Grußwort zur Frauentagsfeier in Torgau - „Goldener Anker“

Dr. Michael Friedrich

Den Internationalen Frauentag gibt es seit fast genau 100 Jahren. Wir haben also ein echtes Jubiläum, und da lohnen Rückblick und Ausschau besonders. Am 19. März 1911 gab es erstmals Massendemonstrationen in Deutschland, in Dänemark, in Österreich, in der Schweiz und in den USA. Die wichtigste Forderung damals war die nach dem aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen.

Sehr verehrte Anwesende, liebe Frauen, liebe Gäste,

für die Einladung nach Torgau in den altehrwürdigen „Goldenen Anker“ bedanke ich mich vielmals. Es ist mir eine große Ehre, an diesem besonderen Tag zu Ihnen sprechen zu dürfen und Ihnen  mit dieser kleinen Rede besondere Anerkennung und Dank  zu erweisen.

Den Internationalen Frauentag gibt es seit fast genau 100 Jahren. Wir haben also ein echtes Jubiläum, und da lohnen Rückblick und Ausschau besonders. Am 19. März 1911 gab es erstmals Massendemonstrationen in Deutschland, in Dänemark, in Österreich, in der Schweiz und in  den USA. Die wichtigste Forderung damals war die nach dem aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen. Mehr als eine Millionen Menschen gingen damals für diese Forderungen auf die Straße – eine bis dahin beispiellose und für den Wilhelminischen Obrigkeitsstaat, das Kaiserliche Deutschland geradezu unerhörte  Massenbewegung.

Mitten im 1. Weltkrieg, am 08. März 1917 demonstrierten Frauen anlässlich des Internationalen Frauentages in St. Petersburg. Vor allem in den Textilfabriken streikten die Frauen gegen den Krieg und gegen den Hunger. 90.000 Menschen schlossen sich an, die Februar- und später die Oktoberrevolution waren die Folge. Aufgrund der wahrhaft epochalen Bedeutung dieses Ereignisses für den weiteren Verlauf der Weltgeschichte wurde der Internationale Frauentag zukünftig auf den 08. März gelegt.

Was geschieht im Jahr 2011 – im Jubiläumsjahr?

Nach 100 Jahren fällt die Bilanz zwiespältig aus. Leider gibt es noch immer genügend Gebiete auf unserem Planeten, wo Massendemonstrationen gegen Kriege, vor allem gegen Bürgerkriege und gegen Hunger und Armut an der Tagesordnung sind. Denken wir nur an die aktuellen Ereignisse in Nordafrika und im Nahen Osten. Dort sind gerade die Frauen ein tragender Teil der Demonstrationen gegen die Militärmachthaber, egal ob in Ägypten, Tunesien, Jemen oder Jordanien. Oder denken wir an Mexiko oder Kolumbien, wo es gerade die Frauen sind, die mutig gegen  die Allmacht der Drogenbarone und für ein sicheres Leben demonstrieren. Auch in Indien und in Indonesien stehen Frauen an der Spitze, wenn es  um die Überwindung der drückenden Armut, der fehlenden Bildung oder um die Ausreichung von Mikrokrediten für eine selbständige wirtschaftliche Existenz geht.

Zum Glück sind diese Probleme in Europa seit langem überwunden. Ja man kann sagen, dass gerade die Frauenbewegung in Europa und Nordamerika eine der erfolgreichsten sozialen Bewegungen überhaupt ist. Nehmen wir die historische Forderung nach Arbeitsschutzgesetzen und nach ausreichendem Mutter- und Kinderschutz. Rein rechtlich gesehen kann dies in Deutschland seit Jahrzehnten als erfüllt angesehen werden. Dennoch klafft ein tiefer Widerspruch zwischen Theorie und Praxis. In der Realität sind wir leider noch weit entfernt von einer wirklich familienfreundlichen Arbeitswelt und einer umfassend kinderfreundlichen Gesellschaft. Gleiche Chancen und Möglichkeiten für alle Kinder gibt es leider immer noch nicht. Das gegliederte Schulsystem in Sachsen mit seiner viel zu frühen Auslese verhindert Chancengleichheit.

