Mietern droht bei Nebenkosten drastischer Anstieg um hunderte Euro

Torgauer Zeitung

Die hohen Gas- und Stromkosten sowie verschiedene Energiesparvorgaben machen das Wohnen teurer. Mit den Abrechnungen für 2022 droht vielen Sachsen in einem Jahr ein böses Erwachen.

Leipzig. Auch wenn die Mieter erst zeitversetzt die Rechnung bekommen: Durch eine ganze Reihe von Faktoren steigen die Nebenkosten für das Wohnen in Deutschland gerade massiv an. Wie der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) berechnet hat, können sich die Erhöhungen bald auf mehrere Hundert Euro pro Haushalt und Jahr summieren.

„Unsere größte Sorge sind die Betriebskosten für die Wohnungen“, erklärte VSWG-Fachmann Sven Winkler. Zwar hätten sich die Durchschnittswerte bei den über 200 Mitgliedsunternehmen in den jüngsten beiden Jahren nur um insgesamt 3,2 Prozent auf 2,26 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche erhöht. „Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm“, so Winkler.

Genossenschaften senden pro Monat 207 000 Briefe mehr

Bisher seien hauptsächlich die kalten Betriebskosten für den Anstieg verantwortlich gewesen – also die regelmäßig angehobenen Gebühren für Abfall, Winterdienst, Trink- und Abwasser oder die Grundsteuer. Nun kämen aber im großen Stil Erhöhungen bei den warmen Betriebskosten für Heizung, Warmwasser und Strom dazu.

Zum Beispiel habe die Bundesregierung zum 1. Januar 2022 eine Pflicht zur „unterjährigen Verbrauchsinformation“ (UVI) eingeführt. In Häusern mit fernablesbaren Messgeräten müssen die Mieter nun jeden Monat über ihren Verbrauch bei Heizung und Warmwasser informiert werden, was sie zum Energiesparen anregen soll. „Der größte Teil unserer älteren Mitglieder nutzt keine E-Mails oder Apps. Allein die Wohnungsgenossenschaften in Sachsen müssen an diese Haushalte deshalb jetzt jeden Monat etwa 207 000 Briefe verschicken. Das sind fünf Millionen Seiten Papier im Jahr – die Briefumschläge noch nicht mitgerechnet.“

Kohlendioxid-Abgabe erneutzu Jahresbeginn gestiegen

Das Porto und der Aufwand der Ablesedienste erhöhten die Betriebskosten um 30 bis 80 Euro pro Jahr. Der Erkenntnisgewinn bleibe eher gering, weil in den Briefen nur die Entwicklung beim Verbrauch dargestellt werden könne, nicht aber der aktuelle Preis.

Auch zum Jahresbeginn stieg die Kohlendioxid-Abgabe von 0,54 auf 0,65 Cent pro Kilowattstunde. Für eine mit Gas beheizte 60-Quadratmeter-Wohnung entspreche das rund 35 statt bisher 30 Euro im Jahr, erläuterte Winkler. Die Abgabe solle jedoch bis 2026 schrittweise weiter klettern auf dann 80 Euro für die genannte Beispielwohnung. Ab 2027 bleibe der Preis dem freien Markthandel für CO2-Zertifikate überlassen, was mit Mehrkosten von 100 bis 250 Euro im Jahr zu Buche schlagen könne. Nach wie vor sei dabei unklar, wie dies zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt wird.

Größtes Plus bei den Ausgaben für die Energie

Das größte Problem seien die gestiegenen Ausgaben für Energie. Der Erdgaspreis (für Heizung und Warmwasser) habe sich 2021 verdreifacht. Statt fünf bis sieben Cent pro Kilowattstunde müssten die Genossenschaften absehbar 15 bis20 Cent bezahlen. Beim Strom (für den Betrieb technischer Anlagen sowie den Hausstrom) gehe es von 24 bis 29 Cent hinauf auf 35 bis40 Cent. Weil größere Wohnungsunternehmen meist über langfristige Lieferverträge verfügten, treffe sie der extreme Anstieg etwas zeitversetzt und mitunter abgeschwächt. „In vielen Fällen wird das böse Erwachen aber 2023 folgen – wenn die Betriebskostenabrechnungen für 2022 verschickt werden“, sagte Winkler. „Die Zusatzausgaben bei den Nebenkosten summieren sich schnell zu einer ganzen Monatsmiete.“

Allerdings verläuft der Anstieg in den Regionen unterschiedlich stark. Leipzigs größter Vermieter LWB rechnet für 2022 noch nicht mit Anhebungen in Größenordnungen, so Sprecherin Samira Sachse. Durch einen hohen Fernwärme-Anteil und langfristige Verträge mit den kommunalen Versorgern gebe es einen gewissen Schutz. Der aktuelle Trend bei den Energiepreisen lasse jedoch „Schlimmes befürchten“, sagte sie.

Die Leipziger Stadtwerke haben ihren Fernwärmepreis zum Jahresanfang um durchschnittlich 8,6 Prozent erhöht, den Gaspreis um 15 bis 29 Prozent. Beim dynamischen Tarifmodell des Dresdner Versorgers EnergieSachsen/Drewag lagen die Fernwärmepreise im Januar 2022 nahezu doppelt so hoch wie im Januar 2021 – der Anstieg betrug mehr als 86 Prozent. Die Gastarife wurden dort im neuen Jahr schon zweimal nach oben angepasst.

Besonders hart treffe die Entwicklung den ländlichen Raum, erklärte der sächsische Verbandder Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw). Er vertritt rund120 überwiegend kommunale Wohnungsgesellschaften, die mehr als ein Fünftel des Mietwohnungsbestandes im Freistaat bewirtschaften. „In strukturärmeren Regionen treten die Nebenkosten bereits in Konkurrenz zur Kaltmiete und haben die Bezeichnung ,Neben’ gar nicht mehr verdient“, meinte vdw-Sprecher Alexander Müller. Der Standort-Vorteil günstigerer Kaltmieten auf dem Land werde dadurch mehr und mehraufgebraucht. „Es belastet vor allem die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, was wir mit großer Sorge beobachten.Wir möchten mit Nachdruck darauf hinweisen, dass diese Kosten keine Einnahmen für die Vermietersind, sondern von uns nur weitergereicht werden.“

Mal abgesehen von der völlig unkalkulierbaren Entwicklung der Energiepreise: Allein bei den kalten Betriebskosten erwarte der Verband in den kommenden fünf Jahren Preissteigerungen von bis zu15 Prozent auf etwa 1,50 Euro pro Quadratmeter. „2017 lagen sie noch bei 1,19 Euro je Quadratmeter bei unseren Mitgliedsunternehmen, für 2021 gehen wir schon von 1,31 Euro aus“, berichtete Müller. Für eine60-Quadratmeter-Wohnung bedeute diese Spanne von 31 Cent dann Mehrausgaben von 223,20 Euro im Jahr.

Kosten durch mehr Fahrstühle oder die Rauchmelderpflicht

Schließlich kämen zeitnah noch weitere kalte Komponenten hinzu – beispielsweise 20 bis 30 Euro pro Jahr wegen der neuen Pflicht zu Rauchwarnmeldern in den Altbauwohnungen, außerdem höhere Wartungskosten für Lüftungsanlagen, die Wärmerückgewinnung oder eine wachsende Zahl von Fahrstühlen wegen des Trends zu barrierearmen Häusern. In der Gebäudereinigung wurde der Branchenmindestlohn erst Anfang Januar von 11,11 Euro auf 11,55 Euro erhöht. Ab Oktober soll er zwölf Euro pro Stunde betragen.