„Traurig bin ich schon“ – Linke treten nicht mehr für Dübener Stadtrat an
Bad Düben.
Bad Dübens dienstältester Stadtrat hört auf. Nach 34 Jahren im Stadtplenum kandidiert Andreas Flad nicht mehr bei der nächsten Kommunalwahl. Sein Abschied läutet zudem das Aus für die Linke im Stadtrat ein. Denn neben Flad treten auch Birgit Dilly und Mathias Jung nicht mehr an. Neue Bewerber gibt es nicht.
Überraschend kommt der Abschied eigentlich nicht. Oder doch? „Ich höre auf“ – diesen Satz hat zumindest der ehemalige Lehrer in den vergangenen Jahren einige Male gesagt. Wahr gemacht hat er ihn bisher nicht, weil Stadtratsarbeit in Bad Düben ohne Mitwirkung der Linken undenkbar schien. „Ich habe in den 24 Jahren viele Erfahrungen gesammelt, und die Leute geben mir ihre Stimme, das ist eine Bestätigung“, sagte Flad bereits in einem LVZ-Gespräch vor zehn Jahren. Damals votierten über 600 Bad Dübenerinnen und Bad Dübener für ihn. Fünf Jahre später holte der jetzt 72-Jährige mit 958 die meisten Stimmen aller Kandidaten in Bad Düben.
Nachwuchs bei den Linken
in Bad Düben fehlt
Flad war es auch, der vor fast 35 Jahren Birgit Dilly überzeugte, bei den Genossen zu bleiben. „Ich habe das Linke förmlich in die Wiege gelegt bekommen, aber nach all dem, was sich die SED geleistet hatte, wollte ich nach der Wende aus der Partei austreten“, sagt die 62-Jährige, die seit nunmehr 27 Jahren im Stadtrat ist. Die Leiterin einer Mensa-Küche in Halle will aus beruflichen Gründen zwar nicht mehr für den Stadtrat, aber erneut für den Kreistag kandidieren. Dass die Entscheidung ihres Fraktions-Chefs auch sie in ihrem Entschluss zum Aufhören auf Stadtebene bestärkt hat, räumt sie unumwunden ein: „Allein würde ich das nicht schaffen.“
Das Problem ist: Nachwuchs ist nicht in Sicht. Rund 25 Mitglieder zählt die Ortsgruppe Bad Düben/Laußig der Linken noch, meist sind es Frauen und Männer älteren Semesters. Junge Menschen, die in ihrer Freizeit kommunalpolitisch wirken wollen oder auch können, gibt es kaum.
Wohl zwangsläufig bahnte sich in den letzten Jahren die Entscheidung zum Rückzug aus dem Stadtrat an. „Leicht gefallen ist mir das nicht. Mir war es dennoch wichtig, den Zeitpunkt zum Aufhören nicht zu verpassen. Deshalb haben wir ein Bündnis mit einer anderen Partei oder Gruppierung erwogen – letztlich war es doch keine Option“, sagt Andreas Flad, der aus dem Erzgebirge stammt und seit Jahrzehnten mit seiner Familie in Bad Düben wohnt.
Birgit Dilly, die in Kleinkorgau bei Bad Schmiedeberg aufwuchs, bekennt: „Ein bisschen traurig bin ich darüber schon.“ So wie bei Mathias Jung, der in Thüringen arbeitet, sind es bei der zweifachen Mutter vor allem berufliche Gründe.
Linke haben für Bad Düben
vieles mit anschieben können
Die beiden Ex-Stadträte in spe machen keinen Hehl daraus, dass die Mitarbeit im Stadt-Gremium mit turnusmäßigen und Sondersitzungen, Ausschussterminen, Fraktionsberatungen und einigem mehr zeit- und kräfteraubend ist, die Familie und der Blick auf die eigene Gesundheit dabei oft hintenanstehen. Dabei unterscheide sich die kommunalpolitische Arbeit längst von der der Anfangsjahre nach der friedlichen Revolution, wo es oftmals „heiß herging“. Damals waren die Besucherreihen bei den Sitzungen im Feuerwehrgerätehaus stets proppenvoll, die Themenlisten lang, bis nach Mitternacht redeten sich die Stadträte die Köpfe heiß.
Hitzig gehe es auch heute ab und an zu und das Aufgaben-Spektrum war und ist groß. „Es steht aber weniger die Ideologie, dafür mehr die Sach- und Themenarbeit im Vordergrund“, zollt Flad Respekt. Brisante Themen würden oftmals in zwanglosen Runden vorab diskutiert, bevor es in den Entscheidungsgremien ernst werde. „Wir für Bad Düben“, wie sich die Fraktionskollegen der Freien Wähler seit 2022 nennen, „könnten wir eigentlich über den gesamten Stadtrat schreiben“.
Linke und soziale Werte zu vermitteln war ihnen in all den Jahren stets wichtig. Dennoch sei die Zahl der von ihnen eingebrachten Anträge zuletzt überschaubar gewesen, und nicht alle Ziele wurden erreicht, so wie die Schaffung einer Versammlungsstätte für Vereine. Die Gründung eines ökologischen Beirates, die Integration der Russlanddeutschen, die Etablierung des 27. Januar auch als städtischer Gedenktag für Opfer des Nationalsozialismus, der European Energy Award, die Gründung der BI Kommunalabgaben seien nur einige Punkte, neben all den maßgeblichen Entscheidungen wie Heide-Spa-Neubau, Erhaltung des Freibades und Umbau zum Natur-Sportbad, Hort.
Burgberg plus Landschaftsmuseum, Schauwerkstätten, Städtepartnerschaft mit Diez und vielem mehr, die die zwischen drei und fünf Abgeordneten der Linken mit angeschoben haben. „Wir haben gemeinsam mit den anderen sehr viel für Bad Düben schaffen können, das macht uns auch stolz.“
Bei Kita-Beiträgen soll ein
Zeichen gesetzt werden
Ein Stadtrat ohne Linke – geht das? Flad und Dilly hoffen, dass die auf den Weg gebrachte Gründung eines Jugendparlaments sich positiv auf die künftige Arbeit im Stadtrat auswirkt, dass wieder mehr Frauen im Parlament mitwirken. Wie oft sie nun als Gäste die Sitzungen im Ratssaal verfolgen werden, wissen sie nicht. Ein Termin werde aber Pflicht sein: „Dann, wenn es um die Kita-Beiträge geht. Wir haben nie für die Erhöhung gestimmt, auch wenn die Einsicht in die Notwendigkeit da war.“ Vielmehr gehe es darum, ein Zeichen zu setzen, dass die Landesregierung eine beitragsfreie Kita schaffe oder den Landesanteil erhöhen.
Wie geht es weiter nach dem Rückzug aus dem Stadtrat? Birgit Dilly will ihr jahrelanges Engagement im Kreistag weiterführen, kandidiert erneut. Für den politisch, aber auch an Kunst und Kultur interessierten Menschen Andreas Flad ist die kommunalpolitische Ära außer dem Öko-Beirat beendet. Ganz zurückziehen kann und möchte er sich dennoch nicht, will den Verein Brotkorb unterstützen und natürlich aktiv weiter verfolgen, was in seiner Heimatstadt passiert.