Immer noch ist die Zukunft des Einzelnen viel zu stark abhängig vom sozialen Status, aber auch davon, ob Erwerbsbiografien durch Familienarbeit unterbrochen wurden. So arbeiten in Sachsen immer noch 77 % der Frauen in Teilzeit, während es bei den Männern nur etwa ein Drittel so viel ist. Schlimmer noch, viel mehr Frauen als Männer können von ihrer Arbeit nicht leben, weil der Lohn nicht existenzsichernd ist. Das  betrifft gerade Alleinerziehende, die oftmals in schlecht bezahlten „Frauenberufen“ jobben und  mit HARTZ IV aufstocken müssen, wobei sie sehenden Auges in die Altersarmut treiben. Es wird höchste Zeit, dass im reichen Deutschland auch Frauen von ihrer Arbeit gut leben können!

Erst wenn es auch bei uns wie beispielsweise in den skandinavischen Ländern völlig selbstverständlich geworden ist, dass auch Väter die Elternzeit nehmen und sich dafür weder bei ihrem Vorgesetzten noch bei sonstwem rechtfertigen müssen, sind wir der gesellschaftlichen Gleichstellung näher. Erst wenn gleicher Lohn für gleiche Arbeit  bei einem gesetzlichen Mindestlohn pure Selbstverständlichkeiten werden, erreichen wir unser Ziel.

Ohne Quoten geht es vorerst nicht

Mit einer anderen historischen Forderung, der nach dem Wahl- und Stimmrecht für Frauen ist es ganz ähnlich. Auch hier scheint formal-rechtlich alles in Ordnung zu sein. Frauen können wählen und können gewählt werden. Ein Blick in den Bundestag, den Sächsischen Landtag oder aber die Vorstandsetagen der großen Konzerne zeigt, dass mitnichten alles in Ordnung ist. So nahmen im Jahr 2010 in den 200 größten deutschen Unternehmen die Frauen nur ganze  3,2 % der Vorstandsitze ein. Etwa nur jeder 30. Vorstand eine Frau – völlig undiskutabel! Nicht viel besser sieht es in den Aufsichtsräten aus. Hier beträgt der Frauenanteil ebenfalls nur schlappe 10,6 %. Diese Zahlen sind wahrlich erschreckend und verdeutlichen dringlichen Handlungsbedarf. Sie zeigen wie weit sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem realitätsfernen Appell an die deutsche Wirtschaft, doch mit einer Art Selbstverpflichtung den Frauenanteil zu erhöhen, verrannt hat.

Nun sind Quotenlösungen sicherlich nicht das Eleganteste, was man sich vorstellen kann. Angesichts der genannten Zahlen und der dahinter stehenden strukturellen Benachteiligung der Frauen führt aber gegenwärtig kein Weg an einer Quote  - möglichst Halbe-Halbe in den wichtigsten Bereichen! - vorbei. Norwegen hat es vorgemacht. Seit einigen Jahren existiert dort eine Quote von 40 % für Frauen in Aufsichtsräten. Das funktioniert einwandfrei und sogar mit Gewinn für das Geschäftsklima durch ausgleichende Toleranz, mehr Fingerspitzengefühl und weiblichen Charme, wie ich mir habe berichten lassen.

Mein Fazit im Jubiläumsjahr: Es gibt noch viel zu tun!

Es ist ein großer Schatz – das werden Sie, verehrte Anwesende anhand ihres eigenen  Lebens ohne weiteres nachweisen können – dass Berufstätigkeit und Elternschaft gut miteinander vereinbar sind und dass Kinder keineswegs schlechter gedeihen, wenn Mütter arbeiten gehen. Ich sehe es an meiner eigenen Familie – ich habe zwei berufstätige Töchter und drei Enkelinnen - kluge und selbstbewusste Frauen sind in jeder Hinsicht ein Gewinn für uns Männer, für unsere Gesellschaft! Auch wenn es diesem oder jenem Mann mitunter noch schwerfällt, dies so zu sehen und so zu leben, aber ich denke, daran führt kein Weg vorbei!

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle dem Anlass gemäß ganz einfach noch einmal DANKE zu sagen für ihre Arbeit, ihre Mühen, für ihre Ausdauer und auch für ihre Geduld mit dem männlichen Teil der Gesellschaft! Ich wünsche eine schöne Feier!