Fast 7000 Beschäftigte im Landkreis ohne Ausbildung. Gewerkschaft fordert Unternehmen auf, Menschen gezielt zu fördern

Torgauer Zeitung

Nordsachsen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat Unternehmen im Kreis Nordsachsen aufgerufen, eine Fachkräfte-Offensive in ihren Betrieben zu starten. „Eine Lösung liegt da besonders nah: Eine ‚Neustart-Chance‘ für die Beschäftigten, die keine Berufsausbildung haben. Um sie sollten sich Betriebe deutlich mehr kümmern. Immerhin gibt es in Nordsachsen rund 6940 sozialversicherungspflichtig Beschäftige ohne Berufsabschluss. Das sind gut neun Prozent der Erwerbstätigen“, sagt Christian Ullmann. Der Geschäftsführer der NGG Leipzig-Halle-Dessau beruft sich dabei auf Angaben der Arbeitsagentur.

Menschen ohne Ausbildung gezielt zu fördern, sei ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel. „Ein schlechter Schulabschluss, eine frühe Schwangerschaft, Schwierigkeiten im alten Ausbildungsbetrieb oder in der Berufsschule – es gibt viele Gründe, warum Beschäftigte in jungen Jahren eine Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst begonnen haben. Es wäre aber falsch, sie als ‚ewig Ungelernte‘ abzustempeln. Fair ist es, diesen Menschen eine zweite Chance zu geben. Erst recht, da in den meisten Branchen ohnehin Fachkräfte händeringend gesucht werden“, sagt Ullmann.

Die Perspektive von Beschäftigten ohne Berufsausbildung sei ansonsten, ein Berufsleben lang als Hilfskraft bei schlechterer Bezahlung arbeiten zu müssen. Die NGG ruft Beschäftigte ohne Berufsabschluss auf, das Thema „Nachhol-Ausbildung“ offensiv im Betrieb anzusprechen: „Wenn ein Chef sieht, dass jemand die Motivation hat, mehr aus sich zu machen und sich für das Unternehmen zu qualifizieren, kann er das kaum ablehnen.“ Es sei allerdings wichtig, dass neben der Geschäftsführung auch die Belegschaft motivierte Beschäftigte unterstützt.

Außerdem fördere die Arbeitsagentur etliche Qualifizierungen. Die NGG Leipzig-Halle-Dessau rät Betriebsräten und Beschäftigten, aber auch den Geschäftsführungen von Unternehmen, sich über Angebote der Arbeitsagentur zu informieren. Für Unternehmen sei das besonders interessant. Denn Lehrgangskosten könnten teilweise oder sogar vollständig übernommen werden. Auch Zuschüsse zum Lohn, der bei einer Weiterbildung weitergezahlt werde, seien möglich.

Im Kreis Nordsachsen nutzen bereits Beschäftigte die Chance, sich für einen Berufsabschluss fit zu machen. Es seien jedoch zu wenige: So registrierte die Arbeitsagentur nach Angaben der NGG im ersten Halbjahr dieses Jahres lediglich drei Qualifizierungen, an deren Ende ein Berufsabschluss steht.

Das Nachholen einer Ausbildung und trotzdem „nebenbei weiterzuarbeiten“, das sei allerdings eine Herausforderung. In Berufen mit Saisonarbeit lasse sich dies jedoch „relativ gut unter einen Hut bringen“. Ein Beispiel dafür sei die Lebensmittelbranche. „Hier gibt es oft Saisonphasen. Weiterbildungsmodule sollten dann möglichst in die Zeiten gelegt werden, in denen die Produktion nicht voll ausgelastet ist. Das gilt auch für die Hotellerie oder Gastronomie.