Im Kreistag am 14.12.22 das Statement unseres Vorsitzenden

Dr. Michael Friedrich

zum Beschluss von Haushaltsatzung und Haushaltsplan des Landkreises Nordsachsen für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 (DS 3-311/22/1)

//Anrede//,

lassen sie mich mit dem Positiven beginnen:

  • Zum ersten Mal seit 1994, seit dem ich dem Kreistag angehöre, erlebe ich, dass wir den Haushalt gerade noch rechtzeitig im Vorjahr beschließen, so wie es uns die LKrO auferlegt.
  • Trotz der dramatischen Ansage im letzten Kreistag, dass uns eine haushaltslose Zeit droht, gelingt es nun doch, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Einen Haushalt zu haben ist allemal besser als keinen zu haben. Nur so halten wir uns wenigstens einige Entscheidungsspielräume z. B. bei Investitionen und freiwilligen Aufgaben offen.  Überhaupt ist es erstaunlich, dass wir es trotz aller Restriktionen immer noch schaffen, in interessanten Größenordnungen zu investieren, siehe den Förderschul-Campus, den Blaulichtbereich, die Kohlesanierung und das „Graue-Flecken-Programm“. Das Gerede, dass wir Kreisräte bei der Haushaltsdiskussion ohnehin nichts Substantielles gestalten können,  ist so nicht zutreffend.
  • Wir unterliegen nicht der Versuchung, unsere prekäre Haushaltssituation zu Lasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu lösen. Mit 34,49 % haben wir ohnehin bereits seit Jahren die zweithöchste Kreisumlage in Sachsen.
  • Schaut man sich die großen Aufgabenblöcke an, so fällt sofort auf, dass die Pflichtaufgaben im Sozialbereich und auch im Jugendbereich dominieren. Sie machen knapp 60 % der Gesamtausgaben aus und haben zudem die höchste Dynamik, teilweise im zweistelligen Prozentbereich wie z. B. die Hilfen zur Erziehung oder die Umlage für den Kommunalen Sozialverband. Natürlich können wir Kreisräte die einzelnen Budgetansätze nicht sachkundig überprüfen; hier müssen wir der Kompetenz der Fachverwaltung vertrauen. Ohnehin bleiben Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit bei den gegenwärtigen vielfachen Krisen und objektiven Unbestimmtheiten eher schöne theoretische Forderungen. Praktisch erscheint uns das Gesamtkonstrukt ausgewogen.

Der Haushalt ist damit für uns zustimmungsfähig!

 

Ich darf nun zum eigentlichen Problem kommen, das wir gestern in unserer Fraktion mit Herrn Kabisch, unserem Finanzbeigeordneten, ausführlich diskutiert haben. Für den Besuch und das sehr offene Gespräch nochmals vielen Dank!

Natürlich sind die staatlichen Genehmigungserleichterungen alles andere als nachhaltig. Sie sind nichts anderes als eine drastische Notbremse. Wir werden gezwungen, einen großen Teil unseres Negativsaldos gegen das Basiskapital zu verrechnen, so wie bereits zu Coronazeiten.  Wir machen das jetzt zum zweiten Mal, vielleicht gelingt dies auch noch ein drittes Mal, falls in drei Jahren die nächste große Krise kommt oder die jetzigen noch nicht ausgestanden sind. Es braucht keine höhere Mathematik, um zu verstehen, dass ein solches Vorgehen endlich ist. Es führt massiv zum Substanzverzehr. Das ist das Gegenteil von dem, was wir mit der Doppik, die wir mit viel Kraft aufbauen mussten, erreicht wollten: Substanzerhalt, Substanzpflege, idealerweise Substanzaufbau. Das Groteske an der Geschichte ist, dass der Freistaat selbst ganz vornehm auf die Einführung der Doppik verzichtet und dabei noch seine Schuldenbremse wie eine heilige Monstranz hochhält. Wir und viele andere Landkreise und übrigens auch viele Kommunen bezahlen dafür mit einer prekären Haushaltslage.

So darf die Solidarität zwischen dem Land und seinen Kommunen nicht aussehen!

Bei der Anhörung des Kommunalen Finanzausgleichsgesetzes im Sächsischen Landtag hatte ich die Möglichkeit, als Sachverständiger zu sprechen. Ich habe diese Gelegenheit genutzt, um auf ein zentrales Problem zu verweisen:

Der Bund wird in der Sozialpolitik tätig, sehr oft im Sinne der Betroffenen. Siehe Bundesteilhabegesetz, siehe Unterhaltsvorschussgesetz, siehe Wohngeldreform, siehe Pflegereform, siehe die diversen Entlastungspakete  u. s. w. Das ist überhaupt nicht zu kritisieren, zumindest ist das der Standpunkt der LINKEN. Aber der Bund vergisst mit zuverlässiger Regelmäßigkeit, diese sozialen Verbesserungen auch auskömmlich zu finanzieren, d. h. sich in die Lage der Kommunen zu versetzen.

Er verletzt in Größenordnungen das wichtige Konnexitätsprinzip: Wer bestellt, der bezahlt!

Mein Schluss ist: Wenn die Länder schon nicht fähig oder willens sind, dieses Problem im Bundesrat anzusprechen und die Konnexität einzufordern, sind die Länder gegenüber den Kommunen in der Pflicht! Die Kommunen haben bekanntlich keinen eigenen staatlichen Verfassungsrang. Daher muss das Land im kommenden FAG ausreichende und rechtzeitige Krisenvorsorge für seine Kommunen betreiben, also wie ein Treuhänder wirken. Alle reden von Resilenz, von Krisenfestigkeit. Unser FAG ist intelligent aufgebaut mit seinen zwei Gleichmäßigkeitsgrundsätzen. Resilent aber ist es  leider nicht. Wir müssen in Größenordnungen als Landkreis in Vorkasse gehen, um die Mehrbelastungen und die Krisenlasten zu bewältigen. Leider verfügen wir über keine ausreichende Vorkasse.

Aus diesem Grund möchte ich Sie ermuntern, Herr Emanuel, Herr Kabisch,  weiterhin in Dresden nicht nachzulassen, dieses Problem mit der notwendigen Dringlichkeit anzusprechen! Bei der Solidarität zwischen Land und Kommunen ist noch viel Luft nach oben!