Kinderarmut in Nordsachsen: Linke geht von hoher Dunkelziffer aus

Torgauer Zeitung/ LVZ Delitzsch-Eilenburg

Wie viele Familien sind auf Sozialleistungen angewiesen? Die Kreistagsfraktion fragt nach den Nutzern der geplanten Kindergrundsicherung – doch konkrete Zahlen sind Mangelware. --

Es ist eines der beherrschenden Themen im Berliner Politikbetrieb: die angedachte Kindergrundsicherung, mit der vor allem armutsbetroffenen Kindern Unterstützung und Perspektive geboten werden soll. Auch in Nordsachsen ist das Thema präsent. Doch wie groß ist der Kreis der Betroffenen wirklich? Und wie steht man im Landratsamt zu den Plänen der Ampel-Regierung? Das wollte die Kreistagsfraktion der Linken von Landrat Kai Emanuel (parteilos) erfahren.

160 von 1000 Einwohnern in Nordsachsen armutsgefährdet

Explizite Zahlen für den Landkreis Nordsachsen, so geht aus der Antwort des Landratsamts hervor, die der LVZ vorliegt, lassen sich nicht nennen. Der Grund: Zum Einen werden derartige Zahlen vom Landkreis selbst nicht erfasst. Zum anderen basieren Daten des Statistischen Landesamts, auf die sich die Kreisverwaltung beruft, auf dem sogenannten Mikrozensus, in dem ein Prozent aller sächsischen Haushalte stichprobenartig erfasst werden – was wiederum keine Untergliederung auf Kreisebene zulässt.

Gänzlich ohne Zahlen steht man Nordsachsen indes nicht da. So geht aus den Antworten der Kreisverwaltung hervor, dass 2022 im sogenannten NUTS2-Bereich – dem einstigen Direktionsbezirk Leipzig – 160 von 1000 Einwohnern im Vergleich zum mittleren Einkommensniveau der Region als armutsgefährdet geführt wurden. Das entspreche einer Quote von 15,2 Prozent, heißt es dazu in der Statistik. Wie viele der Betroffenen indes Kinder sind, die von der Grundsicherung profitieren würden, wird nicht separat erfasst.

Etwas konkreter, so fasst es auch die Linken-Kreistagsfraktion in ihrer Stellungnahme zur Antwort zusammen, stellt sich die Lage beim Blick auf die Erhebungen des Jobcenters Nordsachsen dar. So nahmen 2022 insgesamt 1361 Paare in sogenannten Partner-Bedarfsgemeinschaften sowie 1195 Alleinerziehende Sozialhilfe oder das neue Bürgergeld in Anspruch. Zum Stichtag 30. Juni 2023 bezogen laut Jobcenter 899 Haushalte mit
1753 Kindern im Kreis Wohngeld, 1295 Haushalte nahmen Leistungen aus dem Paket Bildung und Teilhabe in Anspruch. Weitere 564 Kinder erhielten Leistungen für Asylbewerber.

Immer mehr Kinder leben mit nur einem Elternteil zusammen

Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Die exakte Zahl der Betroffenen lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen. Denn in den Statistiken des Jobcenters werden nur jene Menschen und Haushalte erfasst, die staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. Die Dunkelziffer der faktisch von Armut bedrohten Familien und Kindern in Nordsachsen dürfte also höher liegen. Ein Umstand, den auch die Linksfraktion benennt.

Auffällig sei zudem, dass immer mehr Kinder im Kreis mit nur einem Elternteil zusammenleben. Für Judith Sodann, Geschäftsführerin der Linken-Kreistagsfraktion, ein Indiz für ein erhöhtes Armutsrisiko und entsprechenden Verzicht. „Armut grenzt aus, ist ungesund und ungerecht“, betont sie. Abhilfe könnten aus Sicht der Linken „echte Lernmittelfreiheit, eine kostenlose Mittagsversorgung und endlich eine unkomplizierte und nicht stigmatisierende Kindergrundsicherung“ schaffen.

Ein Ansinnen, das der Landkreis prinzipiell teilt. Grundsätzlich stehe man dem Projekt Kindergrundsicherung positiv gegenüber, so Landrat Emanuel in seiner Antwort. Allerdings fehle es weiterhin an detaillierten Aussagen zur konkreten Ausgestaltung. Entsprechend gespannt warte man darauf, wie der Bund die Kindergrundsicherung in das bereits bestehende Netz an Sozialleistungen integriere – und ob und wie die Leistungen am Ende wirklich bei den Kindern ankommen.