Neue Infrastruktur für 70 000 Arbeitsplätze

LVZ, Delitzsch-Eilenburg

Im Nordraum sollen sich weitere Unternehmen ansiedeln. Wirtschaftsminister Dulig unterzeichnet Vereinbarung mit Bürgermeistern.

Die Kommunen des Nordraums Leipzig wollen enger zusammenrücken, um ihre Gebiete für weitere Wirtschaftsansiedlungen fit zu machen. Vertreter von sieben Städten und Gemeinden unterzeichneten am Mittwoch einen Letter of Intent, der über ein Dutzend Infrastrukturprojekte enthält, die jetzt vorrangig entwickelt werden sollen.

Uneinigkeit gab es dagegen bei der Frage einer Eingemeindung nach Leipzig: Keiner der nördlichen Nachbarn will Teil der Großstadt werden.

Wirtschaftsraum soll noch dynamischer werden

Die Unterzeichnung des Letter of Intent – also einer unverbindlichen Absichtserklärung – wurde medienwirksam inszeniert: Die Stadt Leipzig hatte einen E-Bus bereitgestellt, der vom Bushof am Schkeuditzer Rathaus mehrere Infrastrukturprojekte ansteuerte. An Bord waren auch führende Kommunalpolitiker aus Schkeuditz, Delitzsch, Taucha, Krostitz, Rackwitz und Wiedemar. Die „Boomregion Mitteldeutschlands“, in der sich schon Firmen wie DHL, Amazon, Porsche, BMW und Zulieferfirmen angesiedelt haben – müsse noch verkehrsgünstiger werden, hieß es.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) war für diese Tour aus Dresden angereist und betonte, dass es um nicht weniger als 70 000 Arbeitsplätze gehe, die ansiedlungswillige Firmen im Nordraum Leipzig schaffen könnten, wenn die Infrastruktur dafür vorhanden ist. „Wir haben die Chance, hier im Nordraum neue Entwicklungen einzuleiten“, sagte er. Denn der „dynamischste Wirtschaftsraum Mitteldeutschlands“ sei nach wie vor im Fokus vieler ansiedlungswilliger Firmen.

Gleichzeitig betonte der Staatsminister, dass auch deutlicher werden soll, dass es im Nordraum nicht nur um Lippenbekenntnisse geht, sondern um verbindliche Entwicklungen. „Die Stimmungslage im Land ist nicht die beste“, so Dulig. Das Vertrauen in die Politik schwinde und es sei dringend nötig, es wieder aufzubauen. „Wir wollen mit unserem Letter of Intent in unsicherer Zeit auch ein Zeichen für Sicherheit setzen.“

Der Schkeuditzer Oberbürgermeister Rayk Bergner (CDU) betonte, dass für mehrere Projekte in seinem Gebiet die Planungen laufen. „Wenn die Bundesstraße 6 nicht entstanden wäre, würde Schkeuditz heute im Verkehr ersticken“, so Bergner. Aus dem gleichen Grund müsse jetzt die Altscherbitzer Straße auf Staatsstraßenniveau ausgebaut und die Radefelder Allee von zwei auf vier Spuren erweitert werden. Die Anbindung der Radefelder Allee an die Bundesstraße 6 könne bis Ende 2027 geschafft sein.

Dienberg wirbt für Radschnellweg

Dass Leipzig die Ambitionen der Nachbarkommunen unterstützt, betonte Michael Jana, Leiter des Leipziger Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA). Die leistungsstarke Radefelder Allee werde dringend benötigt, um die angrenzenden Gewerbestandorte zu entwickeln, zum Beispiel den Flughafen, so der Amtsleiter. „Auch neue Knoten zur Bundesstraße 6, zur Poststraße und zum Porschewerk werden gebraucht.“ Die Kosten dafür würden sich „aus heutiger Sicht“ auf 18 bis 20 Millionen Euro summieren, aber durch die „Inwertsetzung der Flächen“ ringsum bezahlt machen. Es gebe auch Überlegungen, die „Autobahn A 14 mit zusätzlichen Anbindungen“ auszustatten.

