Landkreise nicht gegen Städte und Gemeinden ausspielen!

Dr. Michael Friedrich

Die finanziellen Notlagen unseres Nachbarlandkreises Leipzig, vor allem aber die des Landkreises Görlitz zeigen, dass die Notsituation Nordsachsens beileibe kein Einzelfall ist. In Görlitz gar wurde die Kreisumlage gegen den Willen des Kreistages per Ersatzvornahme (= Zwangsverwaltung) durch die Landesdirektion auf 31,5 % angehoben.

Die finanziellen Notlagen unseres Nachbarlandkreises Leipzig, vor allem aber die des  Landkreises Görlitz zeigen, dass die Notsituation Nordsachsens beileibe kein Einzelfall ist. In Görlitz gar wurde die Kreisumlage gegen den Willen des Kreistages per Ersatzvornahme (= Zwangsverwaltung) durch die Landesdirektion auf 31,5 % angehoben. Nun ist allein die Tatsache, dass auch andere mit dem Rücken zur Wand stehen wenig tröstlich. Vielmehr verdeutlicht diese ein grundsätzliches Problem, dessen Lösung die Landesregierung hilflos gegenübersteht. So ist die durchschnittliche Kreisumlage der 10 sächsischen Landkreise 2011 von ehemals 28 % auf über 29 % gestiegen und wird im Jahr 2012 die 30-Prozent-Marke überschreiten. Dies ist ein schrilles Alarmsignal, hat doch niemand anderes als die Landesregierung selbst bis zu 25 % Kreisumlage als genehmigungsfrei und damit unproblematisch festgelegt. Man muss kein Orakel befragen um vorherzusagen, dass sicher bald weitere Landkreise den finanziellen Offenbarungseid leisten müssen und an das Gängelband der Landesdirektion gelegt werden.

Es ist für mich völlig unverständlich, dass die schwarz-gelbe Staatsregierung die Brisanz dieses Problems nicht erkennen will oder kann. Sie setzt stattdessen weiter auf die Karte des Auseinanderdividierens wischen den Landkreisen einerseits und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden auf der anderen Seite. Dadurch wird in Summe kein einziger Euro mehr in die kommunalen Kassen gespült, wohl aber ein Keil der Entsolidarisierung in die kommunale Familie getrieben. Während sich die Staatsregierung für ihre jährliche Nettotilgung in Höhe von 75 Mio. Euro feiern lässt und einen viel zu hohen Garantietopf für ihre 2,75 Mrd. Euro-Bürgschaft für die untergegangene Landesbank anspart, verschweigt sie den politischen Preis für ihre angeblichen Haushaltstugenden: Auf der kommunalen Ebene fehlen dringend benötigte Mittel für die Bildung, die Schulhaussanierung, die KiTas, den Jugendbereich, für Investitionen in die Infrastruktur, den ÖPNV und vieles mehr. Finanzielle Schulden werden zwar getilgt, dafür aber soziale Schulden angehäuft. Letztere  betreffen die nachfolgenden Generationen mindestens ebenso stark wie die finanziellen Schulden. Ganz abgesehen davon, ob es für die nachfolgenden Generationen überhaupt noch attraktiv sein wird, angesichts wegbrechender Bildungs- und Sozialinfrastruktur und geringerer Einkommen im Sachsenland zu verbleiben. Viele haben längst mit den Füßen abgestimmt. Viele weitere werden folgen, wenn die Landesregierung nicht bald die Kommunen und vor allem die Landkreise verlässlich, d. h. angesichts der gewachsenen Aufgaben auskömmlich und planungssicher finanziert.

Es ist nicht nur aus sozialer Sicht und aus Gründen der demografischen Entwicklung falsch, nein es ist auch aus finanzieller und volkswirtschaftlicher Sicht grober Unsinn, wenn die Staatsregierung in Zeiten eines historischen Zinstiefs das Geld auf die hohe Kante legt, statt gezielt die kommunale Investitionskraft zu stärken. Noch können dort durch die gegenwärtig noch bestehenden günstigen Förderregelungen oftmals aus einem Euro drei oder gar vier Euro gemacht werden. Mit Beginn der neuen EU-Förderperiode ab 2013 und mit dem Auslaufen des Solidarpakts bis 2019 wird dies mit Sicherheit so nicht mehr möglich sein. Landrat Czupalla (CDU) wäre gut beraten, seine starke Stellung als direkt gewählter Landrat gegenüber der CDU-geführten Staatsregierung dahingehend zu nutzen, gemeinsam mit allen anderen Landräten hier ein Umsteuern zu erzwingen.

Dr. Michael Friedrich
Vorsitzender Fraktion DIE LINKE