Zum Tod von Kurt Biedenkopf

Dr. Michael Friedrich

Von 1990 bis zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident im Jahr 2002 habe ich Kurt Biedenkopf in ungezählten Landtagssitzungen ganz unmittelbar erlebt. Legendär waren seine intellektuelle Schärfe, sein rhetorischer Biss und sein Mut zur Kritik ohne Ansehen der Person, was selbst Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel zu spüren bekamen. Sein unbestrittener Verdienst besteht darin, dass er als Regierungschef den politischen Neustart Sachsens über ein Jahrzehnt lang ganz maßgeblich und ganz überwiegend positiv geprägt hat. Im Vergleich zu den damaligen Ministerpräsidenten der anderen neuen Bundesländer, die sich in schneller Folge abgewechselt haben, aber auch gemessen an den drei heutigen Kanzlerkandidaten spielte er einfach in einer anderen Liga.

 

Auch wenn mich als Oppositionspolitiker politisch und persönlich recht wenig mit „König Kurt“ verband  - aus demokratischer Sicht ein recht zweifelhafter Titel, den er aber gern unwidersprochen hinnahm  -  war sein Umgang mit unserer Fraktion und ihren Mitgliedern stets fair. Ohne seine Lebensleistung zu schmälern, sei hier jedoch nicht verschwiegen, dass Biedenkopf  auch  gravierenden Fehleinschätzungen unterlag. So bediente er sehr bewusst einen sächsischen Stolz, ja einen sächsischen Chauvinismus, der für einige Zeit zwar die vielen Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit überdecken konnte und seine Wahlerfolge mit begründete, jedoch  eben auch der pluralistischen Zivilgesellschaft schwer schadete. Zur Wahrheit gehört auch, dass unter Biedenkopf über viele Jahre eine offensive Niedriglohnstrategie betrieben und diese sogar noch als Standortvorteil des Freistaates propagiert wurde. Nicht umsonst belegt Sachsen heute im bundesdeutschen Lohnatlas und bei der Altersarmut weit hintere Plätze.

Dr. Michael Friedrich
1990 – 2009 Mitglied des Sächsischen Landtages