Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Friedrich zum Kreistag am 08.12.2010 zum Thema: „Grundsatzentscheidung zur Neuorganisation des SGB II im Landkreis Nordsachsen zum 01.01.2012“

Dr. Michael Friedrich

es mag dahin stehen, ob unsere heutige Entscheidung PRO oder KONTRA Option d i e des Jahres 2010 wird. Wichtig ist sie allemal, weil für die rund 70 % aller Arbeitslosen, die sich im SGB-II-Bereich befinden, aber auch für die Niedriglohn-Aufstocker auf Jahre hinaus ordnungspolitische Pflöcke eingeschlagen werden, die sich später so leicht nicht mehr ändern lassen.

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kreisräte,

es mag dahin stehen, ob unsere heutige Entscheidung PRO oder KONTRA Option  d i e  des Jahres 2010 wird. Wichtig ist sie allemal, weil für die rund 70 % aller Arbeitslosen, die sich im SGB-II-Bereich befinden, aber auch für die Niedriglohn-Aufstocker auf Jahre hinaus ordnungspolitische Pflöcke eingeschlagen werden, die sich später so leicht nicht mehr ändern lassen.

Nach Überzeugung der LINKEN muss das oberste Ziel darin bestehen, möglichst vielen der knapp 25.000 Personen, die in unserem Landkreis von HARTZ IV betroffen sind,  wieder zu einer Integration in den ersten  Arbeitsmarkt zu verhelfen. Dabei darf es – und das ist für uns genau so wichtig – zu keiner Zementierung der Grenze zwischen den Arbeitslosen im Bereich des SGB III und dem des SGB II und damit zu einer faktischen Zwei- Klasen-Gesellschaft der Arbeitslosen kommen. Nicht zuletzt müssen alle unsere Anstrengungen darauf gerichtet sein, den menschenunwürdigen Niedriglohnsektor zurück zu drängen.

Bei diesen Bemühungen darf nicht nur unser Landkreis im Focus stehen, sondern die gesamte Region Leipzig, Halle, Bitterfeld, aber auch z. B. Dresden, Riesa, Meißen und Freiberg. Allerdings sind wir Realisten genug, um in Rechnung zu stellen, dass die Integration in den ersten Arbeitsmarkt bedauerlicherweise für eine Minderheit der Betroffenen keine realistische Perspektive darstellt. Deshalb ist für Menschen mit einem oder mehreren Vermittlungshemmnissen die Versorgung mit Arbeitsgelegenheiten auch weiterhin wichtig. Nur darf es nicht dazu kommen, dass über 1-Euro-Jobs der erste Arbeitsmarkt unterlaufen und so schleichend der Niedriglohn-Bereich ausgeweitet wird.

Die zentrale Frage heute lautet:

Ist die Optionslösung wirklich so zweckmäßigdass sie nach einer Einführung verlangt, d. h. ist sie geeignet, ist sie erforderlich und ist sie verhältnismäßig?

Dass der Landkreis in der Lage ist, bei einem entsprechendem Personal-, Ressourcen- und Organisationsaufwand die neue Aufgabe zuverlässig satteln –ist m. E. nicht ernsthaft in Zweifel zu stellen. Was viele  Optionslandkreise bewiesen haben und tagtäglich beweisen, kann unser Landkreis auch, trotz Haushaltssicherung, nur wird es da eben ein bisschen schwieriger.  

Fairerweise will ich also die Frage nach der GEEIGNETHEIT der Option mit einem JA zu beantworten.

Welchen Mehrwert aber hätte die Optionslösung gegenüber dem soeben beschlossenen Jobzentrum als gemeinsame Einrichtung? Gibt es überhaupt einen so gewichtigen Mehrwert, dass die Option erforderlich sein könnte?

Für die Option spricht zweifellos die höhere Flexibilität der Kommunalverwaltung gegenüber der aus Nürnberg geführten zentralistischen BA und damit die mögliche bessere Kopplung zwischen Vermittlungs- und sozialintegrativen Aufgaben. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.

Der immerhin offizielle Bericht des BMAS sieht im ARGE-Modell gegenüber der Option klare Vorteile bei der Integration von Langzeitarbeitslosen im Sinne des vom Gesetzgeber geforderten Förderns und Forderns. Das ist für uns ein ganz wichtiges Argument pro gemeinsame Einrichtung.

Darüber hinaus sehen wir bei der Option die große Gefahr, dass es – und sei es ungewollt - zu einer dauerhaften Verfestigung der Grenze zwischen den Arbeitslosen im SGB III-Bereich und im Bereich des SGB II kommen wird. Für uns ist das nicht hinnehmbar, bedeutete dies doch, dass sich die Mehrzahl der HARTZ IV-Betroffenen dann mit ihrem Schicksal dauerhaft abfinden müsste und allen denkbaren Stigmatisierungen seitens der übrigen Bevölkerung ausgesetzt wäre.

Mindestens ist die Bilanz also zwiespältig.

Deshalb sehen wir keine ERFORDERLICHKEIT der Option.

Zum letzten Kriterium, zur Verhältnismäßigkeit des hohen Ressourceneinsatzes für die Optionslösung. Zunächst ist  festzustellen, dass sich in den vergangenen 6 Jahren die grundsätzlich gute Zusammenarbeit in den beiden ARGEN bewährt hat, auch wenn Reibungspunkte durch die unterschiedlichen „Verwaltungskulturen“ nicht zu übersehen sind. Trotz dieser Unterschiede haben die beiden Trägerversammlungen in den vergangenen 6 Jahren Hunderte von Beschlüssen stets einstimmig gefasst. Von einem tiefgreifenden Zerwürfnis zeugt dies jedenfalls nicht.

Für den gehörigen Kraftaufwand für eine neue EDV-Lösung, die bei der Option erforderlich wäre, und für den ganz gewiss nicht konfliktfreien Aufbau der erforderlichen neuen Kooperationsketten mit der BA oder mit privaten Betreibern für die Vermittlung müsste es einen gewichtigen Rechtfertigungsgrund geben, um das Kriterium der Verhältnismäßigkeit zu erfüllen. Diesen Grund können wir beim besten Willen nicht erkennen. Daher ist der Vorwurf des Bundesrechnungshofes – ganz gewiss kein Freund der Bundesagentur! – der Übergang  von den ARGEN zur Option bedeute den Neuaufbau einer Kosten trächtigen und Risiko belasteten überflüssigen Parallelstruktur zu Lasten der Steuerzahler, nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn unser Landkreis einen großen Teil der Anschubfinanzierung nicht selbst tragen müsste, es blieben am Ende doch versenkte Steuergelder.


Mein Fazit lautet:

Die Optionslösung mag geeignet sein.

Erforderlich für unseren Landkreis ist sie jedenfalls nicht.

Und verhältnismäßig wäre ihre Einführung ganz und gar nicht.

Die LINKE spricht sich daher klar für das Fortbestehen des Jobzentrums als gemeinsame Einrichtung aus!