung abwarten will und nur im Zweifelsfall „zeitnah“ selbst handeln will. Die Erfahrung lehrt: Das kann dauern…

Völlig unverständlich ist, dass für das noch viel größere Problem der Gaspreis-Explosion eine solche Regelung nicht vorgesehen ist. Hier wird erst mal eine Expertenkommission tätig werden, die prüfen soll, ob ein preislich gedeckeltes Grundkontingent pro Haushalt für den Gaspreis  überhaupt möglich ist. Da sind andere EU-Länder längst weiter!

Auch die dringend erwartete Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket hängt in den Seilen. Zwar werden vom Bund 1,5 Mrd. Euro bereitgestellt. Die aber fließen  nur, wenn die Länder in gleicher Höhe dazu schießen. Diese Zusagen stehen in Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern in den Sternen.

Der allgemein erwartete Schutzschirm für die Kommunen, vor allem für deren Stadtwerke und andere kommunale Betriebe wird nicht kommen. Es bleibt damit nur der Ausweg, dass Städte und Gemeinden mit hohen Summen ihre in Not geratenen Betriebe selbst stabilisieren müssen – mit verheerenden Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen, vor allem auf notwendige Investitionen und freiwillige Leistungen.

All dies ist deshalb so enttäuschend, weil viele Menschen bis weit in die normal verdienende Mittelschicht hinein, aber auch kleine Betriebe und Handwerker sehr schnell Unterstützung brauchen, denn sie verfügen nicht über entsprechende Rücklagen. Sie können nicht erst auf angeblich „zeitnahe“ Ergebnisse von Expertenrunden oder gar auf  ferne EU-Beschlüsse warten.

Das bittere Fazit bleibt: Das dritte Entlastungspaket bleibt trotz einiger Verbesserungen insgesamt eine große Enttäuschung. Es löst die gravierenden Probleme der gegenwärtigen Inflations- und Energiekrise nicht. Protest bleibt angesagt, auch auf der Straße!

Der von der LINKEN im Kreistag Nordsachsen vorgeschlagene Härtefallfonds in Höhe von 100.000 Euro bleibt hochaktuell, um wenigstens über eine Einzelfallprüfung die schlimmsten Verwerfungen auszugleichen."