Kreistag - 05.10.2011

Dr. Michael Friedrich

Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Friedrich zum Beitrittsbeschluss zum Haushalt 2011 und zur Haushaltssatzung für 2012

Zu den Haushaltsdokumenten werden sich einige Fraktionsmitglieder der LINKEN der Stimme enthalten, andere mit NEIN votieren. Für dieses differenzierte Stimmverhalten gibt es angesichts der komplizierten Gemengelage gute Gründe. Ich möchte diejenigen anführen, die gegen ein NEIN zum Haushalt sprechen und dennoch ein JA nicht rechtfertigen. Mein Kollege Peter Streubel wird dann noch die andere Position vertiefen.

Meine Fraktion ist sich mit dem Landrat und dem Kämmerer darin einig, dass die geringen Spielräume unserer Selbstverwaltung unbedingt erhalten bleiben müssen. Deshalb muss die haushaltslose und mithin gesetzeswidrige Zeit, die ohnehin schon Sachsen rekordverdächtige 22 Monate andauert, dringend zu Ende gehen. Dies wird sie aber nur dann, wenn wir sichtbar und nachvollziehbar auf die Straße der Gesetzeskonformität zurückkehren.

Dafür allerdings kann nicht jeder Preis gezahlt werden! Die griechischen Inseln und die Akropolis – um im Bilde zu bleiben – werden wir nicht verscherbeln. Die griechischen Inseln – das sind für uns die kommunalen Betriebe und die Eigenbetriebe, speziell die Krankenhäuser und der Eigenbetrieb Bildungsstätten. Die Akropolis – das ist für uns der freiwillige Aufgabenbereich und die   Daseinsvorsorge für die Bevölkerung. Diese Felder sind für uns Schützens- und Erhaltenswert. Sie sind nicht verhandelbar. Diese Dinge dürfen nicht abgestoßen und auch nicht privatisiert werden!  Wir freuen uns, dass dies der Landrat ähnlich sieht.

Erwartungsgemäß gelingt mit den vorgelegten Haushaltsdokumenten keine wirkliche Gesundung unserer prekären Haushaltssituation. Aber es wird zumindest Zeit eingekauft, um im Jahr 2012 die größten Grausamkeiten und drohenden Einschnitte abzuwenden. Das ist nicht gerade wenig. Es ist aber bei weitem nicht genug, um wieder zu einem selbstbestimmten und lebenswerten Nordsachsen zu kommen!

Immerhin hat es Kämmerer Emanuel geschafft, den Konflikt mit der Landesdirektion zu entschärfen und die bis zum Jahr 2015 geforderte „schwarze Null“ auf dem Papier darzustellen. Das ist eine gute Leistung, die auch die LINKE ausdrücklich anerkennt. Sie ist deshalb gut, weil Emanuel nicht blind den Vorgaben der Landesdirektion gefolgt ist, sondern mit viel Fantasie und erheblicher Risikobereitschaft in einem ausgesprochen kommunalfeindlichen Umfeld Alternativen aufgezeigt hat. Wie jeder weiß, ist für dieses miese Umfeld zentral die sächsische Staatsregierung verantwortlich. Eine Staatsregierung, die nicht müde wird, oberlehrerhaft andere Bundesländer über ihre angeblichen Haushaltstugenden zu belehren, dabei aber nur zu sagen vergisst, dass die Konsolidierungserfolge des Landeshaushaltes zu einem ganz erheblichen Teil auf dem Rücken und zu Lasten der Kommunen erkauft worden sind. Im Übrigen hat unser Musterschüler-Finanzminister Unland gerade eben mal wieder eine so genannte Garantieauszahlung in Höhe von 33,2 Mio. Euro für die verzockte Landesbank ausgeben müssen, insgesamt sind es nun schon 239,7 Mio. Euro – sehr viel Geld, das bei den Kommunen in weitaus besseren Händen gewesen wäre!

Zurück zu unseren Haushaltsdokumenten. Natürlich gibt es hier eine  ganze Reihe grundoptimistischer Schönwetter-Annahmen, die wir nicht  ausblenden dürfen. Das gilt auch für die Option, am Jahresende 2011 ohne einen Fehlbetrag aus dem Rennen zu gehen und „nur“ 31,5% Kreisumlage von den Gemeinden fordern zu wollen. Dieses Bemühen ist zwar aller Ehren wert, dürfte aber auf tönernen Füßen stehen. In Wahrheit wird der Schmerz für die Kommunen nur auf 2013 verschoben. Auch habe ich noch niemals beobachtet, dass eine einmal erhöhte Kreisumlage jemals wieder gesenkt worden wäre. Vielmehr geht die Entwicklung eindeutig in Richtung 33,8% oder sogar 35%. Kommen die vom Kämmerer benötigten rund 51 Mio. Euro Kreisumlage nicht in den Topf, weil die neu aufziehende Finanz- und Wirtschaftskrise die extrem schöngerechneten Umlagegrundlagen ab 2013 vermasselt – und danach sieht es aus – wird eben weiter am Hebel Umlagesatz gedreht. Eine fatale Entwicklung zu Lasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, von denen viele selbst auf die abschüssige Bahn geraten werden und die meine Fraktion so nicht mittragen wird!

Ein politischer Skandal ersten Ranges aber ist die Tatsache, dass der Kämmerer regelrecht gezwungen wird, in Größenordnungen mit einem Teil des vom Land und vom Bund für soziale Zwecke bereitgestellten Geldes die Haushaltslöcher zu stopfen. Man kann das auch so ausdrücken: Es wird der Abbau realer Schulden über den Aufbau neuer sozialer Schulden zu Lasten der kommenden Generation erkauft. Wer aber thematisiert eine Schuldenbremse für diese sozialen Schulden?!

Abschließend: Wir erwarten von Ihnen, Herr Czupalla , dass Sie  über den CDU-dominierten Sächsischen Landkreistag nun endlich Ihre wiederholten  Ankündigungen wahr machen, gegenüber der CDU-geführten Staatsregierung für eine deutlich bessere Finanzausstattung der Kommunen und speziell der Landkreise zu kämpfen.

Ebenso dringlich wie lohnend wäre Ihr Eintreten für die vollständige Kompensation der ab dem Jahr 2012 wegbrechenden HARTZ-IV-SoBeZ (= Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen) durch das Land, die eine in der Planung noch gar nicht berücksichtigte Lücke von rund 4 Mio. Euro in den Kreishaushalt schlägt.

Auch ein Voranbringen der auf der Stelle vor sich dahin dümpelnden Rückabwicklung der Sachsen-Finanzgruppe mit der Abwendung einer drohenden Belastung des Kreishaushaltes im Millionenbereich und praktikable gesetzliche Regelungen zur Finanzierung der Schülerbeförderung wären lohnende Felder, auf denen Sie, Herr Czupalla Ihrer herausgehobenen Position als direkt gewählter Landrat und im Übrigen die CDU ihrer besonderen Verantwortung als Regierungspartei gerecht werden sollten.