Wie geht es weiter in der Schkeuditzer Helios-Klinik?

LVZ Delitzsch-Eilenburg

Die Nachricht kam nicht völlig unerwartet – und sorgte doch für Aufsehen in der Flughafenstadt: Die Helios-Klinik schließt die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe. Offiziell nur vorübergehend, doch kaum jemand rechnet damit, dass der Betrieb wieder aufgenommen wird. Wie geht es mit dem gesamten Haus weiter? Darüber sprechen Professor Holger Thiele (Ärztlicher Direktor) sowie Matthias Hirsekorn (Geschäftsführer) und Till Sander (Kaufmännischer Leiter) im Interview.

Wie geht es dem Helios-Klinikum Schkeuditz nach Schließung der Gynäkologie und Geburtshilfe?

Hirsekorn: Uns ist die Entscheidung sehr schwergefallen. Wir haben wirklich intensiv nach Fachärzten gesucht, aber es hat leider nicht geklappt. Wir sehen die Entscheidung allerdings auch als Maßnahme zur Stärkung anderer Bereiche im Haus.

Thiele: Eine Konzentration in den Bereichen Gynäkologie und Geburtshilfe geht einher mit den politischen Entwicklungen. Hinzu kommen Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Mindestgeburtenzahl. Die liegt bei 500; in Schkeuditz erreichen wir diese Grenze mit rund 220 Geburten in diesem Jahr bei Weitem nicht.

Wie viele Mitarbeitende sind betroffen, und wie geht es für sie weiter?

Hirsekorn: Es sind die Hebammen und Ärzte der Abteilung betroffen. Die Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege können andere Tätigkeiten im Haus übernehmen, auch viele der Hebammen haben eine Ausbildung im Pflegebereich und können in anderen Abteilungen arbeiten. Mit allen Betroffenen laufen Gespräche. Darüber hinaus bin ich hierzu im Kontakt mit anderen Geburtskliniken, zum Beispiel mit dem Klinikum St. Georg. Wir wollen unterstützen, so gut es geht.

Wie steht das Haus wirtschaftlich da?

Hirsekorn: Es ist bekannt, dass viele Kliniken unter den hohen Energiepreisen und allgemein steigenden Kosten leiden, wir bilden da keine Ausnahme. Insgesamt können wir aber sagen, dass wir dank unseres sorgfältigen Wirtschaftens im Helios-Netzwerk finanziell stabil aufgestellt sind. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zur wirtschaftlichen Entwicklung unserer Kliniken keine hausbezogenen oder regionalisierten Angaben machen.

Anfang des Jahres gab es schon einmal Unruhe im Haus, nachdem der Ärztliche Direktor das Haus verlassen musste. Seitdem sollen allein in der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Standort Schkeuditz mehrere Assistenz-, Fach- und Oberärzte gekündigt haben?

Hirsekorn: Uns haben Ärzte verlassen – auch in der Anästhesie. Eine gewisse Fluktuation gehört aber zum normalen Geschäft. Wir haben alles daran gesetzt, wieder Ärzte in der Anästhesie neu einzustellen. Das ist zum Teil gelungen, wir haben aber noch nicht wieder die alte Stärke erreicht. Deshalb hilft uns auch die Kooperation mit Anästhesisten aus dem Herzzentrum.

Es gab die Kritik, dass OP und Intensivstation zeitweise gerade so besetzt gewesen seien, dass es noch irgendwie lief. Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben?

Hirsekorn: Aus unserer Sicht war die Lage immer stabil, die Versorgung zu jeder Zeit gewährleistet. Personalmangel ist bekannterweise kein Problem, mit dem wir es nur in Schkeuditz zu tun haben, und alle Kliniken müssen kurzfristige Ausfälle kompensieren. Wenn sich morgens zwei OP-Pflegekräfte krankmelden, müssen auch mal Operationen verschoben werden. Sie fallen aber nicht aus. Der Krankenstand hat sich seit der Pandemie deutlich erhöht, teilweise nähert sich die Ausfallquote in manchen Kliniken der 30-Prozent-Marke. Das ist gerade mit Blick auf Operationen sehr herausfordernd, weil dort immer sehr viele Fachkräfte zur richtigen Zeit vor Ort sein müssen: die OP-Pflegekräfte, der Anästhesist, der Operateur und dessen Assistent.

