Monddiskussion um Regionalkreis löst unsere Probleme nicht!

Dr. Michael Friedrich

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass bei einem Regionalkreis Leipzig, bestehend aus Nordsachsen und dem Landkreis Leipzig, weder Torgau noch Borna ihren Status als Kreissitz behalten dürften. Vielmehr würde dieser aus Erreichbarkeitsgründen nach Leipzig abwandern und damit außerhalb des neuen Kreisgebildes liegen. Mit dieser ungewöhnlichen Geometrie könnte man sich zur Not noch anfreunden. Nicht aber mit der Konsequenz, dass dann Hunderte gut dotierter und relativ sicherer Arbeitsplätze aus Torgau, Borna aber auch aus Delitzsch, Eilenburg, Oschatz und Grimma nach Leipzig abwandern und die Stelleninhaber mitsamt ihrer Familien früher oder später in die Messestadt umziehen würden.

Die SPD wird nicht müde, ihren Vorschlag zur Bildung eines Regionalkreises in regelmäßigen Abständen die Medien zu bringen (zuletzt TZ 12.10.10, LVZ 14.10.10). Die realen Konsequenzen dieser „richtig guten Idee, die nicht zerredet werden dürfe“ (Kreisrat Prof. Schönherr) aber wären fatal.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass bei einem Regionalkreis Leipzig, bestehend aus Nordsachsen und dem Landkreis Leipzig, weder Torgau noch Borna ihren Status als Kreissitz behalten dürften. Vielmehr würde dieser aus Erreichbarkeitsgründen nach Leipzig abwandern und damit außerhalb des neuen Kreisgebildes liegen. Mit dieser ungewöhnlichen Geometrie könnte man sich zur Not noch anfreunden. Nicht aber mit der Konsequenz, dass dann Hunderte gut dotierter und relativ sicherer Arbeitsplätze aus Torgau, Borna aber auch aus Delitzsch, Eilenburg, Oschatz und Grimma nach Leipzig abwandern und die Stelleninhaber mitsamt ihrer Familien früher oder später in die Messestadt umziehen würden. Das hätte mittelfristig negative Auswirkungen auf die Strukturentwicklung, auf die Attraktivität und nicht zuletzt auch auf die Steuereinnahmen in Nordsachsen.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre eine erneute Kreisreform nach nur drei Jahren ein sehr dünnes Eis. Würde jetzt das 2007/2008 im Landtag mit allen Stimmen der CDU und der SPD gegen alle Stimmen von FDP, GRÜNEN und LINKEN verabschiedete Paket wieder aufgeschnürt, ohne wirklich Besseres bieten zu können, stellte sich sofort die Frage nach der Exaktheit des damals verwendeten Datenmaterials einschließlich der Prognosen und der Solidität der seinerzeit erfolgten Abwägungen. Alle entscheidenden Kennziffern aber wie der künftige Verschuldungsstand von Nordsachsen, die mangelhafte Wirtschaftskraft oder die stark rückgängige Einwohneranzahl waren auch schon damals bekannt. Um eine Mehrfachneugliederung, wie sie die SPD jetzt vorschlägt, gerichtsfest zu begründen, liegen die verfassungsrechtlichen Hürden außerordentlich hoch. Das ist kein theoretisches, sondern ein höchst praktisches Problem, denn natürlich hat jeder neue Landkreis Vertrauensschutz in seine nicht nur vorübergehende Existenz. Auch dürfte es so sicher wie das Amen in der Kirche sein, dass zumindest die Städte Torgau und Borna, die ihren Status als Kreisstadt dann verlieren und einen herben Bedeutungsverlust erleiden würden, vor den Verfassungsgerichtshof in Leipzig ziehen. Mit besten Aussichten auf Erfolg.

Ein neuer Regionalkreis Leipzig wäre mit rund 480.000 Einwohnern einer der einwohnerstärksten in der Bundesrepublik und fast so groß wie Leipzig selbst. Dieser Großkreis könnte sich laut § 25 Absatz 2 der Landkreisordnung maximal 98 Kreisräte leisten. Selbst dies aber bedeutete eine radikale „Ausdünnung“ der kommunalen Mandate im Vergleich zum jetzigen Kreistag, wo 80 Kreisräte auf rund 211.000 Einwohner kommen. Andersherum: Kommen in Nordsachsen gegenwärtig rund 2.638 Einwohner auf einen Kreisrat oder eine Kreisrätin, so würde sich dieses Verhältnis in einem Großkreis Leipzig auf rund 4.898 Einwohner verschlechtern. Die „Mandatsdichte“ würde sich also fast halbieren!  Nur am Rande sei erwähnt, dass die Relation Einwohner zu Kreisräten im ehemaligen Landkreis Delitzsch im Jahr 2007 bei rund  2.096 und im Landkreis Torgau-Oschatz sogar bei rund 1.769 lag. Die Mandatsdichte hat sich also bereits damals um rund ein Drittel verringert! Natürlich besteht kein einfacher Automatismus zwischen einer hohen Anzahl kommunaler Mandate und einer wirksamen Interessenvertretung durch den Kreistag. Wohl aber ist die aufgezeigte starke Ausdünnung der Mandate, verbunden mit einer faktischen Verdoppelung der territorialen Verantwortung von Bad Lausick bis Bad Düben und von Schkeuditz bis Grimma in Anbetracht des kommunalen Ehrenamtes und der tatsächlichen Wegezeiten schon problematisch und ganz gewiss kein Beitrag für eine lebendige kommunale Demokratie. Erst recht wenn man in Rechnung stellt, dass bei den nächsten Wahlen die bereits jetzt recht starke „Bürgermeisterfraktion“ dann noch dominanter werden würde und von einer angemessenen Repräsentanz des gesamten Bevölkerungsquerschnitts kaum mehr die Rede sein könnte. Mehr noch als bei unserem „Bananenkreis“ stünde zudem völlig in Frage, ob sich die Bevölkerung mit solch einem anonymen Kreismonster noch identifizieren könnte.