Leipzigs Bau-Bürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) betonte die Notwendigkeit des geplanten Radschnellweges zwischen Leipzig und Halle. Dieser würde den Pendlerverkehr in der näheren Umgebung der geplanten neuen Firmenansiedlungen reduzieren. „Fünf- bis 15-Kilometer-Distanzen kann man mit einem Fahrrad wunderbar bewältigen“, warb Dienberg für das Projekt. Auch neue S-Bahn-Haltepunkte seien im Nordraum „unverzichtbar“. Aktuell werde mit einer Machbarkeitsstudie nach den besten Standorten gesucht.

Großforschungszentrum lässt hoffen

LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg erklärte, dass er sich durch den Busverkehr zwischen den neuen S-Bahn-Haltepunkten und den Werksstandorten 1900 Job-Tickets erhofft. Sie würden so ausgelegt, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) automatisierte Shuttles einsetzen können.

Eckard Rexroth, 1. Beigeordneter im Landratsamt Nordsachsen, betonte, dass sich im Nordraum große Hoffnungen mit dem geplanten Großforschungszentrum in Delitzsch verbinden, für das der Bund bereits Geld im Rahmen des Braunkohle-Strukturwandels zugesagt hat. Rund 1000 neue Arbeitsplätze würden entstehen, rund 700 davon in Delitzsch. Auch dafür werde eine bessere Infrastruktur benötigt. Parallel dazu entwickle der Landkreis Nordsachsen aktuell einen Standort für ein Hochtechnologiezentrum – also für eine Großansiedlung wie den US-Chiphersteller Intel in Magdeburg. Dafür werde ein 410 Hektar großes Gebiet an der Bundesstraße 183a auf der Gemarkung Wiedemar vorbereitet, das erschlossen und optimal angebunden werden soll. „Wir wollen bereit sein, wenn ein neuer Großinvestor anklopft“, so Rexroth.

VTA-Chef Jana betonte, dass rund 80 Projekte vorgesehen sind, um den Nordraum Leipzig „zukunftssicher“ zu entwickeln. „Diese können wir nicht alle gleichzeitig verwirklichen, deshalb haben wir uns zunächst auf 14 konzentriert.“ Ziel sei, diese „Top 14“ bis „2030 und darüber hinaus“ zu realisieren. „Der Zeitpunkt der Fertigstellung ist für uns nicht so wichtig – entscheidend ist, dass diese Projekte umgesetzt werden.“

Konkret ist im Letter of Intent von Mobilitätsverbesserungen in Wahren und bei der Anbindung des Güterverteilzentrums-Nord/Radefeld zu lesen. Auch ein Mobilitätshub Leipzig-Messe soll entstehen, ebenso wie der Radschnellweg Leipzig-Halle. Neben Verbesserungen des Busangebotes im Nordraum haben auch der Ausbau der Radefelder Allee, der Bau einer Verkehrsstation Schkeuditz-Ost und die ÖPNV-Beschleunigung an Ampeln Priorität. Erwähnt werden ebenso der Ausbau regionaler ÖPNV/SPNV-Verknüpfungspunkte, der Ausbau der Bundesstraße 2 im Bereich Hohenossig sowie der Ausbau der Altscherbitzer Straße und des Stämmerwegs mit dem Knotenpunkt Kölner Straße/S1. Auch bessere ÖPNV-Anbindungen für das IVG Wiedemar und das CTC Delitzsch sind im Letter enthalten – beides mit Gleisanschlüssen.

„Eingemeindungen? Nicht in meiner Amtszeit“

Offen ist allerdings noch, wie es mit der politischen Struktur des Nordraumes weitergeht. Denn trotz aller Einigkeit über die Infrastrukturentwicklung ist das Thema Eingemeindungen unter den Kommunen tabu. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erklärte auf LVZ-Anfrage, eine Eingemeindung von Kommunen nach Leipzig werde „nicht mehr in meiner Amtszeit“ stattfinden. Auch der Schkeuditzer Oberbürgermeister Bergner betonte, dass er dies in seiner Amtszeit ausschließe.

Hinter den Kulissen war zu hören, dass Leipzig mit einer selbstständigen Nachbarstadt Schkeuditz gut leben kann: Da viele Planungen ein Einvernehmen mit den Nachbarkommunen vorschreiben, sei die Zusammenarbeit mit der sächsischen Kommune deutlich einfacher als die mit Orten in Sachsen-Anhalt, heißt es.