„Dem Landkreis geht es gut, wenn es der Wirtschaft gut geht“: Landrat Emanuel erklärt Ziel und Zweck des Kreisentwicklungskonzepts

Torgauer Zeitung, S. Stöber

Nordsachsen. Heute weiter als bis morgen vorauszublicken, verlangt beinahe nach prophetischen Kräften. Der Landkreis Nordsachsen will jetzt aber sogar zehn Jahre in die Zukunft schauen. Dafür soll der Kreistag im Dezember das Kreisentwicklungskonzept (KEK) 2030 auf den Weg bringen. Was sich hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt und welche Visionen darin stecken, besprach die TZ mit Nordsachsens Landrat Kai Emanuel.

TZ: Nordsachsen hat ein weit und breit anerkanntes Seniorenkonzept, liegt beim Breitbandausbau in Sachsen weit vorn, mit dem Glascampus und dem Straßenbauprojekt Milau wird Braunkohle-Ausstiegsgeld in die Region geholt – alles Zukunftsthemen. Wozu braucht der Landkreis noch ein weiteres Konzept? 

Kai Emanuel: Weil alles, was Sie aufgezählt haben, miteinander zu tun hat. Es existieren sehr viele Ziele in den unterschiedlichsten Fachbereichen. Damit wir diese umsetzen können, müssen sie strukturiert werden. Besser noch: Sie müssen sich einem Gesamtziel unterordnen – und das KEK ist unser Werkzeug, um das zu erreichen. 

Wie haben Sie dieses große Ziel für den Landkreis Nordsachsen definiert? 

Über allem steht ein zentraler Leitgedanke: Dem Landkreis geht es gut, wenn es der Wirtschaft gut geht. Die Wirtschaft benötigt Infrastruktur, wir arbeiten daran. Die Wirtschaft benötigt Fachkräfte, also tun wir alles dafür, dass sich die Menschen hier wohlfühlen. Ganz wichtig ist dabei die Denkrichtung: Wir wollen nicht tolle Lebensbedingungen schaffen, um dann zu hoffen, dass sich Menschen ansiedeln, die wiederum die Wirtschaft nachziehen. So würde es nicht funktionieren. 

Wie soll das Kreisentwicklungskonzept dazu beitragen, dass es der Wirtschaft gut geht? 

Wir haben vier Handlungsfelder definiert, die jeweils mit Teilzielen und die wiederum mit konkreten Maßnahmen unterlegt sind. Die Handlungsfelder sind: 1. Wirtschaft & Innovation, 2. Bildung & Qualifikation, 3. Lebenswerter Landkreis, 4. Infrastruktur & Mobilität. Wenn wir in die Maßnahmen schauen, sehen wir sehr schnell, wie eng diese Felder miteinander verwoben sind. 

Dann lassen Sie uns einen Blick auf eine Beispielmaßnahme werfen. 

Um die Erreichbarkeit unserer Unternehmen zu verbessern, haben wir da Betriebliche Mobilitätsmanagement ins Leben gerufen. Und plötzlich sprechen wir über Buslinien, Fahrpläne oder Radwege – Dinge, die sich auch auf die allgemeine Infrastruktur und die Lebensqualität im Landkreis insgesamt auswirken. 

Der Landkreis Nordsachsen ist unterschiedlich strukturiert. Urbane Gebiete im Leipziger Raum stehen ländlichen Regionen wir Cavertitz oder Arzberg gegenüber. Wie lassen sich diese augenfälligen Unterschiede in einem Konzept abbilden? 

Die unterschiedlichen Bedingungen spiegeln sich in den Maßnahmen wider. Die Ziele sind zwar für alle gleich, der Weg dorthin ist es nicht. Als Landkreis haben wir dabei eine ausgleichende Funktion. Nehmen wir das strategische Ziel Klimaneutralität. Die erreichen wir nur, wenn alle 30 Kommunen ihren Teil dazu beitragen. Je nachdem, wie hoch der eigene Antrieb oder die externen Hürden sind, geht es bei dem einen schneller und dem anderen eben etwas langsamer. Wir sind wie ein Gummiband, das alle mitzieht. 

Woran werden Sie den Erfolg des KEK messen? 

Einmal natürlich auf der konkretesten Ebene: bei den Maßnahmen. Die sind genau nachprüfbar. Daneben darf man aber auch nicht außer Acht lassen, dass Nordsachsen eine gute Entwicklung genommen hat und das KEK als Orientierung für die kommenden Jahre dient. Rahmenbedingungen ändern sich andauernd – das hat uns Corona gezeigt – und unser Erfolg hängt auch davon ab, wie effektiv wir nachsteuern und uns neuen Gegebenheiten anpassen können. Nehmen wir den Braunkohleausstieg. Mit dem Glascampus und dem Straßenbauprojekt Milau haben wir bei den Mitteln für den Strukturwandel bereits einen Fuß in der Tür. Ich glaube, da geht mit Blick auf unsere Maßnahmen aus dem KEK noch mehr. 

Sie bescheinigen Nordsachsen eine gute Entwicklung, die negative Entwicklung der Einwohnerzahlen spricht eine andere Sprache. 

Der Erfolg Nordsachsens lässt sich nicht an der Einwohnerzahl festmachen, sondern an der Lebensqualität, die durch das Gleichgewicht zwischen urbanen Räumen und wunderschöner Natur an Elbe und Mulde entsteht. Die Menschen können stolz darauf sein, in Nordsachsen zu leben. Dieses Bewusstsein wollen wir stärken und die Identität fördern. 

Seit zwei Jahren wird am KEK gearbeitet. Was macht den Prozess so langwierig? 

Das KEK ist viel mehr als nur eine Sammlung von Ableitungen aus Analysedaten. Es muss sich in die Pläne zur Landes- und Regionalentwicklung einfügen. Nach umfangreicher Grundlagenarbeit haben wir in den zurückliegenden zwei Jahren alle Interessengruppen unseres Landkreises über Fachworkshops und Arbeitsgemeinschaften eingebunden. Aus diesen Runden heraus sind die Ziele und Maßnahmen entstanden. Der ganze Prozess wird von einem Beratungsbüro betreut und in unserem Haus von einem Koordinator gesteuert. Und nun wollen wir die Kernbereiche des KEK den Bürgern im Landkreis vorstellen. 

Gespräch: Sebastian Stöber