Ein Matrose, der Oberbürgermeister werden will

Torgauer Zeitung

Michael Bagusat-Sehrt (Linke) träumt von der Küste und kandidiert gleichzeitig für den Chefsessel im Torgauer Rathaus. Warum das eine das andere nicht ausschließt:

Hätten die Tage im Leben von Michael-Bagusat Sehrt nur 12 statt 24 Stunden, dann müsste der 47-Jährige nicht zweimal überlegen, wie oder besser mit wem er seine Zeit verbringt – mit seiner Familie. Dann würden wiederum auch einige Menschen ein Wort von ihm hören, was er nach eigener Aussage viel zu selten verwendet: „Nein“. Denn der Lebenslauf und die Liste seiner Ehrenämter ist lang und es gibt nur wenige Tage, an denen sein Terminplaner nicht voll ist.

Hauptberuflich ist Michael Bagusat-Sehrt Regionalmitarbeiter Ost und Büroleiter des Regionalbüros Torgau der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Zudem ist der Torgauer unter anderem ehrenamtliches Mitglied und stellvertretender Katastrophenschutzbeauftragter des DRK Torgau-Oschatz, Vorsitzender des Ortsverbandes seiner Partei sowie Stadtratsmitglied. Und nicht zu vergessen auch dreifacher Familienvater.

Doch trotzdem hat Bagusat-Sehrt noch Luft nach oben. In diesem Jahr kandidiert er für den Chefsessel im Torgauer Rathaus. „Wenn einem was nicht gefällt, muss man es ändern.“

Lange Zeit hatte Bagusat-Sehrt nichts mit Politik am Hut, denn ursprünglich lautete sein Traumberuf nicht Oberbürgermeister, sondern Kapitän. Doch dann kam die Wende. Heute empfindet er den Mauerfall als eines der ersten einschneidenden Erlebnisse in seinem Leben. Denn nach seiner Ausbildung zum Matrosen endete für ihn dadurch die Laufbahn in der Schifffahrt: „Seit ich ein Kind war, wollte ich zur Marine, auf einem Schiff arbeiten und Kapitän werden. Bei der Musterung sagte man mir dann, dass ich zwar meinen Grundwehrdienst leisten könnte, aber ich durch die Abrüstung nach der Wende wahrscheinlich kein Schiff bekommen werde.“ Bagusat-Sehrts Antwort darauf war damals schon so offen und direkt, wie man ihn heute kennt: Kein Schiff – kein Dienst beim Militär.

Stattdessen leistete er lieber seinen Zivildienst in einem integrativen Kindergarten. Schon seit seiner Kindheit spielt das Thema Integration von Behinderten und deren Unterstützung im Alltag eine große Rolle und liegt ihm bis heute am Herzen. „Mein älterer Bruder ist schwer geistig und körperlich behindert. Deshalb fand ich es schon immer spannend, mit Leuten und vor allem mit Kindern zu arbeiten, die was Besonderes sind, egal welche Handicaps sie haben.“ Seit 2004 ist er der bestellte Betreuer seines älteren Bruders. Darin sieht der 47-Jährige zwar eine zusätzliche Aufgabe, die viel Verantwortung mit sich bringt, aber auf keinen Fall eine Belastung. „Es stand schon immer außer Frage, dass ich später für meinen Bruder da bin und das bin ich auch gerne.“

All diese Erfahrungen im Umgang mit Behinderten haben Bagusat-Sehr nachhaltig geprägt und bestimmen seitdem auch sein Handeln innerhalb seines politischen Ehrenamtes. „Man hat dadurch eine ganz andere Denkweise und Sicht auf die Dinge, wenn es darum geht, Menschen etwas zu ermöglichen, ihnen den Alltag zu erleichtern und sie teilhaben zu lassen. Deshalb bin ich ein großer Freund von Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen.“

Mit seinen Ideen prescht er auch gern mal nach vorn, was nicht immer Anklang bei seinen Stadtratskollegen findet: „Nur meckern ist nicht. Wer Ideen hat, muss dafür arbeiten. Auch wenn manche meiner Vorschläge vielleicht nicht umsetzbar oder teilweise albern klingen, geht es mir darum, eine Diskussion anzustoßen. Miteinander reden und Lösungen finden, ist für mich der Schlüssel.“ Das setzt Bagusat-Sehrt auch im Privatleben um. Sich gemeinsam an einen Tisch setzen, „rumspinnen“ und auch mal scheitern. Ganz nach dem Motto: Schließt sich eine Tür, dann öffnet sich die nächste. „Ich habe mich auch mal in der Selbstständigkeit ausprobiert und bin viel unterwegs gewesen. Daraus habe ich gelernt, dass mir Torgau wichtiger ist als mir vorher bewusst war.“

Trotzdem kann sich der Familienvater auch vorstellen, irgendwann mal an der Küste zu wohnen. „Das ist eine dieser Ideen, die noch nicht zu Ende gesponnen sind. Das ist wohl der Matrose, der aus mir spricht.“ Auch wenn das mit dem Schiff noch nichts geworden ist, hat er in seinem Ehrenamt beim DRK eine neue Leidenschaft gefunden. „Ich mache einfach Dinge, die mir Spaß machen.“ Nicht nur im Ernstfall helfen zu können, sondern auch der Menschenschlag sowie das Gefühl, etwas geschafft zu haben, treiben ihn dabei an. „Das alles kann ich aber nur schaffen, weil meine Frau und Kinder hinter mir stehen.“ Auf die Frage, was ihn im Leben am meisten motiviert, antwortet Bagusat-Sehr deshalb auch ohne lange zu überlegen: „Meine Familie.“