Immer mehr Rechtsextremisten in Nordsachsen

LVZ/DZ 26.11.20, S. 36 M. Schönknecht

Nordsachsen: Anzahl von Rechtsextremisten steigt

In Nordsachsen ist die Anzahl von Rechtsextremisten im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gestiegen. Laut Verfassungsschutzbericht 2019 wuchs die Szene um etwa 100 Personen. Linksextremistische Taten konnten kaum festgestellt werden.

 

Nordsachsen

Die extremistische Szene in Sachsen wird immer größer und radikaler. Zu diesem Ergebnis kommt der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019, den Innenminister Roland Wöller (CDU) und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen, Dirk-Martin Christian, kürzlich vorgestellt haben. Auf Nordsachsen ist der Befund jedoch nur teilweise zu übertragen. Sicher ist: Im Landkreis stieg das rechtsextremistische Personenpotenzial im Vergleich zum Vorjahr auf 150 bis 200 Personen an. 2018 wurden dem Kreis noch 100 bis 150 Personen zugerechnet. Im Vergleich zu anderen Regionen in Sachsen liegt Nordsachsen damit im mittleren Bereich. Eine aktive linksextreme Szene sei dagegen nicht festgestellt worden.

 

Mehr Kontakte zur Mitte der Gesellschaft

„Der Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen bleibt schon allein wegen der Entwicklung seines Personenpotenzials die größte Bedrohung und der Bereich, den unsere Verfassungsschützer am stärksten im Fokus haben“, sagte Wöller. Bezogen auf Nordsachsen stieg mit der Anzahl der Personen auch die der rechtsextremistischen Straftaten. Waren es 2018 noch 137 Straftaten, wurden ein Jahr später 140 festgestellt – davon fünf Gewalttaten. 2017 waren es noch 117 Straftaten.

Sachsenweit blieb die Anzahl mit 2198 Straftaten im rechtsextremistischen Bereich nach dem enormen Sprung in 2017 (1959 Straftaten) nahezu unverändert. Jedoch stieg auch insgesamt das Personenpotenzial um etwa 600 Personen auf nun 3400 an (2018: 2800). Hintergrund dieser Entwicklung sei vor allem die gestiegene Anschlussfähigkeit der Szene an die Mitte der Gesellschaft, etwa durch Kampfsport und Konzerte sowie im Fußball oder anderen Vereinen. „In den Sozialen Medien heizt man sich untereinander an. Und genau dort bildet sich ein Nährboden, aus welchem Radikalisierungsprozesse und schließlich gefährliche Straftaten erwachsen können“, erklärte LfV-Präsident Christian. Auch die gewaltbereite Neonazi-Szene sei von 1500 auf 2000 Personen stark gewachsen.

 

Eine immer größere Bedeutung gewinnen dabei auch Immobilien. Rechtsextremisten nutzen diese laut Bericht als Instrument zur regionalen Verankerung. Im Jahr 2019 habe sich erneut gezeigt, welche Bedeutung diese beispielsweise für die Durchführung von Konzerten haben. Denn Musikveranstaltungen können nur in Objekten mit einem bestehenden Nutzungsrecht abgehalten werden.

Wie bereits in den Vorjahren habe sich laut LfV das Veranstaltungsgeschehen auf das „seit 2008 einschlägig genutzte Objekt“ im Torgauer Ortsteil Staupitz konzentriert. Der ehemalige Gasthof sei das bedeutendste Konzertobjekt der Szene in Sachsen. Aufgrund behördlicher Nutzungsbeschränkungen dürfen in dem Objekt maximal zehn Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt werden. Diese Obergrenze sei durch die Szene in den vergangenen Jahren stets erreicht worden. 2019 wurden diese laut Bericht von bis zu 250 Personen besucht. In diesem Bereich liegt der Landkreis im oberen Drittel.

Kommunalpolitisch kaum Erfolge

Anders als beispielsweise im Landkreis Leipzig, wo im Falkenhainer Ortsteil Lossatal mit „Front Records“ einer der wichtigsten rechtsextremistischen Vertriebe ansässig ist, gebe es in Nordsachsen keine derartigen Strukturen. Jedoch sei hier die rechtsextremistische Band „Neubeginn“ zu verorten, die bei einem Konzert am 28. September in Torgau-Staupitz auftrat.

Ein Beispiel für im Eigentum der NPD stehende Immobilien sei laut Verfassungsschutz das Objekt des Deutsche-Stimme-Verlages im Nachbarlandkreis Mittelsachsen. Die Immobilie in Riesa diene sowohl als Treffpunkt als auch als Geschäftsstelle und Veranstaltungsort der Jugendorganisation der NPD, den jungen Nationalisten.

Als weitere rechtsextremistische Partei, führt der Bericht des LfV wiederholt den „Dritten Weg“ auf. Seit April 2015 existiere ein länderübergreifender „Stützpunkt Mittelland“, der die Städte Leipzig, Halle, Merseburg und das Umland umfasst. Geäußert habe sich das 2019 mit dem mehrfachen Verteilen von Flugblättern in Wahlvorbereitung in Schkeuditz, Delitzsch und Eilenburg. In Schkeuditz sei zudem eine Kundgebung durchgeführt worden. Im Landkreis habe es im Vorjahr zudem einen kleinen NPD-Kreisverband gegeben, der bis 2019 über Mandatsträger im Kreistag sowie in einzelnen Stadt- und Gemeinderäten verfügte. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 konnte die NPD ein Kreistagsmandat erringen. Auf Gemeindeebene gelang das nicht.

Weniger Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund

Neben der neonationalsozialistischen Szene gibt es auch in Nordsachsen eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Dazu zählen auch Rechtsextremisten, die der Fußballfanszene angehören. Hauptsächlich fiel diese durch die Begehung von Straf- und Gewalttaten gegen Menschen mit Migrationshintergrund sowie deren Helfer und Unterstützer, politische Gegner, Amts- und Mandatsträger sowie alle übrigen „Feindbilder“ der Szene auf.

Der Bericht zum Linksextremismus in Bezug auf Nordsachsen fällt kurz aus: Im Landkreis habe es laut LfV 2019 keine aktive autonome Szene und dementsprechend auch keine öffentlichen Aktivitäten gegeben. Dennoch registrierte das Landesamt 34 Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund, darunter eine Gewalttat. Im Vorjahr waren es noch 117 Straftaten, darunter zwei Gewalttaten.