Redemanuskript zur „Fortschreibung des Konzepts des Landkreises Nordsachsen zur Integration von geflüchteten Menschen vom 14.06.2017“, Drucksache. 3-379/23

Dr. Michael Friedrich, Fraktionsvorsitzender

//Anrede//,

ich darf an unseren April-Kreistag in diesem Jahr erinnern. Damals haben sich die demokratischen Fraktionen gemeinsam zur Pflichtaufgabe der Unterbringung schutzsuchender Menschen bekannt und auch dazu, diese Menschen anständig zu behandeln.

 

Wir LINKE wissen aus vielen Gesprächen, dass vielerorts die Unterbringungskapazitäten weitgehend ausgereizt sind und die Akzeptanz zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge sinkt. Deshalb sind wir natürlich bereit, nach sinnvollen und pragmatischen Lösungen zu suchen, um Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen. Dabei ist und bleibt für uns wichtig, diese Menschen- aus welchem Grund auch immer sie zu uns gekommen sind! - nicht als bloße Nummern oder Zahlen zu behandeln, sondern eben als Menschen, die eine Würde besitzen, deren Asylgründe sorgfältig geprüft werden müssen und die nicht einfach nur nach Durchschnittsstatistiken in „gute“ und in „schlechte“ Flüchtlinge aufgeteilt werden können.

Wie ist nun das neue Unterbringungskonzept zu bewerten?

Positiv schätzen wir ein, dass es wirklich ein Konzept ist und nicht nur eine bloße Momentaufnahme wie das vergangene. Realistischer Weise wird ein mittelfristiger Zeitraum bis ins Jahr 2026 betrachtet mit verschiedenen Szenarien an Flüchtlingszahlen. Positiv ist weiter, dass am Grundsatz der dezentralen Unterbringung für integrationswillige Geflüchtete festgehalten wird, was ein weitgehend selbstbestimmtes Wohnen und Leben ermöglicht.

Aber es gibt von unserer Seite auch wichtige Kritikpunkte. Deshalb spreche ich hier, damit verständlich wird, weshalb und wir uns bei der Abstimmung enthalten werden.

Das Asylrecht, das aus guten historischen Gründen in unserer Verfassung steht, ist bekanntermaßen einindividuelles Grundrecht. Es kann und darfnicht auf länderspezifischeDurchschnittswerte der Anerkennung von Fluchtgründen reduziert werden! Wir sind strikt dagegen, dieses wertvolle Grundrecht zu schleifen oder auch nur zu relativieren! Deshalb kritisieren wir, dass das neue Unterbringungskonzept zu einem Aussieben von Menschen führen soll, die tatsächlich oder auch nur vermutlich keine gute Bleibeperspektive haben. Was etwa ist mit politisch Verfolgten oder Homosexuellen etwa aus Tunesien oder Ägypten, die manch einer gern als sichere Herkunftsländer einstufen will?

Ohne unserer Unteren Ausländerbehörde guten Willen und Engagement absprechen zu wollen, halten wir es für höchst problematisch, nach einem vierwöchigen „Clearing“-Prozess die tatsächliche Bleibeperspektive Geflüchteter einschätzen zu wollen. Wir als Kreistag und auch das LRA haben schlicht weder die Befugnis noch die Kompetenz, diese komplizierte Arbeit des BAMF quasi vorwegzunehmen. Zwar wird dies in dem neuen Konzept auch nicht behauptet, dennoch sind die Folgen, sollte so vorgegangen werden, genau diese. Und sie sind gravierend!

Bereits die bedingungslose Einstufung der ukrainischen Flüchtlinge, die per se einen Aufenthaltstitel und Bürgergeld erhalten, war und ist fragwürdig. Erst recht ist es fragwürdig, von vornherein große Gruppen von Flüchtlingen ohne eine theoretische Bleibeperspektive in problematischen großen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen und ihnen ganz bewusst keinerlei Integrationsleistungen zu gewähren. Das spart natürlich zunächst einmal kommunales Personal und Geld. Diese Ersparnis aber wird teuer erkauft, denn die überwiegende Mehrzahl der Nicht-Anerkannten wird aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden können, sondern über Jahre hinweg zumindest eine Duldung erhalten.

Damit bleibt das wichtige Problem ungelöst, wie diese Menschen, die nicht abgeschoben werden dürfen, in die Lage versetzt und motiviert werden können, wieder ihr Leben möglichst schnell in die eigenen Hände zu nehmen, ja im Idealfall einer nützlichen Arbeit nachzugehen. Und dies geht nicht ohne Integration!

Diese meist jungen Männer sitzen dann ohne ausreichende Sprachkenntnisse und ohne sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten in ihren immer noch sehr großen Sammelunterkünften. Mindestens zwei neue von dieser Sorte sollen bis 2026 gebaut werden. Glaube nur niemand, dass diese Situation in den betroffenen Gemeinden Akzeptanz finden wird! Ganz abgesehen davon, dass ein überschaubarer Rest von Integrationsarbeit dann auf die verschiedenen freiwilligen Helfer, Vereine und Initiativen verlagert wird, die ja bereits jetzt schon alle Hände voll zu tun haben. Das konterkariert eine Willkommenskultur, die ja gerade wegen akutem Fachkräftemangel und demographischem Druck in unserem dünn besiedelten Nordsachsen hilfreich wäre.

Ich schließe heute zum ersten Mal im Leben mit einem Zitat von MP Kretschmer. Auf einem Treffen mit Bischöfen vergangene Woche sagte er:

Es kann nicht richtig sein, dass wir Menschen, die zu uns kommen, wunderbar wegadministrieren und sie zu Hause sitzen. Nein, sie müssen etwas tun, sie sollen arbeiten können. Das gibt ihnen Würde“.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Vielen Dank!