 

Zudem wäre ein Regionalkreis zur Lösung unserer akuten Haushaltsprobleme nicht einmal geeignet. Aktuell haben wir in Nordsachsen ein Haushaltsdefizit von rund 15 Mio. Euro, das bis zum Jahr 2014 auf über 150 Mio. Euro anzuwachsen droht. Das Leipziger Land hat zwar dieses Jahr noch einmal den Haushaltsausgleich geschafft, ist aber alles andere als finanziell potent. Seine mittelfristige Finanzplanung sieht für das Jahr 2013 einen Fehlbetrag von rund 20 Mio. Euro vor. Geht man sehr großzügig davon aus, dass nach einer Fusion beider Landkreise etwa 20 % an Personalkosten eingespart werden könnten – ein solcher Wert jedenfalls liegt als Erwartung der letzten Kreisreform zugrunde -  bedeutete dies bei den gegenwärtigen Personalkosten beider Landkreise von knapp 100 Mio. Euro ein Einsparpotential von maximal 20 Mio. Euro. Dieses  würde aber keinesfalls sofort, sondern frühestens erst nach fünf bis sieben Jahren wirksam. Berücksichtigt werden müssen nämlich auch die „Transformationskosten“ für eine erneute Reform wie Abfindungen, Anpassung der EDV-Programme, hohe Kosten für die Anmietung von Büroflächen in Leipzig, Umzüge etc. Keine Frage, auch 15 - 20 Mio. Euro Konsolidierungspotential in den Jahren ab 2014 sind nicht zu verachten, obgleich der „soziale Preis“, speziell die absehbare Verschlechterung der Leistungen für die Bevölkerung, längere Bearbeitungszeiten und der Arbeitsplatzabbau ein hoher und m. E. unverantwortlicher wäre. Unseren Haushaltsproblemen jedoch, die sehr zeitnah gelöst werden müssen, würde dadurch nicht abgeholfen. Offensichtlich stellt ein Regionalkreis kein geeignetes Mittel dar, um die tatsächliche Ursache der Fehlbedarfsentwicklung, nämlich die sich immer weiter öffnende Schere zwischen den ständig steigenden Sozialausgaben der Landkreise und der wegbrechenden Einnahmebasis zu schließen. Hier kann nur eine grundlegende Reform des Kommunalen Finanzausgleichsgesetzes (FAG) weiterhelfen.

Ersichtlich sind die Landkreise laut GG und Sächsischer Landesverfassung (LV) weitaus mehr als nur irgendeine „verwaltungstechnische Verschiebemasse“, über die man je nach Bedarf oder Opportunität frei verfügen kann. In den Artikeln 82 – 87 LV sind die Landkreise neben den Gemeinden ausdrücklich als Träger der Selbstverwaltung definiert und mit einer ganzen Reihe von Rechten und Pflichten ausgestattet, so z. B. ihre Angelegenheiten im  Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, eine vom Volk gewählte Vertretung zu haben und über eine angemessene Finanzausstattung zu verfügen. Damit ist klar, dass Nordsachsen zwar nicht auf eine dauerhafte Sonder-Alimentation des Freistaates hoffen darf, wohl aber auf eine solche Hilfe in Form einer einmaligen Bedarfszuweisung nach § 22 FAG, um die objektiv vorhandene Sonder-Altlast in Höhe von rund 21 Mio. Euro  aus dem Sanierungsvertrag der untergegangenen Sparkasse Torgau-Oschatz aufzufangen. Ähnlich exorbitante  „Altlasten“ existieren nämlich in keinem der anderen 9 Landkreise. Aus diesem Grund ist ein staatlicher Ausgleich im Interesse des Funktionierens unseres Landkreises und der Chancengerechtigkeit im Vergleich zu den anderen Landkreisen ebenso sachgerecht wie notwendig. Verweigert sich die Landesregierung dieser politischen Verantwortung, muss sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie sehenden Auges Verfassungsbruch zu begehen denkt!

Dr. Michael Friedrich

Fraktionsvorsitzender