Feuerwehrleute in Nordsachsen müssen lange auf Lehrgänge warten

Torgauer Zeitung

Auf der Jahreshauptversammlung in Bad Düben wird Kritik am Aus- und Fortbildungssystem in Sachsen laut.

Bad Düben. Es waren nicht die Anzahl, dafür aber die Art der Einsätze, die als besonders in die Statistik der Feuerwehr Bad Düben im Jahr 2023 eingeht. Die 104 aktiven Kameradinnen und Kameraden rückten 111-mal aus.

Mit Blick auf das Rekordjahr 2022 mit 150 Einsätzen also ein vergleichsweise normales Jahr, in dem die 100er-Marke dennoch wieder geknackt worden sei. Inklusive einer starken Alters- und Ehrenabteilung und der Kinder- und Jugendfeuerwehr ist die freiwillige Feuerwehr eine 183 Mitglieder starke Truppe, die auf Werte wie Kamerad-, Hilfs- und Einsatzbereitschaft setzen könne.

In Erinnerung bleiben die mitunter „eher ungewöhnlichen, weil nicht alltäglichen Szenarien“, so Wehrleiter Thomas Haberland zur jüngsten Jahreshauptversammlung. „So wurden wir zu einem vermeintlichen Gasaustritt in einer Wohnung gerufen. Vor Ort stellte sich dann heraus, dass die Besitzer mit einem Insektenbekämpfungsmittel im Haus gesprüht hatten. Drei Personen erlitten schwere Atembeschwerden. Andere Meldungen hießen: Person im Holzstapel sowie Person zwischen Tür und Rollstuhl eingeklemmt.“

Für eher Frust bei den Kameraden sorgte kurz vor Weihnachten der Alarm wegen eines umgestürzten Kleidercontainers in der Schmiedeberger Straße. Offenbar hatte Sturmtief Zoltan den Container zum Kippen gebracht, Anwohner alarmierten die Feuerwehr. „Wir helfen gern, wenn es nötig ist. In diesem Fall wären sicherlich ein Anruf beim Vermieter oder gemeinschaftliche Eigeninitiative die bessere Lösung gewesen“, so die Wehr damals.

In puncto Technikausstattung, Unterstützung von Stadt und Stadtrat sowie steter Einsatzbereitschaft der Kameradinnen und Kameraden an allen 365 Tagen im Jahr – wie zuletzt beim Weihnachtshochwasser 2023 – und der Zusammenarbeit bei Bränden über Stadt- und Kreisgrenzen hinaus können die Bad Dübener Retter ein durchweg positives Fazit ziehen.

„Die Akzeptanz für die Retter und ihr Handeln in der Bevölkerung ist auch dank der Öffentlichkeitsarbeit, die Ihr leistet, gestiegen. Das war vor ein paar Jahren noch anders“, schätzt Bürgermeisterin Astrid Münster (WBD) ein.

Deutlich angewachsen aber vor allem in den Feuerwehrreihen ist der Unmut über den Stand der Fort- und Ausbildungen für die Kameraden, die mit Blick auf die rasante technische Entwicklung in allen Lebensbereichen und sich verändernde klimatische Bedingungen immer mehr an Bedeutung gewinnt.

„Kritisch sehen wir, dass immer mehr technisch aufwendige Lehrgänge wie Maschinist/Drehleiter mittlerweile dauerhaft nur noch in den Landkreisen und nicht mehr an der Landesfeuerwehrschule Sachsen durchgeführt werden“, so Haberland. Zwar würden sich die Ausbilder nachweislich alle Mühe geben. Bei der Verfügbarkeit modernster Technik, wie sie eine zentrale Ausbildungsstätte garantieren könne, gebe es aber Grenzen. Der jetzige Weg könne daher nicht der richtige sein, so der Wehrleiter.

Positiv sei, dass die Zahl der Kurse, die Kameraden im vergangenen Jahr besuchen konnten, auf 80 Lehrgangstage und damit weiter gestiegen ist. Dies sei aber nicht Folge eines deutlich erweiterten Angebotes, sondern weil die Bad Dübener die Restplatzbörse intensiv verfolgt hatten und sie dank des Entgegenkommens vieler Arbeitgeber, dem Verständnis der Familien und der Flexibilität der Kameraden ausschöpfen konnten.

Neben der Ausbildung zu Verbands-, Zug- und Gruppenführern sei der Fokus vor allem auf die Sicherheit der Einsatzkräfte gelegt worden, beispielsweise bei Fahrsicherheitstrainingsstunden. „Wir haben also nur deshalb davon profitiert, dass andere Feuerwehren in Sachsen diese Stellen nicht besetzen konnten.“

Haberland führt dies auf eine „schwierige Vereinbarkeit von Terminen gegenüber Arbeitgebern und der Planungssicherheit von den Familien der Kameraden“ zurück. Zur Entspannung der Lage könnten ein frühzeitiger Vergabemodus und eine Tauschplatzbörse beitragen.

Selbst wenn Bad Düben bei den Schulungen ordentlich drauflegen konnte – die seit vielen Jahren bestehende Kritik am Aus- und Fortbildungssystem im Freistaat bleibe bestehen, vor allem mit Blick auf die Führungsriegen. „Ich kann nicht verstehen, dass in der Landesfeuerwehrschule Lehrgänge nicht mehr in dem Maße, wie benötigt, zur Verfügung stehen“, kritisierte Bürgermeisterin Münster. „Es muss doch in all den Jahren möglich sein, die Schulungen so anzulegen, dass Leiter einer Feuerwehr nicht drei Jahre auf einen Kurs warten müssen. Das betrifft auch andere Schulungen“, richtete sie deutliche Worte in Richtung Landesregierung. Sie habe sich zuletzt diesbezüglich mit Kritik zurückgehalten. „Ich spreche da aber auch im Namen anderer Bürgermeister: Das ist so nicht mehr hinzunehmen. Wir müssen etwas tun. Die nächste Generation, die ausgebildet werden muss, kommt.“

Zur Kenntnis nehmen mussten die Kameraden allerdings auch an diesem Abend, dass eine wirkliche Änderung der Situation nicht in Sicht ist. Nordsachsens Kreisbrandmeister Ingo Weber schätzte ein, dass auch im Landkreis viele Feuerwehrkameraden in Positionen wirken, für die sie eigentlich Lehrgänge absolvieren müssten. „Um die Defizite auszugleichen, bräuchten wir rund zehn Jahre“, so Weber. Das sei so nicht hinnehmbar, auch der Landkreis kritisiere diesen Umstand immer wieder.

Im Land werde derzeit diskutiert, dass Berufsfeuerwehren wie in Dresden und Leipzig die Ausbildung ihrer Kameradinnen und Kameraden selbst übernehmen und dafür eine 
finanzielle Unterstützung vom 
Freistaat in Anspruch nehmen könnten. „Davon erhoffen wir uns mehr Kapazitäten, um perspektivisch 
wieder mehr Plätze nutzen zu können.“