Eine Befreiung für die Linke

LVZ, Delitzsch-Eilenburg

Scheidungen sind oft eine langwierige und für beide Seiten quälende Angelegenheit. Parteispaltungen können es auch sein. Sahra Wagenknecht und die Linkspartei haben sich schon lange auseinandergelebt. Die frühere Fraktionschefin zieht durch die Säle und Talkshows, um schlecht über ihre frühere politische Liebe zu reden und flirtet auch noch allzu offensichtlich mit Putin und Populisten jeder Couleur. Zugleich weigert sie sich seit mehr als einem Jahr, auszuziehen und reinen Tisch zu machen.

Damit ist es nun vorbei, die Fronten scheinen geklärt. Wagenknecht wird am Montag einen neuen Verein vorstellen, dessen einziges Ziel ist, Geld und Strukturen für eine eigene Liste aufzubauen. Es ist der vorletzte Akt im Scheidungsdrama. Im Hollywoodfilm entspricht das ungefähr der Szene, in dem einer der Partner mit dem Vorschlaghammer das gemeinsame Wohnzimmer zertrümmert.

Wie immer bei solchen Dramen leiden die Kinder am meisten, hier also die Fraktion. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden reihenweise ihre Jobs verlieren, wenn die nach Schätzungen fünf bis zehn Sahra-Anhänger austreten – oder in einem weiteren quälenden Prozess hinausgeworfen werden und die Fraktion damit implodiert.

Völlig unklar aber ist, für wen nach dem Ende des linken Nelkenkriegs ein zweiter Frühling anbricht. Wagenknecht hofft auf einen Siegeszug, der mit der Europawahl und ostdeutschen Kommunalwahlen im Frühjahr beginnt, sich bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fortsetzt und bei der Bundestagswahl 2025 kulminiert. Dafür spricht Wagenknechts Charisma und der allgemeine Unmut. Mit einem Angebot, das linke Wirtschaftspolitik, Kritik an Einwanderung und Friedensbewegung zu einem einigermaßen schmackhaften populistischen Mus vermengt, sind zweistellige Ergebnisse zu holen.Dagegen spricht allerdings die bisherige Struktur der neuen Wagenknecht-Truppe: Sowohl der Vorstand ihres Unterstützervereins BSW als auch die wechselwilligen Bundestagsabgeordneten kommen alle aus dem Westen. Es scheint sich eine Neuauflage der WASG aufzutun, westdeutsch und gewerkschaftsnah geprägt. Kein einziger Bundestagsabgeordneter aus dem Osten ist dagegen wechselwillig. Die Wahlkämpfe werden also fast allein an Wagenknecht hängen, die natürlich Marktplätze füllen, aber nicht monatelang an ihre Belastungsgrenze gehen kann.

Manchmal ist es auch der gedemütigte und verlassene Partner, der nach einer schmerzhaften Trennung besser auf die Beine kommt. Der Vorwurf des Wagenknecht-Lagers, die Linke kümmere sich nur um woke Identitätspolitik, war ja immer schon falsch. Die Linkspartei ohne Wagenknecht – es könnte eine Befreiung sein.