Sie haben die Abteilung für Schmerztherapie geschlossen. Warum war das nötig?

Hirsekorn: Es gab zwei parallele Abteilungen für Schmerztherapie: gleich nebenan im Sächsischen Krankenhaus Altscherbitz und bei uns. Beide haben relativ wenige Patienten betreut. Als die zuständige Ärztin von Helios nach Altscherbitz gewechselt ist, war es sinnvoll, die Schmerztherapie dort als eine Einheit zu betreiben. Für den Patienten hat sich nicht viel verändert.

Sander: Wir hatten innerhalb eines Jahres nur 56 Patienten in der Schmerztherapie.

Für Kritik gesorgt haben auch Überlegungen zur Personalrotation innerhalb des Clusters. Wer ist davon betroffen, und wie funktioniert das in der Praxis?

Hirsekorn: Rotation hatten wir in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem bei Ärzten der Anästhesie. Deren Abteilung hat ja am Herzzentrum eine gewisse Größe. Und es gibt Ärzte, die bereit oder interessiert sind, mal einen Dienst in Schkeuditz zu machen, oder auch mal eine ganze Woche. 

Sander: Herz-Experten sehen hier in Schkeuditz natürlich auch andere Krankheitsbilder. Darüber hinaus können wir Assistenzärzten im Rahmen ihrer Facharztweiterbildung auch Einsätze in einem anderen Haus ermöglichen. Rotationsmodelle können dieser Anforderung entgegenkommen.

Herr Hirsekorn und Herr Professor Thiele – Sie sind in Doppelfunktionen leitend am Herzzentrum und in Schkeuditz tätig, rotieren also selbst. Auch das wird bei einigen Beschäftigten durchaus kritisch gesehen. Werden Sie Ihrer Rolle an jedem einzelnen Standort gerecht?

Hirsekorn:Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich von den Erwartungen ab. Aus meiner Sicht werden wir unseren Rollen gerecht, vieles geht sogar leichter. Wir sind an beiden Standorten präsent, aber vieles lässt sich auch mit digitaler Kommunikation lösen und mit Mitarbeitern vor Ort – etwa mit unserem kaufmännischen Leiter Herrn Sander.

Thiele: Die Doppelfunktion ermöglicht viele neue Einblicke und ist spannend. Mit den heutigen digitalen technischen Möglichkeiten kann man trotz der gewissen Distanz effektiv arbeiten und so an beiden Standorten Präsenz haben.

Was bedeutet die Krankenhausreform für den Standort Schkeuditz?

Hirsekorn: Generell befasst sich Helios schon lange mit der Konzentration von Leistungen und Netzwerkbildung – Themen also, um die es bei der Reform ja auch geht. Wer etwas öfter macht, kann es am Ende halt besser. Wir haben in Schkeuditz eine sehr starke Endoprothetik und mit den Schilddrüsenoperationen einen weiteren sehr erfolgreichen Bereich. Das sind Leuchttürme, die wir erhalten und mit denen wir wachsen wollen. Auch in der Inneren Medizin haben wir uns gut stabilisiert, die Notaufnahme mit unmittelbarer Nähe zur Autobahn läuft ebenfalls gut, wir sind lokales Traumazentrum. Ich glaube, dass wir in diesen Bereichen auch in Zukunft unsere Daseinsberechtigung haben. Uns ist nicht Angst und Bange, wir gehen davon aus, dass wir als Rund-um-die-Uhr-Versorger bestehen bleiben. Wir müssen aber sehen, was am Ende wirklich beschlossen wird: Sollte das Gesetz die Messlatten und Mindestmengen für kleine Kliniken unerreichbar hochlegen, würde es anders aussehen. Im Sinne einer funktionierenden Patientenversorgung kann man aber aus meiner Sicht nicht alles an großen Zentren konzentrieren und jedes kleine Haus schließen.

Thiele: Die Helios-Klinik Schkeuditz hat – auch bei Einführung neuer Versorgungsstufen – ihre Daseinsberechtigung und ihre Stärken. Innere Medizin und Chirurgie – inklusive Orthopädie und Traumatologie – bilden klare Stärken des Hauses. Die Kooperation mit und die Nähe zum Sächsischen Krankenhaus Altscherbitz ist mehr als sinnvoll.